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Wahres statt Bares: Die Aktiendividende ist auf dem Vormarsch

von Lieselotte Hasselhoff
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In den vergangenen Jahren haben zahlreiche börsennotierte Unternehmen unterschiedlicher Größe von der Möglichkeit einer Aktien(wahl)dividende Gebrauch gemacht. Eine Aktiendividende bietet Unternehmen, deren Aktien im regulierten Markt oder Freiverkehr notiert sind, die Chance, einen erheblichen Teil ihres Bilanzgewinns nach Wahl ihrer Aktionäre statt in bar in Form von Aktien auszuschütten, um ihre Kapitalreserven zu schonen.

Der Ernst Russ AG gelang es 2023 – unter banktechnischer Begleitung der Quirin Privatbank – ihren Aktionären eine attraktive Dividende anzubieten und gleichzeitig den Liquiditätsabfluss mit einer Annahmequote (und korrespondierenden Cash-Ersparnis) von rund 71 Prozent gering zu halten. Die Vorteile liegen auf beiden Seiten: Mit einer Aktiendividende können auch heterogene Aktionärsinteressen (Dividende vs. Thesaurierung) in Ausgleich gebracht werden. Der Aktionär hat die Wahl, die Dividende ausschließlich in bar, in Form von Aktien oder als eine Kombination aus Barzahlung und Aktien zu erhalten. Damit erhält er die Möglichkeit, seine Dividende ohne zusätzliche Investition in das Unternehmen zu reinvestieren, seine Beteiligung zu erhöhen und verstärkt an Wertsteigerungen des Unternehmens zu partizipieren.

Die Aktiendividende zeichnet sich durch eine schlanke Transaktionsstruktur und im Verhältnis zu den eingesparten Barmitteln durch relativ geringe Kosten aus. Die Durchführung der Transaktion dauert ab der ordentlichen Hauptversammlung bis zur Dividendenzahlung in bar oder Lieferung von Aktien in der Regel zirka fünf Wochen. Eine Prospektpflicht besteht nicht. Vielmehr genügt dem europäischen Gesetzgeber die Veröffentlichung eines in der Regel rund zehn Seiten umfassenden genehmigungsfreien Informations­dokuments. Sollte sich ein wesentlicher Teil der Aktionäre außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden, kann auf Ausnahmeregelungen der jeweiligen Jurisdiktion für Angebote an qualifizierte institutionelle Investoren (wie z.B. die Rule 144A des US Securities Act für US-Investoren) zurückgegriffen werden.

Aktiendividende: Sachkapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital

Rechtlich ist die Aktiendividende in der Regel als Bezugsrechts-Sachkapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital mit der Ausgabe neuer Aktien gegen Einbringung der Dividendenansprüche ausgestaltet, seltener als Tausch eigener Aktien gegen Dividendenansprüche. Der Bezugspreis sieht üblicherweise einen Abschlag in Höhe von zwei bis vier Prozent im Vergleich zum volumengewichteten Börsendurchschnittskurs vor.

Voraussetzung für die Umsetzung der Aktiendividende ist ein genehmigtes Kapital oder ein Bestand eigener Aktien (und einer entsprechenden Ermächtigung über deren Verwendung), aus dem die Aktien zur Verfügung gestellt werden können. Eine weitere Vorbedingung ist die Zustimmung der Hauptversammlung im Rahmen des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns, der in der Regel die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfordert.

Wird die Dividende in Form neuer Aktien gewährt, finden zudem die aktienrechtlichen Vorschriften über Sachkapitalerhöhungen Anwendung, so dass eine Prüfung der Sachkapitalerhöhung durch einen externen Sacheinlageprüfer erforderlich ist. Der Sacheinlageprüfer ist zu Beginn der Transaktion auf Antrag der Gesellschaft durch das zuständige Amtsgericht zu bestellen. Gegenstand der gesetzlich erforderlichen Prüfung ist, ob der Wert der von den Aktionären als Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringenden Dividenden­ansprüche den geringsten Ausgabebetrag der neuen Aktien erreicht. Üblicherweise verlangt die Bank, die die Transaktion begleitet und die Dividendenansprüche dabei treuhänderisch für die Aktionäre als Sacheinlage einbringt, zu ihrer Absicherung aber zusätzlich eine Bestätigung von dem Prüfer, dass der Wert der Sacheinlage auch das entstehende Agio abdeckt.

Unter Umständen ohne Abzug der Kapitalertragssteuer

Steuerrechtlich gesehen wird die Dividende – unabhängig von der Wahl des Aktionärs – aus dem zu versteuernden Gewinn ausgezahlt und unterliegt damit grundsätzlich der Besteuerung. Sofern das steuerliche Einlagekonto im Sinne von §27 KStG ausreichend dotiert ist, kann die Aktiendividende aber ohne Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ausgezahlt werden. Die Ausschüttung eines Sockeldividendenanteils in bar für Zwecke der Steuerabführung durch die Depotbanken ist dann nicht erforderlich.

Fazit: Für das Unternehmen und die Aktionäre bietet die Ausschüttung einer Dividende in Form von Aktien mehrere Vorteile, ist aber an regulatorische Bedingungen geknüpft. In Zeiten knapper Kassen ist die Aktiendividende aber ein praktikabler Weg, die Liquidität zu schonen.


Dr. Stephan Aubel, Gleiss Lutz

© Gleiss Lutz

Dr. Walter Andert, Gleiss Lutz

© Gleiss Lutz

 

Dr. Stephan Aubel, LL.M. (Philadelphia) (links), ist Partner und Leiter, Dr. Walter Andert, LL.M. (Groningen), ist Mitarbeiter des Equity Capital Markets-Teams von Gleiss Lutz. In den vergangenen Jahren haben beide zahlreiche Unternehmen bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen (einschließlich Aktiendividenden), der Begebung von Wandelanleihen, öffentlichen Übernahmen sowieDelistings beraten.

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