Der Börsengang über ein SPAC klingt aus Sicht manches mittelständischen Unternehmens verlockend, denn er geht in der Regel schneller als ein klassisches IPO und erspart eine Reihe von Formalitäten. Börsenmäntel erfreuten sich im vergangenen Jahr auch unter Investoren großer Beliebtheit. Mittlerweile flaut der SPAC-Trend jedoch ab. Unternehmen sind zurzeit gut beraten, für den eigenen Börsengang ein klassisches IPO oder Reverse-IPO vorzuziehen.
SPACS – Special Purpose Acquisition Companies – sind aus Unternehmersicht eine mögliche Abkürzung zum Gang an die Börse. SPACs sind an der Börse notierte Unternehmen, die noch keinen konkreten Unternehmenszweck haben und noch nicht operativ tätig sind, sog. „Börsenmäntel“. Im Unterschied zum klassischen IPO können Unternehmen beim Börsengang über ein SPAC einfach in diesen Börsenmantel „schlüpfen“. Das heißt, sie werden von der bereits gelisteten Aktiengesellschaft gekauft. Auf diese Weise sparen sich Unternehmen den etwas längeren Prozess eines klassischen IPOs. Das klingt verlockend, birgt aber auch viele Nachteile. Mittelständische Unternehmen sollten derzeit einen Börsengang über ein SPAC genau prüfen und eventuell Alternativen für die Mittelstandsfinanzierung vorziehen.
Die Begeisterung der Anleger für Börsenmäntel flaut ab
Im vergangenen Jahr galten SPACs als heißer Tipp der Wallstreet für Investoren. 92 SPACs gingen im Januar 2021 weltweit an die Börse, das Emissionsvolumen lag bei 24,5 Milliarden US-Dollar. Die Begeisterung für die Unternehmenshüllen hat in diesem Jahr merklich nachgelassen. Die Anleger sind wählerischer geworden, sie wollen weniger Risiken eingehen und stattdessen vorher wissen, worauf sie sich einlassen. Das ist bei SPACs nicht gegeben. Wer Aktien dieser Art kauft, hofft, dass künftig ein Unternehmen mit großem Wachstumspotenzial in die Unternehmenshülle schlüpft. Diese Hoffnung scheinen inzwischen viele Investoren nicht mehr zu haben, denn im Januar dieses Jahres gingen nur noch 24 SPACs mit einem Emissionsvolumen von fünf Milliarden Dollar an die Börse.
Die Chancen, anstelle eines eigenen IPOs über eine bereits gelistete Aktiengesellschaft auf den Markt zu gelangen, haben sich verringert. Darüber hinaus bevorzugen SPAC-Investoren meist eher Tech-affine Start-ups für die Übernahme, auch liegt der Fokus nach wie vor auf dem US-amerikanischen Markt. Für deutsche Familienunternehmen mit eher traditionellen Geschäftsmodellen sind das wenig vielversprechende Aussichten auf einen schnellen Börsengang. Abgesehen davon sind Börsengänge über SPACs sehr teuer. Die Management-Gebühren belaufen sich in der Regel auf etwa zwei bis fünf Prozent des Mantelwerts, on top kommt meist eine zusätzlich festgelegte Summe.
Reverse-IPOs als Alternative zum Börsengang
Eine geeignete Alternative ist ein Reverse-IPO. Das Prinzip ist ähnlich wie bei SPACs: Auch beim Reverse-IPO ist bereits eine Aktiengesellschaft an der Börse notiert, mit der das KMU später fusioniert. Während beim SPAC jedoch die Investoren das Zielunternehmen für die Fusion auswählen, ist es beim Reverse-IPO umgekehrt: Das Unternehmen, das an die Börse will, erwirbt Anteile des Börsenmantels. Erst im nächsten Schritt wird das Unternehmen selbst in den Börsenmantel eingebracht – im Gegenzug erhalten die Unternehmensverantwortlichen Aktien der börsennotierten Gesellschaft und bauen so ihre eigene Aktionärsstellung aus. Das Unternehmen behält auf diese Weise viele Freiheiten und entscheidet zudem selbst, in welchem Börsensegment es gelistet wird.
Der richtige Weg an die Börse hängt jedoch von individuellen Faktoren ab. Unternehmenslenker sollten sich deshalb zunächst von einem Kapitalmarktexperten beraten lassen. Findet ein Unternehmen keine geeignete Mantelgesellschaft für ein Reverse-IPO, ist ein klassisches IPO eine gute Alternative. Denn der Gang an die Börse lohnt sich in jedem Fall: Eine breit aufgestellte Mittelstandsfinanzierung mit unterschiedlichen Kapitalmarktzugängen verschafft KMU eine stärkere Position bei Kreditverhandlungen mit ihrer Hausbank. Zwar sind Investoren angesichts der aktuellen Krisen noch zurückhaltend, doch gerade deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt, den eigenen Börsengang in Ruhe vorzubereiten. Wer aktuell die Rahmenbedingungen für sein Unternehmen schafft, ist vorbereitet, sobald die Märkte wieder anziehen – und letztlich bedeutet ein Listing mehr Bekanntheit, gute Bewertungen und damit eine positive Publicity für das KMU.
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