Sechs IPOs, gesteigerte Liquidität sowie eine positive Entwicklung der Aktien: Die Bilanz von Scale kann sich zwei Jahre nach dem Start sehen lassen.
Die Öffentlichkeit durfte mitentscheiden: Aus 550 Vorschlägen hat die Deutsche Börse 2017 den Namen Scale ausgewählt. Mit dem neuen Börsensegment sollen vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU), die häufig einen großen Bedarf an Eigenkapital haben, für den Kapitalmarkt begeistert werden. Durch das Listing kommen sie leichter an Kapital und können schneller wachsen. Für Investoren bietet Sca
le die Chance, sich am deutschen Mittelstand zu beteiligen.
Aufnahme in Scale an hohe Hürden gebunden
Scale hat 2017 die Nachfolge des ungeliebten Entry Standards und des gescheiterten Neuen Markts angetreten. Die Hürden, damit Firmen mit ihren Aktien aufgenommen werden, sind nun vergleichsweise höher. Zunächst einmal müssen drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt werden:
- ein Mindestumsatz von zehn Millionen Euro
- ein positiver Jahresüberschuss
- ein positives bilanzielles Eigenkapital
- mindestens 20 Mitarbeiter
- ein bereits vorab eingesammeltes Eigenkapital von fünf Millionen Euro.
Börsen-Kandidaten müssen außerdem eine Historie von zwei Jahren oder mehr aufweisen. Darüber hinaus muss die voraussichtliche Marktkapitalisierung zum Zeitpunkt der Einbeziehung in den Handel mindestens 30 Millionen Euro betragen.
Das schmälert die Anzahl potenzieller Kandidaten: Waren im Entry Standard noch über 140 Unternehmen vertreten, sind derzeit „nur“ 50 Firmen aus Deutschland, Großbritannien und Luxemburg gelistet. Finanzdienstleister sind dabei genauso vertreten wie Industrie- oder Softwareunternehmen. Unternehmen, die die Hürden nehmen und es heute in Scale schaffen, profitieren von der Infrastruktur der Deutschen Börse: So werden beispielsweise Investorentreffen organisiert und Research-Berichte über die Unternehmen zur Verfügung gestellt.
Deutsche Börse lernt aus Fehlern der Vergangenheit
Im Durchschnitt haben sich die gelisteten Aktien in den vergangenen zwei Jahren positiv entwickelt: Der Scale All Share-Index stieg um rund zehn Prozent. Zum Vergleich dazu weist der deutsche Leitindex DAX für den gleichen Zeitraum ein leichtes Minus auf.
Außerdem hat sich die Liquidität der Emittenten verglichen mit dem Zeitraum vor dem Start von Scale nahezu verdoppelt. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung der Unternehmen beträgt 128 Millionen Euro. Insgesamt beläuft sich die Marktkapitalisierung im Segment auf etwas mehr als 6,5 Milliarden Euro.
Unternehmen, die gegen die Pflichten verstoßen oder die Anforderungen nicht immer erfüllen, dürfen in das damals ebenfalls neu geschaffene Basic Board des Open Markets herabgestuft werden. Dies zeigt: Die Deutsche Börse hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und an den richtigen Stellen nachjustiert. Dadurch wird auch das Vertrauen der Investoren in Scale gesteigert. Gleichzeitig haben aber auch kleinere mittelständische Unternehmen, die noch nicht die Anforderungen von Scale erfüllen, die Möglichkeit, den Kapitalmarkt als alternative Finanzierungsmöglichkeit zu nutzen. Eine Option, mit der sich durchaus das eine oder andere KMU näher beschäftigen sollte. Denn Fakt ist: Was die Finanzierung angeht, sind KMU nach wir vor zu einseitig aufgestellt. Dass sich mittelständische Unternehmen zu sehr auf den klassischen Bankkredit verlassen, zeigt auch eine aktuelle Studie von Euler Hermes. Demnach decken rund 70 Prozent der KMU in Europa ihre externe Finanzierung über Bankkredite ab.
Um den Wachstumskurs langfristig zu sichern und die Risiken in Krisenzeiten zu reduzieren, sollten KMU ihre Finanzierung stärker diversifizieren. Ansonsten laufen sie – auch aufgrund der immer strengeren Regulierung – schlimmstenfalls Gefahr, bei Bedarf keine frische Liquidität zu erhalten und damit einhergehend an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Zwar hat sich die Finanzierungslücke im Zuge der Niedrigzinsphase in den vergangenen Jahren ein wenig geschlossen. Laut der Euler-Hermes-Studie beträgt die Finanzierungslücke der KMU in der Eurozone aber immer noch drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Oder anders ausgedrückt: Dem europäischen Mittelstand fehlen 400 Milliarden Euro.
IPO: Die Bedingungen waren schon mal schlechter
Fakt ist: Das Umfeld für einen Börsengang ist derzeit aussichtsreicher, als viele Unternehmen vermuten. Zwar lassen einige der jüngst veröffentlichten Konjunkturaussichten zu wünschen übrig. Und auch die nicht enden wollenden Brexit-Diskussionen sowie die Handelsstreitigkeiten der USA mit zahlreichen anderen Staaten – allen voran China – machen auf den ersten Blick nicht allzu viel Mut. Richtig ist aber auch, dass die Börse sich seit Jahresbeginn dennoch in prächtiger Verfassung präsentiert. So legte der DAX seit Jahresanfang um rund 14 Prozent an Wert zu, während der Nebenwertindex MDAX gar um circa 19 Prozent kletterte. Zu erklären ist diese Rally unter anderem damit, dass die Europäischen Zentralbank nach wie vor einen extrem expansiven Kurs fährt und die für den Herbst in Aussicht gestellte Zinswende nun auch noch nach hinten verschoben hat. Dies bedeutet: Es ist reichlich Liquidität im Markt, die renditeträchtig angelegt werden will. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik – mittlerweile verharrt der europäische Leitzins schon seit über drei Jahren bei 0,0 Prozent – ist die Auswahl an attraktiven Anlagemöglichkeiten aber begrenzt. Von dieser Gemengelage profitieren nicht nur bereits an der Börse notierte Aktiengesellschaften. Auch gut aufgestellte mittelständische Unternehmen, die nun mit dem Gedanken eines IPOs spielen, dürften in diesem Umfeld auf ein reges Interesse von Investoren treffen.
Bilanz von Scale kann sich sehen lassen, es besteht aber noch Luft nach oben
Seit dem Start haben übrigens sechs Unternehmen aus Scale den Gang auf das Parkett gewagt. Künftig sollen es noch mehr werden. Ob das gelingt? Dafür bedarf es des Blicks in die Kristallkugel – und der ist erfahrungsgemäß nicht allzu zuverlässig. Wünschenswert wäre es allemal. Die sechs Scale-Börsengänge können sich auf jeden Fall sehen lassen, gab es in den Jahren 2017 und 2018 an der Frankfurter Börse doch insgesamt ohnehin nur 23 IPOs.
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