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Schuldschein – In oder Out?

von Holger Clemens Hinz
Schuldschein - in oder out?

Der Schuldscheinmarkt läuft und läuft. Der Hype ist aber ein gefährlicher, denn ein Schuldschein weist durchaus das eine oder andere Risiko auf. 

Der Schuldschein ist wieder in Mode, es geht aufwärts mit der Nachfrage der Investoren nach diesem Konstrukt. Das machen die jüngsten Zahlen der Beratungsgesellschaft Capmarcon deutlich. Demnach lag das Emissionsvolumen im jüngsten dritten Quartal bei bemerkenswerten 8,3 Milliarden Euro – eine deutliche Erholung gegenüber den vorangegangenen Jahresvierteln. Im gesamten ersten Halbjahr hatte das Volumen mit insgesamt rund 9,2 Milliarden Euro an platzierten Schuldscheinen nur marginal höher gelegen. Der Kapitalbedarf deutscher Unternehmen hat im dritten Quartal offenbar wieder zugenommen.

Doch so sehr das auch die an der Schuldscheinindustrie beteiligten Unternehmen freut – an und für sich ist dieser Triumphzug eine erschreckende Entwicklung, wenn das aktuelle makroökonomische Umfeld und die individuelle Entwicklung im Markt Betrachtung findet.

Schuldschein: Markt ohne Sekundärmarkt

Man fragt sich zwangsläufig, wann sich den Investoren die Augen öffnen über die Risiken der Schuldscheine. Die vermeintlichen Vorteile sind nämlich beim genaueren Hinsehen recht überschaubar. Die bei HGB-Bilanzierung mögliche 100%-Bewertung ist etwa permanent, es gibt keine Markt-zu-Markt-Bewertung. Apropos Markt: Es mangelt auch an einem richtigen Sekundärmarkt, genau genommen handelt es sich bei Schuldscheinen um äußerst illiquide Wertpapiere; früher galt dafür die goldene Regel eines Zinsaufschlags gegenüber Anleihen, heute ist die Tendenz bei der Zinserwartung aber genau anders herum. Die Emittentenseite wird daneben durch Aufnahme von Cross Over-Credits, also Krediten von Non-Investment-Grade-Emittenten immer stärker erweitert. Was nichts anderes heißt, als dass es vermehrt schwache Emittenten sind, die sich für die Ausgabe von Schuldscheinen entscheiden.

Bloß nicht schwarz ärgern

Angesichts dieser ganzen Fakten lässt es sich nur deutlich sagen: Eigentlich gehört das antiquierte Produkt Schuldschein endlich abgeschafft – es suggeriert systemisch aktuell zwar Sicherheit und das Bilanzierungsprivileg gaukelt Vollwertigkeit vor, aber de facto sind gerade in Zeiten steigender Zinsen Niedrigzinspapiere weniger wert. Darüber hinaus werden Verschlechterungen in der Bonität der Emittenten nicht in Impairments widergespiegelt und im Zuge der anhaltenden Verwässerung bei der Auswahl an Emittenten wird es sicherlich zwangsläufig zu historisch bisher unerreichten Ausfallraten an Schuldscheinen kommen.

Oder anders gesagt: Der Run auf Schuldscheine ist einer dieser Trends, die Investoren nur bei ordentlicher eigener Prüfung der Bonität der Emittenten mitmachen sollten, wenn sie sich nachher nicht über die Rendite der Schuldscheine ärgern wollen. Ein erster wichtiger Schritt sollte die Abschaffung des handelsrechtlichen Bewertungsprivilegs sein. Investoren in diese Papiere sind nämlich vielfach Pensionskassen und Versicherungen, und böse Überraschungen in Bezug auf die Altersansprüche braucht sicherlich keiner der Anwärter. Es ist ein bisschen wie der Blick auf alte Fotos aus den Siebzigern, auf denen man Hosen mit riesigem Schlag trägt – man ärgert sich nachher schwarz darüber, dass man dieser Mode einst hinterhergelaufen ist.

 

 

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