Home Gastbeiträge WIFU-Studie schafft Klarheit: Wie ist es um die Gesellschafterkompetenz-Entwicklung in Unternehmerfamilien bestellt?

WIFU-Studie schafft Klarheit: Wie ist es um die Gesellschafterkompetenz-Entwicklung in Unternehmerfamilien bestellt?

von Lieselotte Hasselhoff

Es ist kein Geheimnis, dass sich ohne spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten die anspruchsvolle Rolle als Gesellschafterin oder Gesellschafter eines Unternehmens kaum erfolgreich ausfüllen lässt. Doch welchen Stellenwert hat das Thema Gesellschafterkompetenz eigentlich bei den unmittelbar Betroffenen –  den Mitgliedern von Unternehmerfamilien? Welche Idealvorstellungen haben sie von entsprechenden Kompetenzen und ihrer Entwicklung – und wie sieht die gelebte Praxis aus? Welche Kompetenzen werden familienseitig als besonders wichtig erachtet? Wie viel Zeit wird in die Kompetenzentwicklung investiert? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die aktuelle WIFU-Studie „Gesellschafterkompetenz in Unternehmerfamilien – Aktuelle Trends und Entwicklungen“. Grundlage sind im vergangenen Jahr erhobene Befragungsdaten von 218 Unternehmerfamilien aus dem WIFU-Netzwerk. Ein Gastbeitrag von Prof. Tom A. Rüsen, Dr. Ruth Orenstrat und Dr. Claudia Binz-Astrachan.

Die zentralen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Bedeutung von Gesellschafterkompetenz und ihrer systematischen Entwicklung nimmt zu. Eine Mehrheit von 69 % der befragten Familienmitglieder gibt an, Gesellschafterkompetenz gezielt zu fördern. GKE-Programme scheinen in den letzten Jahren zudem an Bedeutung gewonnen zu haben: In der aktuellen Stichprobe befassen sich 45 % der Unternehmerfamilien seit mehr als zehn Jahren mit GKE-Aktivitäten – in einer älteren GKE-Studie aus 2013 waren es gerade einmal 19 %.

Die Befragten assoziieren mit systematischer GKE viele positive Effekte für Familie und Unternehmen.

Eine deutliche Mehrheit sieht in der GKE einen zentralen Erfolgsfaktor zur Bindung der Unternehmerfamilie an das Unternehmen (86 %) sowie zur Stärkung des innerfamiliären Zusammenhalts (85 %). Fast ebenso viele Befragte sind überzeugt, dass entsprechende Maßnahmen und Aktivitäten das langfristige Überleben des Familienunternehmens (83 %) sowie die gemeinsame Willensbildung der Familiengesellschafterinnen und ­-gesellschafter (81%) fördern. Zudem sehen 68 % einen positiven Nebeneffekt der Minderung von Konflikten in der Unternehmerfamilie durch die systematische Aus­- und Weiterbildung der Gesellschafter.

Mehrere Faktoren auf der Familienseite halten Unternehmerfamilien davon ab, Gesellschafterkompetenz systematisch zu entwickeln.

Die 31 % der aktuell Befragten, die keine Maßnahmen zur GKE betreiben, geben hierfür folgende Gründe an: ein zu kleiner Gesellschafterkreis (2 %), das Fehlen einer/eines Verantwortlichen (19 %), fehlende Notwendigkeit (16 %), fehlende Einigkeit im Gesellschafterkreis zu diesem Thema (14 %) und Ressourcenknappheit (2 %).

GKE-Programme priorisieren betriebswirtschaftliche Themen – familiendynamische Themen wie etwa Kommunikationsfähigkeit und Konfliktmanagement nehmen jedoch an Bedeutung zu.

Die vermittelten Inhalte zielen vorrangig auf betriebswirtschaftliche Themen ab. So sind vor allem Management und Strategie (78 %), Führung und Organisation (56 %) sowie Bilanzanalyse (5 %) Kernbestandteile der gelebten GKE. Daneben wird aber auch psychologischen Fragestellungen mittlerweile eine recht hohe Bedeutung beigemessen: Die Bereiche Kommunikation und Konfliktmanagement (51 % bzw. 49%) rangieren noch vor den Wirtschaftsthemen Nachhaltigkeit (46 %), Markt­ und Branchenkenntnisse (45%) sowie „Firmenkunde“ (44 %). Rechtliche Fragestellungen sind insgesamt von eher geringerer Bedeutung und werden bei 38 % integriert.

Innerhalb des Adressatenkreises von GKE-Maßnahmen liegen Idealvorstellung und gelebte Praxis oftmals weit auseinander.

Mehr als 90 % der Befragten sehen Personen, die aktuell oder künftig eine Aufsichtsfunktion im Unternehmen, eine Gremienfunktion für die Familie oder aber eine operative Rolle im Unternehmen wahrnehmen, als „Wunschkandidaten“ für Entwicklungsprogramme an. Tatsächlich werden diese Personengruppen jedoch deutlich seltener adressiert (57 % – 63 %).

Eine vergleichsweise geringe Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit ergibt sich, wenn der Blick auf den Gesellschafterstatus gerichtet wird: In sieben von zehn Fällen werden GKE-Maßnahmen nur jenen Mitgliedern der Unternehmerfamilie angeboten, die bereits Anteile am Unternehmen halten – auch ohne formale Rolle im Unternehmen oder in der Familie. Fast ebenso viele Befragte (73 %) halten dies für den Idealzustand. Ein Drittel der Unternehmerfamilien findet, dass sämtliche Familienmitglieder – also auch solche ohne Anteile am Familienunternehmen – Adressaten kompetenzbildender Maßnahmen sein sollten. Der Anteil derjenigen, die ihr Qualifizierungsprogramm entsprechend weit fassen, liegt nur geringfügig darunter (31 %).

Unternehmerfamilien nutzen vielfältige Plattformen und Wege zur systematischen GKE.

In vielen Fällen werden die relevanten Inhalte mittels verschiedener durch die Familie organisierter Angebote, wie zum Beispiel Familienakademien oder Workshops, vermittelt (69 %). Auch die Arbeit im Unternehmen selbst – etwa in Form von Praktika und Sommerjobs (68 %) – ist ein wichtiger Weg zur GKE. Zur systematischen Kompetenzentwicklung wird zudem verstärkt auf externe Weiterbildungsangebote (z. B. offene Seminare, Schulungen oder spezielle Studiengänge (67 %) oder den Austausch unter Gleichgesinnten (65 %)) zurückgegriffen.

Der persönliche Zeiteinsatz für die Entwicklung von Gesellschafterkompetenz beschränkt sich auf wenige Tage pro Jahr. Hier klaffen die Wertbeimessung von GKE und die in den Unternehmerfamilien gelebte Praxis auseinander.

Von den Unternehmerfamilien, die GKE zielgerichtet fördern, sind lediglich 16 % bereit, mehr als eine Woche pro Jahr an Zeit zu investieren. Insgesamt ein Drittel dieser Familien nimmt sich fünf Tage pro Jahr, um ihre Kompetenzen aus-­ und weiterzubilden. Etwa gleich viele Befragte (33 %) investieren jährlich drei bis fünf Tage oder gar nur einen bis drei Tage (34 %) in die Entwicklung von Gesellschafterkompetenz. Bei 69 % der Befragten werden die Kosten für die GKE­Maßnahmen aus einem gemeinsamen „Familientopf“ bezahlt.


Prof. Dr. Tom A. Rüsen ist Vorstand der WIFU­-Stiftung und Geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen (WIFU) in Witten an der Ruhr.

 

 

 

Dr. Ruth Orenstrat verantwortet schwerpunktmäßig das interne und externe Kommunikationsmanagement sowie das Marketing des Wittener Instituts für Familienunternehmen (WIFU) sowie der WIFU­Stiftung und wirkt an der Erstellung praxisnaher Studien mit.

 

 

Dr. Claudia Binz-Astrachan unterstützt am WIFU seit 2021 als Senior Research Fellow Forschungsprojekte und Formate im Praxistransfer mit Schwerpunkten im Bereich Gesellschafterkompetenzentwicklung, Resilienz von Familienunternehmen sowie Family Governance. Daneben leitet sie die Governance­ Abteilung von Keyt Consulting und ist Mitglied des Aufsichtsrats von IFERA.

 

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