Jedes Jahr stehen alleine in Deutschland über 30.000 Unternehmer/-innen vor der bedeutsamen Frage der Unternehmensnachfolge. Millionen von Arbeitsplätzen in Familienunternehmen sind hiervon in den nächsten zehn Jahren betroffen.
Von Nils Koerber
Immer weniger Unternehmen können auf einen Generationswechsel innerhalb ihrer Familie zurückgreifen. Schätzungen gehen aktuell davon aus, dass nur noch rund 40 Prozent der bundesdeutschen Familienunternehmen eine interne Nachfolge von Alt auf Jung schaffen werden. Die verbleibenden circa 60 Prozent müssen extern in der Nachfolgefrage gelöst werden.
Wie gehen Entscheider bei einem anstehenden Generationswechsel eigentlich mit der Nachfolgeregelung um?
In den meisten Fällen steht dieser Prozess nur einmal im unternehmerischen Leben an und wird in der Komplexität und dem Zeitanspruch stark unterschätzt.
Für beide, dem „Gebenden“ und dem „Nehmenden“, stehen grundlegende persönliche Lebensfragen auf der Tagesordnung einer erfolgreichen Übergabe. Innerfamiliäre Nachfolgelösungen scheitern in der Regel nicht an steuerlichen, wirtschaftlichen oder juristischen Fragestellungen. Es sind die ungeklärten emotionalen Fragen in einer Familie, die Firmen sogar im Rahmen eines Wechsels – früher oder später – in existenzielle Nöte bringen können.
Das sollte bei der Nachfolge beachtet werden
Wenn also in vielen Fällen, trotz kompetenter Rechts- und Steuerberatung, eine große Zahl von Unternehmen in der internen Nachfolge scheitert, worauf sollte besonders geachtet werden?
- Nachfolge braucht Zeit! Frühzeitig mit dem innerfamiliären Prozess beginnen.
- Beide Seiten, Übergeber und Übernehmer, benötigen für sich selbst Klarheit zur eigenen Perspektive zu den neuen Aufgaben.
- Emotionale Zeitbomben können nur durch offene Kommunikation und Transparenz verhindert werden.
- Das „Rollenspiel“ zwischen Macht und Liebe sollte reflektiert und durch Coaching unterstützend begleitet werden.
Die Tabuisierung der Nachfolgeproblematik kann zu einem Entzündungsherd führen, der manchmal sogar das Unternehmen selbst in seinen Grundfesten erschüttert. Die Nachfolge ist somit eine permanente, strategische Führungsaufgabe ersten Ranges in jedem Unternehmen – und ganz besonders in Familienunternehmen.
Neutrale Sparring-Partner können helfen
Der einzige und richtige Beginn der Nachfolgefrage liegt beim Übergeber selbst. Diese wichtige Selbstklärung ist nicht einfach und kann idealerweise mit „Sparrings-Partnern“ erfolgen, die nicht emotional in die Frage der Nachfolge eingebunden sind.
Ein kompetentes Hintergrundwissen um die Entwicklung solcher Entscheidungs- und Klärungsprozesse sollte ein jeder Begleiter für diese anspruchsvolle Aufgabe vorweisen können.
Dies kann, bei fortgeschrittenen Konfliktsituationen in ungeklärten oder nur halbherzig betriebenen Übergaben, auch durch eine kompetente Konfliktmoderation (Mediation) erfolgen. Erst nach erfolgter Konfliktmoderation, können dann die weiteren Fragen und Ziele erneut angegangen werden.
Zeitgleich sollte eine belastbare Unternehmenswertermittlung durchgeführt werden. Schließlich muss klar sein, was genau vererbt oder innerhalb der Familie verkauft werden soll. Zudem stellt sich unter anderem die Frage, wie Kinder berücksichtigt werden, die nicht das Firmenerbe übernehmen.
Der Unternehmenswert und die Definition des Verkaufsumfangs dient der Einschätzung des Übergebers und ist auch eine wichtige Grundlage für die Planung der weiteren Vermögensaufstellung; für den neuen Lebensabschnitt nach dem Unternehmerdasein.
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Nils Koerber | Autor
Nils Koerber ist Gründer der Beratergruppe KERN für Unternehmensnachfolge in Deutschland, Österreich und der Schweiz. KERN-Experten beraten an 25 Standorten ausschließlich zu allen Fragen der Unternehmensnachfolge. Herr Koerber hat eine Ausbildung und ein Studium als Kaufmann und Betriebswirt absolviert, ist zertifizierter Coach und Trainer für Nachfolgeprozesse in Familienunternehmen, Wirtschaftsmediator und Konfliktmoderator sowie Keynotespeaker und Buchautor.
2 Kommentare
Es ist gut, dass die Themenfelder Emotionen, Kommunikation, Moderation und Mediation in der Außenkommunikation zu Nachfolgen in Familienunternehmen endlich gleichrangig zu den Finanz- und Steuerthemen behandelt werden. Sie sind viel häufiger die Ursache für das Scheitern, die Themen wurden bisher aber häufig tabuisiert. Erfolgsbeispiele, die genau diese Aspekte behandeln, sollten deshalb auch stärker in den Vordergrund rücken.
Ich schließe mich meiner Vorrednerin an. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es vor allem die familiären Themen sind, die eine Nachfolge scheitern lassen können. In so einem Fall hilft kein „einfacher“ Berater mehr, da müssen ganz andere Themen aufgearbeitet werden, bevor die Zahlen überhaupt eine Rolle spielen können.