Die Zahl ging durch alle Medien: 45,3 Milliarden Euro Steuerüberschuss haben Bund, Länder und Gemeinden im ersten Halbjahr 2019 erzielt. Doch gibt es gleichzeitig große Herausforderungen, die massive Investitionen erfordern. Sogar Rufe nach einer neuen Vermögenssteuer werden laut. Deren Wiedereinführung hat Finanzminister Olaf Scholz auf Umwegen bereits deutlich erleichtert. Dabei träfe er damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ins Mark.
45,3 Milliarden Euro sind eine enorme Menge Geld. Klar, dass bei so einem Steuerüberschuss gleich Rufe nach Erleichterungen für die Durchschnitts-Geldbörse laut werden. Die nun zum Teil auch bereits beschlossen sind: Der Soli wird für rund 90 Prozent der Zahler abgeschafft. Das ist zweifellos eine finanzielle Erleichterung für die breite Bevölkerung – so unsinnig es auch erscheint, dass die restlichen Zahler ihn weiter leisten sollen. Ganz zu schweigen von Unternehmen, die im schwierigen internationalen Marktumfeld dringend eine Entlastung benötigen.
Gegen Entlastungen für die Bürger ist dabei gar nichts einzuwenden. Grundsätzlich ist es auch wichtig und richtig, dass nun eben nicht die große Gießkannen-Party ausbricht, und das Geld mit vollen Händen verteilt wird.
Mittelstand braucht international konkurrenzfähige Rahmenbedingungen
Denn Digitalisierung und Energiewende zahlen sich nicht von selbst, noch dazu ist Deutschland einer Rezession nur haarscharf entgangen – und droht unvermeidlich hineinzurutschen, wenn der technologische Rückstand nicht bald aufgeholt wird. Dafür sind Rücklagen nötig, um an geeigneter Stelle zu fördern und Infrastrukturen aufbauen zu können. Das Problem: Wenn der Mittelstand nicht endlich international konkurrenzfähige Rahmenbedingungen bekommt, wird bald keine Förderung mehr nötig sein – weil es nichts mehr zu fördern gibt.
Der richtige Schritt wäre daher, das Geld auch zu nutzen, um endlich eine Unternehmenssteuer zu ermöglichen, die gerade dem deutschen Mittelstand Luft zum Atmen lässt. Angesichts der großen Player auf dem Markt der Zukunftstechnologien, die drohen, deutsche Unternehmen abzuhängen, braucht die Wirtschaft dringend mehr Handlungsspielraum. US-amerikanische Tech-Konzerne werden international und zuhause kaum besteuert, deutsche Unternehmen müssen dagegen weiterhin um die 30 Prozent abführen. In China werden die Unternehmen gar staatlich gefördert, um den eigenen technologischen Herrschaftsanspruch zu untermauern. Dieser Kampf lässt sich nicht mit Innovationskraft und gutem Willen allein gewinnen, sondern nur mit einer gut gefüllten „Kriegs-Kasse“.
Plan einer Vermögenssteuer schon in der Schublade?
Völlig fernab jeder wünschenswerten Realität bewegt sich daher natürlich die Idee, KMU in einer solch schwierigen Zeit noch weiter zu belasten. Genau dieser Plan scheint aber hinter den Kulissen der Politik Gestalt anzunehmen: Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist ein heißes Thema geworden. Böse Zungen könnten behaupten, dass Finanzminister Olaf Scholz ein solches Manöver bereits vorbereitet.
Einführung einer Vermögenssteuer hätte fatale Folgen
Mit einer Vermögenssteuer würde die Politik der Wirtschaft einen Bärendienst erweisen. Denn die Vermögenssteuer träfe vor allem den deutschen Mittelstand – kleine und mittlere Unternehmen, zu wesentlichen Teilen inhaber- oder familiengeführt. Da künftig der Besitz am Unternehmen besteuert würde, würden sich auch ihre Auszahlungen verringern. Die meisten Familienunternehmer pflegen davon aber keinen ausufernden Jetset-Lifestyle, sondern reinvestieren ihre Unternehmenseinkünfte maßgeblich in den Betrieb selbst. Hier würden also genau die Mittel abgeschöpft, die der Mittelstand im aufreibenden Prozess der Digitalisierung dringend braucht.
Das wiederum würde weitere Förderung durch das Wirtschaftsressort der Bundesregierung notwendig machen – die bisher jedoch so ineffektiv und sperrig ausfällt, dass sie die fehlenden Gelder niemals ausgleichen könnte. Zumal es auch jedem Sinn entbehrt, das Geld so vor seiner Verwendung einmal durch den Bürokratie-Apparat zu schleusen, wo es zu großen Teilen auch hängen bleibt.
Börsennotierte Großunternehmen stünden vor einem ganz ähnlichen Problem. Denn die Anteilseigner müssten die Vermögenssteuer für den Besitz am Unternehmen zahlen, von der Dividende bliebe kaum noch etwas übrig. Das schmälert ihren Profit, Aktienbesitz wird unattraktiver. Die Anleger wenden sich unweigerlich zunehmend anderen Investitionen zu – auch hier schrumpft also die Kapitalbasis. Gerade in einem Land, in dem nach wie vor viel zu wenige Kleinanleger am Aktienmarkt beteiligt sind, kann das auch politisch kaum gewollt sein.
Deshalb muss der Kurs dringend korrigiert werden. Es ist zwar richtig, dass Deutschland mehr soziale Gerechtigkeit braucht – sie darf aber nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gehen. Wenn in 20 Jahren alle Autos aus China und den USA importiert würden, weil Deutschland den Absprung nicht geschafft hat, würden viele Bürger hautnah erleben, dass einem ohne eigenes Einkommen auch die größte Steuererleichterung nichts nützt.
Die Stärke des deutschen Mittelstands ist die Grundlage, auf der unser Wohlstand fußt. Wer sie angreift, greift damit mittelfristig den Bürgern in die Tasche.
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