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Sustainable Finance: Nachhaltige Herausforderung für Europas KMU

von Lieselotte Hasselhoff

Die EU zieht beim Thema Nachhaltigkeit die Zügel an. Nach und nach werden Gesetze und Vorschriften präzisiert und treten in Kraft. Das Thema Sustainable Finance bekommt zunehmend Gewicht. Was insbesondere auf KMU zukommt.

Von Holger C. Hinz

Der Green Deal, Europas großes Nachhaltigkeitsprojekt, nimmt immer mehr Gestalt an. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Thema Sustainable Finance zu, denn auch Finanzströme und Investitionen sollen nachhaltig wirken. Sustainable Finance soll daher Kapital in nachhaltige Projekte und Geschäftsmodelle lenken. Mit dem Green Deal will die EU somit nicht weniger als eine Transformation der europäischen Wirtschaft erreichen, um die Umwelt zu schützen, den Klimawandel zu stoppen, menschenwürdige und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen sowie die Menschenrechte durchzusetzen. 

Die Umlenkung der Kapitalströme in nachhaltige Zwecke will die EU vor allem mithilfe von drei regulatorischen Instrumenten erreichen: der EU-Taxonomie, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Schon jetzt sind einige der Vorschriften für Banken, Finanzvermittler und Großkonzerne in Kraft, bald schon sollen weitere Großunternehmen, große Mittelständler und schließlich auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) die neuen Vorschriften umsetzen. Was also kommt insbesondere auf KMU zu? 

Wann gilt ein Unternehmen als nachhaltig?

Vereinfacht gesagt, bedeutet das Vorhaben der EU zunächst einmal, dass der Zugang zu finanziellen Mitteln künftig an Bedingungen geknüpft ist, die die Nachhaltigkeitsziele der EU fördern. Anders gesagt: Vorhaben, die den Nachhaltigkeitszielen nicht dienen, werden in Zukunft nicht mehr oder nur zu deutlich schlechteren Konditionen finanziert. Kredit- und Kapitalmarkt sollen deutlich grüner werden. Die zentrale Frage für die Unternehmen lautet daher: Wann gilt ein Geschäft oder Investitionsvorhaben als nachhaltig im Sinne der EU und der Bundesregierung und wie ist dies zu dokumentieren? 

Hier kommt zunächst die EU-Taxonomie ins Spiel. Das Klassifizierungssystem benennt wirtschaftliche Tätigkeiten, die im EU-Sinne als nachhaltig eingestuft werden können. Für ihre Klassifizierung orientiert sich die Taxonomie an sechs Nachhaltigkeitszielen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen. Ausformuliert sind bisher vor allem die Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, die übrigen folgen nach und nach. 

Damit eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Taxonomie als nachhaltig gelten darf, muss sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Ziele leisten, darf dabei keinem anderen Ziel einen erheblichen Schaden zufügen und muss soziale Mindeststandards einhalten.  

Das Konzept von Sustainable Finance beinhaltet unter anderem mehr Transparenz

Senkt also ein KMU beispielsweise seinen Wasser- oder Energieverbrauch signifikant, beheizt seine Büros und Werkstätten CO2-neutral oder recycelt ausgemusterte Produkte, ist dies im Sinne der Taxonomie grundsätzlich nachhaltig. Damit ein Unternehmen daraus auch einen Nutzen ziehen kann, müssen Kunden und Investoren davon erfahren. Wie darüber zu berichten ist, regelt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) für Unternehmen und die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) für Finanzdienstleister und Investmentgesellschaften. Im Wesentlichen geht es darum, parallel zum Geschäftsbericht einen Bericht mit nichtfinanziellen Informationen vorzulegen, der beispielsweise Klimaschutzaktivitäten benennt und quantifiziert.  

Die SFDR ist bereits in Kraft getreten und soll die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten wie etwa Fonds transparent machen. Das ist auch der Grund, warum Investmentgesellschaften ebenso wie Verbraucher Gelder zunehmend in nachhaltige Investments umleiten und immer mehr Anlagevehikel mit dem Zusatz „ESG“ oder „green“ versehen werden.  

Die KMU hingegen haben das Schlimmste noch vor sich. Denn die CSRD-Vorschriften der EU müssen bis Juli 2024 in nationales Recht überführt werden. Dann steigt die Zahl der Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen müssen, nach Schätzungen der Deutschen Industrie- und Handelskammer von derzeit 500 kapitalmarktorientierten Unternehmen auf 15.000 an – und erfasst damit auch den deutschen Mittelstand. Zunächst fallen kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Betriebe unter die Berichtspflicht, später auch kleinere, nicht-kapitalmarktorientierte Firmen. 

Es droht ein Bürokratiemonster 

Die mittelständischen Unternehmen stehen damit vor einer gewaltigen Herausforderung. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Unternehmen darüber berichten, wie sie Umwelt und Gesellschaft beeinflussen. Auch Berichtsstandards sind sinnvoll, um die nichtfinanziellen Erklärungen der Unternehmen auch vergleichen zu können. Informationen dazu, inwieweit die Wirtschaftstätigkeiten einer Firma im Sinne der Taxonomie nachhaltig sind, wie hoch der Umsatzanteil mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen ist, und welcher Anteil an den Investitionen und Betriebsausgaben den Nachhaltigkeitszielen dient, ist sowohl für Kunden und Investoren als auch für Mitarbeiter und Bewerber von großer Bedeutung. Beides wird künftig vor dem Hintergrund von knapperen finanziellen Ressourcen und zunehmendem Fachkräftemangel immer wichtiger.  

Das Problem: Unternehmen, Behörden und Wirtschaftsprüfern droht ein gewaltiges Bürokratiemonster. Derzeit erarbeitet die EU die Nachhaltigkeitsberichtsstandards noch. Allerdings ist bereits klar, dass die Berichte Angaben zum Einfluss auf die Umwelt, zur Behandlung der Mitarbeiter, der Achtung der Menschenrechte, der Korruptionsbekämpfung und zur Diversität innerhalb des Führungskräfte-Teams machen müssen. Das betrifft nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch deren Zulieferer. Denn auch die Lieferanten und teilweise sogar die Kunden müssen aufgrund der Berichtspflicht über die gesamte Lieferkette erst die nötigen Daten liefern, um die Nachhaltigkeitsberichte zu vervollständigen. Eine Mammutaufgabe, insbesondere für bislang nicht berichtspflichtige Mittelständler, die erst die dafür notwendigen Prozesse und Datenerhebungen etablieren müssen. Außerdem dürfte die Komplexität weiter zunehmen, da die EU die Regulierung weiterentwickeln und ausbauen soll.  

Die Politik sollte die Berichtspflichten nicht ausarten lassen 

Ob die Vorschriften dabei helfen, die Nachhaltigkeitsziele von EU und Bundesregierung zu erreichen, ist derzeit noch ungewiss. Fest steht jedoch, dass schon jetzt der Finanzierungsbedarf gerade der KMU für Investitionen in eine klimaneutrale Geschäftstätigkeit enorm ist, und die Kreditinstitute derzeit den Geldhahn eher zu- als aufdrehen. EU und Bundesregierung täten daher gut daran, die Berichtspflichten möglichst knapp zu halten und auf die wesentlichen Kennziffern zu beschränken sowie die „grüne“ Kreditvergabe sowie den Zugang zum Kapitalmarkt zur Finanzierung der Vorhaben zu unterstützen. Großzügigere Übergangsfristen würden insbesondere den kleineren Unternehmen helfen. Zusammen würde dies die Transformation der Wirtschaft erleichtern und letztlich beschleunigen.

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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