Der Handelsstreit zwischen den USA und China schwebt nach wie vor wie ein Damoklesschwert über den Märkten. Auf der anderen Seite machen aber auch neu geschlossene Freihandelsabkommen Mut. Wir stellen das noch relativ frische JEFTA-Abkommen zwischen Japan und der EU vor, das seit Anfang des Jahres die größte Handelszone der Welt bildet – von dem man seit dem Beschluss aber nicht mehr viel hört.
„Handelsabkommen“ sind beinahe zum Schimpfwort geworden: Fast immer, wenn in den letzten Jahren von ihnen die Rede ist, sind sie ein politisches Druckmittel. Zwar basierten solche Einigungen auf gelockerten Handelsregeln zwischen zwei oder mehr Ländern schon immer auch auf gegenseitigen Ansprüchen – sie sind aber eigentlich Kooperationsvereinbarungen: Beide Seiten versprechen sich davon Vorteile für die eigene Wirtschaft.
Dafür muss haarklein verhandelt werden – mit dem Ziel, ein Gleichgewicht zwischen der Öffnung des eigenen Markts für den Partner und der Wahrung der Interessen der heimischen Unternehmen zu erzielen. Doch das ist leichter gesagt, als getan.
JEFTA – eine Erfolgsgeschichte?
Funktioniert hat das zuletzt beim Japan-EU Free Trade Agreement. Das umgangssprachlich genannte Handelsabkommen JEFTA zwischen der EU und Japan ist in diesem Jahr ohne viel Brimborium erfolgreich in Kraft getreten. Zölle werden nun gesenkt, die Märkte geöffnet. Doch zu welchen Veränderungen führt das Abkommen konkret?
Die Verhandlungen zu JEFTA (das eigentlich einfach „Economic Partnership Agreement“, kurz EPA heißt) waren für die Parteien von Anfang an recht vielversprechend: In beiden Richtungen werden jährlich Waren im Wert von jeweils deutlich über 60 Milliarden Euro exportiert, das Gesamtvolumen liegt bei etwa 135 Milliarden Euro. Japan hatte dabei 2018 mit 70,5 Milliarden Euro einen leichten Außenhandelsüberschuss, der zu den 64,8 Milliarden der EU aber durchaus überschaubar ausfällt. Durch das Abkommen soll der Handel natürlich weiter wachsen – möglichst gleichmäßig in beiden Richtungen.
Interessant sind hier auch die deutschen Zahlen: Waren im Wert von 20,4 Milliarden Euro exportierten deutsche Unternehmen 2018 nach Japan – Waren für 23,7 Milliarden kamen zurück. Deutschland ist also für rund ein Drittel des EU-Außenhandels mit Japan verantwortlich. Somit profitiert die deutsche Wirtschaft besonders stark von den verringerten Zöllen, die innerhalb von zehn Jahren zu 99 Prozent verschwinden sollen. Besonders für Lebensmittel – allen voran Wein, Nudeln und Fleisch – und Textilien sind die Abgaben in Japan hoch gewesen. Diese entfallen nun nach und nach.
Zusätzlich hilft die Angleichung der Regularien: Japan erkennt nun über 200 geschützte Bezeichnungen für regionale Konsumgüter an. Dadurch kann dann beispielsweise der „Schwarzwälder Schinken“ nicht mehr so leicht von Nachahmerprodukten verdrängt werden.
Unter dem Strich sollen exportierende EU-Unternehmen so in Zukunft jährlich eine Milliarde Euro sparen, die Gesamtwirtschaftsleistung könnte um 0,75 Prozent zulegen. Im Gegenzug kommen deutsche Konsumenten beispielsweise günstiger an japanische Automobile. Das könnte natürlich gerade der deutschen Autoindustrie Probleme bereiten, wenn sie bei der Umstellung auf elektrische Antriebe weiter hinterherhinkt. Es lässt sich aber auch als Innovationsanreiz lesen.
Die Verbraucher freuen sich – mit Einschränkungen
Japan ist unter anderem berühmt für seine ausgefeilte Unterhaltungselektronik und die für viele Europäer angenehm ausgefallene Küche. Wenn die entsprechenden Ersparnisse an die Kunden weitergegeben werden, könnte das die Lebensqualität in Deutschland deutlich steigern. Es gibt aber auch hier Kritik: Der Anteil genmanipulierter Lebensmittel ist in Japan über fünfmal so hoch wie in der EU (5 Prozent gegen 0,9 Prozent).
Auch sonst ist nicht alles eitel Sonnenschein: Wie auch in den TTIP-Verhandlungen mit den USA vorgesehen soll JEFTA „nichttarifäre Handelshemmnisse“ beklagbar machen, soll heißen: Auch Einschränkungen der Marktfähigkeit japanischer Produkte in der EU, die Abseits von Zöllen wirksam sein können, sind verboten. Das kann Probleme für den Umweltschutz bedeuten: Gibt die EU sich hier strengere Regeln, die japanische Unternehmen benachteiligen, könnten diese klagen.
Das ist aber Zukunftsmusik, denn der JEFTA-Vertrag hat zwei Teile: Das „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ und das „Strategische Partnerschaftsabkommen“. Das erste Abkommen betrifft nur die Zölle und den Handel – und ist seit Februar in Kraft. Der zweite Teil, der die weitere Öffnung und Angleichung der Märkte umfasst, liegt zur Abstimmung bei den nationalen Parlamenten.
Gerade KMU aus der deutschen Lebensmittel- und Textilbranche können sich also erst einmal über den gewachsenen Markt freuen.
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