Die volatilen Märkte der vergangenen Jahre haben viele KMU dazu veranlasst, große Vorräte anzulegen. In Kombination mit gestiegenen Produktionskosten ist deshalb bei vielen Unternehmen das Geld knapp. Unternehmen, die Lagerhaltung und Liquidität clever managen, haben weniger Probleme mit der Unternehmensfinanzierung und kommen besser durch schwierige Zeiten.
In den vergangenen Jahren hat unsere Just-in-Time-Logistik und On-Demand-Produktion herbe Rückschläge einstecken müssen. Erst ließ die Corona-Pandemie Lieferketten brechen, später unterbrach der Krieg in der Ukraine wichtige Handelsrouten. Das führte dazu, dass viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), sobald sich die Gelegenheit bot, einen großen Vorrat ihrer benötigten Rohstoffe und Vorprodukte angelegt und teilweise auch auf Vorrat produziert haben. Damit sind sie bei ihren Betriebskosten in Vorleistung getreten und haben Kapital gebunden. Nun kämpfen jedoch zahlreiche KMU mit der heraufziehenden Rezession sowie hohen Kosten für Energie und Unternehmensfinanzierungen. In vielen mittelständischen Unternehmen wird das Geld knapp.
Für das „Stimmungsbarometer Kleinunternehmen“ der VR Smart Finanz und der Steinbeis-Hochschule vom April 2023 wurden 179 Geschäfts- und Gewerbekunden sowie Unternehmen aus dem kleineren Mittelstand mit bis zu sechs Millionen Euro Umsatz nach ihrer wirtschaftlichen Situation befragt. Demzufolge beklagten 39 Prozent der befragten Kleinunternehmen in den vergangenen zwölf Monaten Gewinnrückgänge von bis zu zehn Prozent. Bei fünf Prozent brach der Gewinn sogar um mehr als zehn Prozent ein. Für mehr als die Hälfte der Unternehmen bleiben Kostensteigerungen daher mittelfristig die größte Herausforderung. Insgesamt sahen sich 46 Prozent der Mittelständler kleineren und größeren Liquiditätsengpässen gegenüber. Dennoch wollen mehr als die Hälfte der Betriebe in den kommenden Monaten Investitionen tätigen.
Unternehmensfinanzierungen werden immer problematischer
Doch woher soll das Geld für Investitionen kommen, wenn die Finanzlage ohnehin schon angespannt ist? Die Banken sind zunehmend zurückhaltend bei der Kreditvergabe und fordern gerade von kleineren Unternehmen hohe Sicherheiten. Das zeigt die ifo-KfW-Kredithürde vom dritten Quartal 2023. In der Tendenz ist das Interesse an Unternehmenskrediten sowohl auf Seiten der Anbieter als auch auf Seiten der Unternehmen schon seit drei Jahren rückläufig und die Banken werden bei der Kreditvergabe immer zurückhaltender.
Zwar bestreiten drei Viertel der Mittelständler ihre Investitionen grundsätzlich aus Eigenkapital – 2020 lag die durchschnittliche Eigenkapitalquote bei 30 Prozent –, doch stoßen in dieser Situation viele KMU an ihre finanziellen Grenzen. Sie benötigen für ihre Unternehmensfinanzierung dauerhafte Alternativen zum Bankkredit wie einen Kapitalmarktzugang zur Ausgabe von Anleihen oder Aktien oder schnelle Geldquellen wie Lieferantenkredite, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken.
Paralleler Blick in Lager und Kasse
Um finanzielle Engpässe schon im Vorfeld zu vermeiden, hilft es Kaufleuten, ihre Lagerhaltung genauso wie ihre verfügbare Liquidität vorausschauend zu planen. Häufig wird das Geld in der Kasse knapp, wenn hohe Lagerhaltung mit Vorratsproduktion und der vermehrten Auslieferung mit Zahlungsziel einhergeht, die Ware also erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt werden muss. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten schwindet dann noch die Zahlungsmoral der Kunden und ruckzuck sind die Außenstände hoch und die Kasse leer.
Um das zu verhindern, kann die Geschäftsführung eine Liquiditätsvorschau erstellen. Seit 2021 sind viele KMU durch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ohnehin dazu verpflichtet. Mit der Liquiditätsvorschau kann eine Geschäftsführung absehen, ab welchem Punkt der Vorratshaltung und -produktion finanzielle Engpässe drohen. So haben sie die Chance, die Lagerbestände rechtzeitig abzubauen und dem Unternehmen frühzeitig zu einem Liquiditätspuffer zu verhelfen.
Gut planen und alternative Unternehmensfinanzierungen prüfen
Auf der Liquiditätsseite gilt es, den Puffer an verfügbaren Mitteln bei Bedarf ausdehnen zu können. Dazu haben Mittelständler vielfältige Möglichkeiten. Bei der Bank geschieht dies klassisch über einen Kontokorrentkredit. Diese Kreditlinie bei der Hausbank zu erhöhen, kann jedoch mehrere Wochen Anbahnungszeit sowie aktuelle Geschäftsprognosen und Liquiditätsplanungen zur Vorlage bei der Bank erfordern. Weil der Kontokorrentkredit zudem selbst bei Nichtbeanspruchung hohe Kosten verursacht, sollte er in wirtschaftlich stabilen Zeiten reduziert werden, muss dann aber frühzeitig erhöht werden, damit er in finanziellen Notsituationen auch unmittelbar zur Verfügung steht.
Aufgrund der hohen Kosten meiden viele KMU eine Unternehmensfinanzierung über einen Kontokorrentkredit. Oftmals ist es für Mittelständler attraktiver, Finanzierungsalternativen wie Fördermittel, Crowdfunding, Leasing, Factoring oder Lieferantenkredite für eine Verbesserung der Kassenlage zu nutzen. Unternehmen, die mittelfristig unabhängiger von ihrer Hausbank werden wollen, können ihre Mittelstandsfinanzierung auch über verschiedene bankunabhängige Angebote umsetzen, sowohl mit Fremd- als auch Eigenkapital.
Das erfordert jedoch Zeit und bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit den verschiedenen Finanzierungsoptionen, um die passende Unternehmensfinanzierung zu finden. Fest steht: In wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie diesen sind eine vorsichtige Planung der Lagerhaltung sowie ein vorausschauendes Liquiditätsmanagement unerlässlich. Ein gutes Management vernachlässigt keines von beidem.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.