Wer glaubt, während einer Fußball-WM wären alle Gesetze außer Kraft gesetzt, der irrt. Gerade am Arbeitsplatz sind auch zur Zeit eines Turniers bestimmte Regeln einzuhalten.
Alle vier Jahre herrscht Ausnahmezustand in deutschen Wohnzimmern. Der Grund ist einfach: Es ist Fußball-Weltmeisterschaft, für viele Europäer ein noch wichtigeres Ereignis als die Olympischen Spiele oder – so sagen böse Zungen – die eigene Hochzeit. Es gibt manch einen Fußballfan, der sich gar vornimmt, alle 64 Partien des Turniers in voller Länge zu schauen. Der Haken im Jahre 2018: Die Spiele werden allesamt in Russland ausgetragen, das bekanntermaßen einige Tausend Kilometer weiter östlich liegt und damit in einer anderen Zeitzone. Was konkret bedeutet, dass die Spiele früher anfangen, als wenn das Turnier etwa in Deutschland stattgefunden hätte. Manche Begegnungen fallen damit auf den Nachmittag – und damit in eine Zeit, zu der viele statt auf der Wohnzimmer-Couch im Büro sitzen.
Die Fragen, die sich viele Angestellte nun stellen:
- Kann ich am Arbeitsplatz einfach – falls vorhanden – den Fernseher anschalten?
- Oder ansonsten via Live-Stream über das Internet schauen?
- Oder über das eigene Smartphone?
- Kann ich am Arbeitsplatz mein Deutschland-Trikot tragen?
- Sind Tippspiele mit den Kollegen erlaubt?
- Darf ich zum Spiel im Büro ein Bier trinken?
- Und wie wäre es mit einem Public Viewing der Abteilungen?
- Kann ich nicht einfach früher nach Hause gehen, um die Spiele dort zu sehen?
Um es kurz zu machen: Eine Selbstverständlichkeit ist keiner dieser Punkte. Grundsätzlich kommt es auf das Einverständnis des Arbeitgebers an. Dieser muss ausdrücklich erlauben, dass seine Angestellten das Spiel im Büro schauen dürfen – und er kann es entsprechend verbieten. Schließlich hat er auch zu verantworten, wenn etwa die GEZ-Gebühr nicht alle Geräte im Betrieb abdeckt. Gleiches gilt auch für das Streamen über den Firmen-PC. Und selbst das eigene Smartphone ist für den Mitarbeiter tabu, wenn der Chef das nicht möchte und auf die Einhaltung der vorgegebenen Arbeitszeit besteht.
Eine Frage des Stils
Die Erlaubnis zum Tragen eines Trikots hängt von der jeweiligen Situation ab. Ein Bankangestellter am Schalter, der Kunden in der Regel in Anzug und Krawatte bedient, sollte auf das Trikot verzichten. Wer hingegen ohnehin Tag für Tag im T-Shirt am Arbeitsplatz auftaucht und dafür nie gerügt wird, sollte auch keinen Ärger bekommen, wenn das Shirt einen Adler auf der Brust hat und hinten „Kroos“ draufsteht. Allerdings sollte man im Sinne des Betriebsklimas davon absehen, sich ausgerechnet am 27. Juni für ein Trikot von Team Südkorea zu entscheiden, spielt die deutsche Nationalmannschaft doch an diesem Tag gegen die Auswahl des südostasiatischen Staats.
Tipperei und Trinkerei
Tippspiele und Wetten sind nicht per se am Arbeitsplatz verboten. Allerdings kann der Arbeitgeber auf die Einhaltung der Arbeitszeiten pochen – sollte die Tipperei Überhand nehmen, kann er sie daher untersagen. Gleiches gilt für das „Bier zum Spiel“. Alkohol ist grundsätzlich nicht verboten. Wer allerdings meint, schon am Morgen eines Spieltags mit dem „Vorglühen“ beginnen, vier Stunden vor Anpfiff „Schland“ grölend durch die Firma laufen und andere zur Polonaise auffordern zu müssen, der darf wohl damit rechnen, von seinem Chef um etwas mehr Zurückhaltung gebeten zu werden.
Der Chef als WM-Versteher
Wer nun angesichts dieser ganzen Regeln glaubt, nicht Mexiko, Schweden oder Südkorea wären seine Gegner, sondern der eigene Chef, der irrt. Manch ein Arbeitgeber organisiert sogar zum Zwecke des Teamspirits ein gemeinsames Schauen von Mitarbeitern, quasi ein Public Viewing im Kleinen. Viele ermöglichen ihren Angestellten zudem gerade während einer WM oder EM flexible Arbeitszeiten, so dass die Mitarbeiter früher mit der Arbeit beginnen und entsprechend früher gehen können, um rechtzeitig zum Anpfiff eines Spiels zu Hause zu sein.
Auch wenn beim einen oder anderen in emotionaler Hinsicht der Ausnahmezustand herrschen mag – bei aller Euphorie müssen arbeitstechnische Regeln eingehalten werden, Fußball schauen ist kein Grundrecht. Im Zweifelsfall sollte der Angestellte den Chef vorher fragen (und dieser sollte auch zu Beginn des Turniers proaktiv kommunizieren), was geht und was eben nicht. Dann bleibt so eine WM auch die schönste Nebensache der Welt und wird nicht die Ursache für ein Treffen vor dem Arbeitsgericht – jedes Duell gegen Argentinien ist schöner als das gegen den eigenen Chef oder Mitarbeiter.
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