Home Mittelstand Made in Germany: So bleibt das Gütesiegel hoch im Kurs

Made in Germany: So bleibt das Gütesiegel hoch im Kurs

von Holger Clemens Hinz

Das Gütesiegel „Made in Germany“ genießt weltweit einen exzellenten Ruf – Diesel-Schummelsoftware und Verzögerungen bei großen Bauprojekten zum Trotz. Wie sehr deutsche Produkte im Ausland gefragt sind, zeigt auch die Exportstärke des Maschinenbaus. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Exporte 2018 um 5,3 Prozent auf rund 178 Milliarden Euro. Doch die Herausforderungen und die internationale Konkurrenz nehmen zu. Welche Weichen gestellt werden müssen, damit „Made in Germany“ langfristig eine Erfolgsstory bleibt. 

Nur knapp ist die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2018 an einer Rezession vorbeigeschlittert. Die Zeit des großen, fast zehn Jahre anhaltenden Aufschwungs neigt sich dem Ende. Verantwortlich dafür sind auch externe Faktoren – allen voran die nicht enden wollenden Diskussionen rund um den Brexit, das Erstarken neuer Wirtschaftsmächte wie China und der allgemein rauere Ton in der Weltpolitik. Und selbstverständlich lassen sich auch die Volten des US-Präsidenten Donald Trump nicht seriös in die Strategie eines Konzerns einpreisen.

Grund zur Panik besteht nun aber nicht, präsentiert sich der deutsche Mittelstand doch nichtsdestotrotz in prächtiger Verfassung. So bewerten laut dem Mittelstandsbarometer von EY 97 Prozent der insgesamt 1.500 befragten mittelständischen Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als „gut“ oder „eher gut“. Dies bedeutet nun aber nicht, dass sich KMU zurücklehnen können. Damit „Made in Germany“ ein Erfolgsgarant bleibt, müssen der Mittelstand und die Politik jetzt die richtigen Impulse setzen.

1. Die Politik muss sofort für 5G an jeder Milchkanne sorgen

Die Diskussion um den Internet-Ausbau in Deutschland – sei es nun per Glasfaser oder kabellos – gibt es schon fast so lange wie das Internet selbst. Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist unterdurchschnittlich, für die wirtschaftliche Kern-Nation der EU ein Armutszeugnis. Noch immer gibt es selbst in großen deutschen Innenstadtlagen mancherorts nur langsames, unzuverlässiges Kupferdraht-Internet, noch immer klaffen über ländlichen Gebieten riesige weiße Löcher in den Mobilfunk-Karten deutscher Anbieter. Über die berüchtigte Milchkannen-Verirrung von Bildungsministerin Anja Karliczek wurde schon viel zu viel gesprochen, sie bringt das Problem aber auf den Punkt: Die deutsche Politik verschläft die Digitalisierung nachhaltig und systematisch, nicht nur in Form von einzelnen unbedarften Äußerungen.

Für die Wirtschaftsleistung spielt es zwar erstmal eine untergeordnete Rolle, ob der Konsument nun unterwegs mit 50 oder 100 Megabit Facebook aktualisieren kann (und für den Nutzer eigentlich auch). Für den Agrarbetrieb, der sich gegen Konkurrenten aus Ländern mit deutlich geringeren Energie- und Personalkosten durchsetzen muss, kann die 5G-gestützte Datenerfassung und -verarbeitung aber den entscheidenden Unterschied bringen: Zwischen Tradition, die alleine untergeht, und zukunftsfähiger Innovation. Die deutsche Wirtschaft ist noch immer stabil, aber wenn sie den Wandel verschläft und einmal Abwärts-Traktion aufnimmt, führt der „slippery slope“ schnell nach unten. Deshalb gilt auch:

2. Die Digitalisierung wird nicht „einfach vorbeigehen“

Das mag wie ein Angriff klingen – und ist auch mindestens als Stichelei gemeint. Befindlichkeiten müssen in den Hintergrund treten, der Wille zur grundlegenden Veränderung muss in allen Unternehmen unbedingt verbreitet sein, die unbeschadet oder gar gestärkt aus der aktuellen technologischen Wende hervorgehen wollen. Der deutsche Mittelstand hat es sich in seiner Marktführerschaft mit seinem berühmten Sigel „Made in Germany“ im Qualitäts-Markt durchaus etwas gemütlich gemacht. Doch es überlebt nur, wer mit der Zeit geht.

Die Ideen der „New Economy“, die aus dem Silicon Valley beständig herüberschwappen und sich mehr auf neue Geschäftsmodelle und Plattformen stützen als auf die Entwicklung wirklich neuer, „berührbarer“ Produkte, mögen auf den ersten Blick den Tugenden des deutschen Mittelstands widersprechen. Sie sind aber nicht einfach ein „anderer Geschäftsbereich“, den man ignorieren und parallel existieren lassen kann. Noch viel weniger ist es neumodischer Unsinn, der wieder vorbeigeht. Denn:

3. Die massenhafte Auswertung von Daten ist die Zukunft

Der Facebook-Hype mag vorbei sein, soziale Medien allgemein bereits wieder an Bedeutung verlieren, oder auch nicht. Unumstritten ist aber: Das Wissen um den Wert von Daten und ihrer digitalen Auswertung bleibt einer der wichtigsten neuen Einträge ins Management-Einmaleins.

Das mag nach den Skandalen der letzten Jahre anrüchig klingen – muss es aber gar nicht. Was bei einem Dienstleister wie Facebook schnell Konflikte bringt, weil Privatpersonen „ausgewertet“ werden, ist bei einem Baumaschinenhersteller, der darüber Werte wie Abnutzung oder Transportmenge pro Stunde in Echtzeit messen kann, kein Problem. Denn Maschinen haben keine Persönlichkeitsrechte, genauso wie das Wetter, geologische Daten und die wichtigen Parameter der meisten weiteren Branchen. So lassen sich Maschinen optimieren, ihr Zustand genau überprüfen, Prozesse optimieren und vielleicht sogar ganz neue Produktionsweisen erschließen. Diese Form der Datenerfassung ist ohnehin nur noch eine Frage der Zeit – die Frage ist nur, wer sie ermöglicht und profitiert: Deutsche Mittelständler, die die Technik für das eigene Unternehmen entwickeln und sie weiterverkaufen und sich somit die Erfolgsgeschichte „Made in Germany“ fortsetzt – oder Zulieferer aus der ganzen Welt.

4. Made in Germany muss individuell bleiben

Darin steckt auch ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der deutschen Wirtschaft. In der Jagd um die Krone in der günstigsten Massenproduktion haben deutsche KMU keine Chance gegen die Übermacht aus Asien und bei den großen Online-Plattformen nicht gegen die Silicon-Valley-Giganten. Das bringt aber auch einen großen Vorteil mit sich: Sie müssen nicht immer den Fokus auf das „große Ganze“ richten.

Konzerne wie Facebook und Google versuchen, über die zentrale Zusammenführung von Benutzerdaten den Menschen selbst zu verstehen und sein Verhalten berechenbar zu machen – für die Streckenvoraussagen von Google Maps, für ein besseres Nutzererlebnis, aber natürlich vor allem für die Werbung.

Doch Datenerfassung muss nicht immer Marktforschung sein. Es ist schon fraglich, ob es die richtige Entscheidung ist, alle Menschen über einen Kamm zu scheren, die von den großen Datenkraken ausgewertet werden, und sie nur nach Konsumentengruppen zu unterscheiden. Beim professionellen Einsatz aber scheitert das Vorhaben schon im Ansatz: Ein Elektromotor lässt sich in vielen Leistungsdaten nicht mit einem Verbrenner vergleichen – und noch weniger mit einer Milch-Abfüllanlage oder einer (teil-)automatisierten Fertigungsstraße.

Hier kann der deutsche Mittelstand seine Stärken ausspielen: Er arbeitet schon immer vom Produkt her, vom konkreten Bedürfnis (künftiger) Kunden. Er braucht keine große Gesamtvision des gläsernen Menschen, um wichtige Innovationen zu schaffen. Der Mittelstand tut auch weiter gut daran, jeden Markt als Nischenmarkt zu bespielen und genauestens auf die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden einzugehen.

5. Der Umbruch wird der neue Status Quo

Deutschland tut gut daran, seine Stärken auch im neuen Technologiezeitalter voll auszuspielen. Viele Quellen menschlicher Fehler lassen sich wohl durch Künstliche Intelligenz schon bald ausschließen, Ergebnisse besser vorausberechnen. Die typisch deutsche Handwerks-Solidität und -Sicherheit kann davon profitieren. Aber nur, wenn die Wirtschaft sich in der Breite öffnet. Sicherheit kann nur bieten, wer weiter ökonomisch erfolgreich ist. Es ist ein schmaler Grat zwischen der Tradition, die ein Unternehmen groß gemacht hat, und der Lust an der Innovation, die es in die Zukunft trägt.

Die Leitfrage der Produktentwicklung war immer: Was fehlt den Verbrauchern? Es ist nun aber auch Zeit für die Konzernentwicklung: Was ist der Konzern, den die Branche gerade braucht? Wie lassen sich die Lehren der Digitalisierung nicht nur zur Optimierung bestehender Konzernbereiche (wie Marktforschung, Produktion, Produktentwicklung) einsetzen, sondern zur grundlegenden Veränderung der Prozesse selber?

Erst wenn diese Fragen geklärt sind, können wir beruhigt in die Zukunft blicken. Denn dann werden nicht nur die Produkte geschaffen, die in Zukunft nachgefragt werden und weiter Profit bringen. Nur dann ist das eigene Unternehmen auch selbst in der Lage, sich immer wieder selbst zu erfinden. KMU mussten sich schon immer konstant selbst erneuern, aber dabei müssen sie jetzt ein ganz neues Tempo aufnehmen, um mitzuhalten. Grund: Der technologische Umbruch ist keine Zäsur, die es zu überstehen gilt. Er ist ein konstanter Erneuerungsprozess. Das Ausruhen auf alten Lorbeeren war noch nie eine gute Idee. Die Digitalisierung macht es nun vollends unmöglich.

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

You may also like

Hinterlassen Sie einen Kommentar