Home Finanzierung SPAC: Teil 2 – Die richtige Wahl für Mittelständler?

SPAC: Teil 2 – Die richtige Wahl für Mittelständler?

von Holger Clemens Hinz

Die Zahl der SPAC-Zulassungen wächst rasant: In den USA stellt das Investitionsvolumen der Mantelfirmen mittlerweile sogar klassische IPOs in den Schatten. Auch in Deutschland gehen die ersten SPACs an den Start. Doch nicht für alle KMU ist diese Unternehmensform die beste Option, um an die Börse zu kommen. Reverse-IPOs und klassische IPOs sind geeignete Alternativen der Mittelstandsfinanzierung.

SPACs sind derzeit auf der Überholspur: Auch wenn das Risiko der Mantelfirmen nicht unterschätzt werden sollte, springen immer mehr Unternehmen und Anleger auf den Zug auf. Wurden an der US-Börse im Jahr 2019 59 SPACs zugelassen, waren es im vergangenen Jahr mit 237 SPACs knapp viermal so viele Listings. Ebenso konnte das Investitionsvolumen in diesem Zeitraum deutlich zulegen: Laut Nasdaq stieg die Summe, die SPAC-Manager für die Mantel-Projekte einsammelten, von 13,6 Milliarden US-Dollar in 2019 auf 79,87 Milliarden Dollar in 2020 um insgesamt 462 Prozent an. Ein Volumen, welches selbst den starken amerikanischen IPO-Sektor überflügeln konnte.

In Europa war von der SPAC-Euphorie in der Vergangenheit nur wenig zu spüren. In der Zeit von 2013 bis 2019 wurden gerade mal 19 dieser Mantelfirmen angemeldet. Das Jahr 2020 verlief mit drei Listings ebenfalls nur mäßig. Mittlerweile zeichnet sich jedoch ab, dass die SPAC-Investitionen dieses Jahr in Europa stark zunehmen könnten. Berechtigterweise fragen sich nun viele Mittelständler, ob sie auch am besten über ein SPAC an die Börse sollten. Die kurze Antwort lautet: Es kommt hier ganz auf das Geschäftsmodell an.

Vor allem Tech-Firmen gefragt

Amerikanische Tech-Unternehmen sind derzeit die Favoriten für eine SPAC-Übernahme. Tech-Firmen machen derzeit knapp ein Viertel aller Mantel-Deals an den US-Börse aus. Auch am deutschen Markt macht sich die Tendenz bemerkbar: Mit dem Tech-Börsenmantel Lakestar Spac I war im Februar der erste SPAC dieses Jahres in Frankfurt an den Start gegangen. In der Hauptsache handelt es sich um hoch-innovative Konzepte, es bleibt abzuwarten, ob die Unternehmen die derzeit immens hohen Bewertungen erfüllen können. Durch die starke Fokussierung auf den Tech-Sektor zeigt sich, dass für deutsche KMU und Familienunternehmen mit eher klassischem Geschäftsmodell der SPAC-Markt zumindest derzeit noch nicht interessant sein dürfte. Was für viele KMU ebenfalls derzeit gegen ein SPAC spricht: Mittelständler müssen mit vergleichsweise hohen Kosten rechnen. Die Management-Fees für ein SPAC liegen zwischen etwa zwei und fünf Prozent des Mantelwerts, zudem kommt meist eine festgelegte Summe on top.

Reverse-IPOs sind eine gute Alternative zum SPAC

Lohnenswerter ist für KMU, die über einen Mantel an die Börse wollen, die Option eines Reverse-IPOs. In der Regel sind diese Art der Mantelfirmen kostengünstiger als ein SPAC. Auf den ersten Blick unterscheiden sich Reverse-IPOs und SPACs nicht wesentlich voneinander. Wie bei einem SPAC ist auch bei einem Reverse-IPO die AG, die der Börsenkandidat als Firmenmantel nutzen will, schon an der Börse notiert. In der Regel verzeichnet das zu übernehmende Unternehmen nur wenige bis gar keine Umsätze. Die privat operative Firma nutzt eine solche Gesellschaft dann für den eigenen Gang an die Börse.

Anders als bei einem SPAC jedoch, bei dem die Investoren die Zielgesellschaft aussuchen, geht bei einem Reverse-IPO die Initiative vom Unternehmer, der seine Firma an die Börse bringen will, selbst aus. So ermöglicht ein Reverse-IPO im Vergleich zum SPAC deutlich mehr Freiheiten. Da das Unternehmen den Börsenmantel selbstbestimmt erwirbt, hält es 100 Prozent der Anteile. Das operativ tätige Unternehmen kann so selbst entscheiden, in welchem Marktsegment es gelistet sein möchte, und wie die Anteile ausgegeben werden. Meist dauert es nur wenige Monate, bis das Unternehmen gelistet ist.

IPO weiterhin gute Wahl für Mittelstandsfinanzierung

Findet ein Unternehmen keine geeignete Mantelgesellschaft, lohnt sich weiterhin ein klassisches IPO für die Mittelstandsfinanzierung. Grundsätzlich bietet ein IPO kleinen und mittleren Unternehmen eine attraktive Bewertung, zudem ist dem Unternehmen mit einer Börsennotiz eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit garantiert. Davon abgesehen entfällt bei einem Börsengang das Klumpenrisiko. Es gibt bei einer Aktiengesellschaft keinen einzelnen mächtigen Gesellschafter, der neben den Verantwortlichen das operative Geschäft mitbestimmen möchte. Gleichzeitig stärkt der Finanzierungsmix durch ein IPO die Verhandlungsposition gegenüber Banken.

Zusammengefasst: SPACs sind trotz der Euphorie am Markt für viele deutsche Mittelständler wegen des starken Fokus auf den Tech- und US-Sektor derzeit nicht die beste Option. Hinzu kommt, dass KMU, die über ein SPAC gelistet sind, weniger Entscheidungsspielraum haben. Hier bieten IPOs und Reverse-IPOs eine gute Alternative: Unternehmer haben den Listing-Prozess in der eigenen Hand. Mit Kapitalmarktpartnern stehen KMU zudem erfahrene Finanzexperten an der Seite, die das IPO oder das Reverse-IPO vom ersten bis zum letzten Schritt begleiten.

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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