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Zeitwertkonten: Win-Win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte

von Philipp Rose

Zeitwertkonten sind staatlich geförderte Instrumente zur langfristigen Arbeitszeit-Flexibilisierung. Sie ergänzen sinnvoll und attraktiv bestehende Vergütungsmodelle und schaffen durch Finanzierung des vorzeitigen Ruhestandes die Verbindung zur betrieblichen Altersversorgung.

Von Thorsten Kircheis

Mit dem Wandel zur „Arbeit 4.0“ steigen die Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Zeitwertkonten sind seit 1998 unter dem Begriff „Wertguthaben“ im SGB IV beziehungsweise durch das „Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“ geregelt („Flexi I-Gesetz“; reformiert im Flexi-II-Gesetz 2008). Sie sind ein hervorragendes Instrument, einen Interessenausgleich zwischen den Arbeitszeitwünschen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu schaffen.

Mit Zeitwertkonten wird eine Win-Win-Situation für Chef und Beschäftigte geschaffen.

Vorteile für Arbeitgeber sind:

  1. Flexibilität steigern – Immer schnellere Innovationszyklen, verschärfter Wettbewerb und individuellere Kundenwünsche bedingen zunehmend zeitkritische Aufträge. Projektgebunden kommt es dadurch immer häufiger zu hoher Mehrbelastung der Belegschaften, die kurzfristig durch „Minusstunden“ oder „Abbummeln“ kaum noch ausgeglichen werden kann.
  1. Pluspunkte für Fachkräfte bieten – Durch ein Zeitwertkonto können Unternehmer qualifizierten Mitarbeitern etwas Besonderes bieten und Vergünstigungen an höhere Arbeitsleistung und Firmenzugehörigkeit binden.

Vorteile für Arbeitnehmer sind:

  1. Fairer Ausgleich für Mehrarbeit
  2. Freiheit bei der Zeitgestaltung
  3. Anspruch ist rechtssicher und insolvenzfest

Gründe, die für eine Einführung sprechen, sind:

  1. Die Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters und das Auslaufen der Förderung der Altersteilzeit
  2. Zunehmender Fachkräftemangel
  3. Veränderungen der Arbeitswelt durch Globalisierung und Digitalisierung

Zeitwertkonten und Vorruhestand

Zeitwertkonten erlauben es, Mehrarbeit oder Resturlaub ohne Abbummeln und Gehaltszuschläge langfristig abbauen zu können. Der Staat fördert unter anderem auch den langfristigen Übertrag von Überstunden in ein Zweitwertkonto durch die Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Viele andere Lohnbestandteile können ebenfalls in ein Zeitwertkonto eingebracht werden.

Die Industrie- und Handelskammern ermittelten, dass knapp die Hälfte aller Unternehmen ihren Mitarbeitern den gleitenden Übergang in den Vorruhestand gewähren will. Dies wird auch notwendig sein, da ein Großteil der Arbeitnehmer nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten will oder kann. Genauso stellt sich die Frage für Unternehmen, ob sie für ihre Mitarbeiter in jedem Falle Arbeitsplätze bis zum 67. Lebensjahr anbieten können.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten für Ihre Mitarbeiter Konten, mit denen Sie ältere Mitarbeiter ohne Gehaltseinbuße in den Vorruhestand schicken könnten, jedoch ohne dass es Sie etwas kostet! Zudem erhalten Sie den Dank von Ihrem früher ausscheidenden Arbeitnehmer.

Zeitwertkonten funktionieren ähnlich wie die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung der Beschäftigten. Begünstigt durch die Stundung von Steuern und Sozialabgaben entsteht ein Sparvermögen. Die Mitarbeiter finanzieren damit ihren gleitenden Übergang in den Ruhestand weitgehend selbst.

Der Europäische Gerichtshof (EUGh) urteilte im Herbst 2018, dass nicht in Anspruch genommener Resturlaub nicht einfach verfallen darf. Der Arbeitgeber müsse nachweisen, dass er den Arbeitnehmer nachdrücklich aufgefordert hat, seine Urlaubstage auszuschöpfen. Betriebliche Konflikte aus dieser Bestimmung sind absehbar. Viel einfacher ist es, unverbrauchten Urlaub in ein Zeitwertkonto zu übertragen.

Zeitwertkonten und Weiterbildung

Weiterbildung ist eines der besten Mittel gegen den Fachkräftemangel. In vielen mittelständischen oder nicht tarifgebundenen Unternehmen gibt es Auseinandersetzungen über den Umfang der betrieblichen Weiterbildung und die Kostenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Bei guter Konjunktur fehlt es zudem oft an Zeit, bei schlechter Wirtschaftslage meist an Geld für die Weiterbildung. Mittels Zeitwertkonten können Arbeitnehmer einen angemessenen Beitrag zu Ihrer eigenen Weiterbildung leisten. Sie sichern sich damit einen definierten individuellen Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen, der auch bei abflachender Auftragslage finanziell gesichert ist. Dafür allerdings muss es im Unternehmen eine langfristige Weiterbildungsplanung geben. Das ist anspruchsvoll, führt aber meist auch zu erheblichen weiteren Einsparungen.

Eine wichtige Personengruppe kann leider nicht von Zeitwertkonten profitieren, nämlich beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer (bGGF) bzw. Vorstände. Nach dem Inkrafttreten des Flexi-II-Gesetzes haben die Finanzbehörden Festlegungen getroffen, dass die Beiträge in Zeitwertkonten für Organe einer Kapitalgesellschaft nicht lohnsteuerlich anerkannt werden (BMF-Schreiben vom 17. Juni 2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004). Für angestellte nicht beherrschende Geschäftsführer hat der Bundesfinanzhof diese Einschränkung inzwischen wieder aufgehoben.

Ein professioneller Anbieter sollte Arbeitgeber bei der regelgerechten Einführung von Zeitwertkonten und der Auswahl passender Dienstleister über die gesamte Prozesskette unterstützen: Die Verwaltung sollte kostenarm aus dem Unternehmen ausgelagert sein. Eine Verwaltung in eigener Regie im Hause setzt große Erfahrung und Know-how, technische und personelle Ressourcen voraus, die von Kleinunternehmen und Mittelständlern nur selten geleistet werden können. Störungen durch Rückfragen von Arbeitnehmern, Änderungswünsche, etc. sind durch standardisierte Prozesse zu vermeiden.

Viele Unternehmen führen Kurzzeitkonten, die – in der Regel auf Jahressicht – einen Überstundenausgleich ermöglichen sollen. In guten Konjunkturphasen ist eine kurzfristige Abgeltung von Mehrarbeit durch Freizeit aber oft nicht möglich. Zeitwertkonten erlauben eine faire Abgeltung der Ansprüche auf längere Sicht. Wie es die Bezeichnung nahe legt, werden reine Zeitansprüche dadurch in verzinsliche finanzielle Guthaben verwandelt. Das Guthaben kann für bestimmte vorab definierte Freistellungszwecke als Lohnersatzleistung genutzt werden. Die „Einzahlung“ einer Arbeitsstunde in ein solches Wertguthaben wird ähnlich wie bei der „Entgeltumwandlung“ in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) vom Staat durch die Stundung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge gefördert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In ein Zeitwertkonto können neben Überstunden/Mehrarbeit auch zahlreiche andere Lohnbestandteile eingebracht werden. Welche Lohnbestandteile für ein Zeitwertkonto in Betracht kommen, darf der Arbeitgeber – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit den Betriebs- bzw. Personalrat – bestimmen. Der Arbeitgeber muss (!) die aus der Entgeltumwandlung ersparten Sozialversicherungsbeiträge zum Kapitalaufbau einbringen; er kann das Zeitwertkonto auch noch mit freiwilligen Leistungen bezuschussen. Das betriebliche Vorsorgesparen aus dem Bruttolohn ist damit jeder privaten Sparform, die nur aus dem Nettolohn erfolgen kann, klar überlegen.

Bietet der Arbeitgeber ein Zeitwertkonto an, sollten die Arbeitnehmer sich gründlich beraten lassen, wie sie mit diesem Instrument ihre persönlichen Sparziele optimal erreichen können.

Freiheit bei der Zeitgestaltung

Bei den Arbeitszeitwünschen von Beschäftigten spielt die Lebenssituation eine erhebliche Rolle. Zeitwertkonten ermöglichen es, diese wechselnden Wünsche zu erfüllen.

Zeitwertkonten schaffen flexible Freiräume für die verschiedenen Situationen im Leben; dazu zählen unter anderem:

  • eine verlängerte Elternzeit
  • bezahlte Sabbaticals („Ich bin reif für die Insel“)
  • freie Zeit für den Hausbau
  • die Weiterbildung ohne Gehaltseinbuße
  • eine Auszeit für die Pflege erkrankter Familienangehöriger
  • bezahlte Freistellung vor dem regulären Renteneintrittsalter ohne Rentenkürzung; Beschäftigte können bei voller Bezahlung mit einem vorzeitigen Ruhestand die schönen Jahre des Lebens genießen. Sie machen sich unabhängig vom Staat und brauchen später keine Almosen.

Einige der genannten Zwecke sind vom Gesetzgeber als generelle Verwendungsmöglichkeit bezeichnet, andere können in Betrieben gesondert vereinbart werden.

Ursprünglich stand vor allem der Lohnausgleich für Altersteilzeit als Verwendungszweck im Vordergrund. Inzwischen hat sich das Interesse gewandelt. Jüngere und qualifizierte Mitarbeiter interessieren sich besonders für die Möglichkeit, nach mehreren Arbeitsjahren eine längere bezahlte Auszeit vom Job zu nehmen, also ein sogenanntes „Sabbatical“. In der Praxis haben wir beobachtet: Wenn der Arbeitgeber einem neuen Mitarbeiter heute in Aussicht stellt, mit Lohnausgleich für drei Monate auf die Bahamas zu fahren, zieht das mehr als eine betriebliche Altersversorgung.

Sofern Wertguthaben aber nicht erst am Ende des Arbeitslebens zur Auszahlung kommen sollen, stellt dies die Verwaltung des Zeitkontos vor besondere Herausforderungen. Arbeitgeber und Betriebs-/ Personalräte sollten dafür die konzeptionelle Hilfe durch einen Berater suchen.

Dem Kapitalaufbau im Zeitwertkonto stehen möglicherweise zunächst etwas geringere Ansprüche bei der gesetzlichen Rente, beim Arbeitslosengeld und beim Krankengeld gegenüber. Mit der Inanspruchnahme des Zeitwertkontos dürften vorherige Nachteile aber weitgehend wieder ausgeglichen werden. Aufgrund der staatlichen Förderung – und gegebenenfalls auch noch durch einen freiwilligen Arbeitgeber-Zuschuss – lohnt sich die Einzahlung in ein Zeitwertkonto in jedem Fall weit mehr als ein privater Sparvorgang, den man nur aus dem Nettolohn bestreiten kann.

Nutzen Sie staatliche Förderungen, tun Sie Ihren Arbeitnehmern etwas Gutes – sie werden es Ihnen durch Treue und gute Arbeitsleistungen danken.

 


Thorsten Kircheis, Vorstand der diz AG | Autor

Thorsten Kircheis ist Firmengründer und Gesellschafter der Unternehmensgruppe. Er ist Vorstand der diz AG – Deutsches Institut für Zeitwertkonten und Pensionslösungen Aktiengesellschaft in Berlin und Geschäftsführer von zwei weiteren Gesellschaften der Gruppe. Die diz-Gruppe feiert 2021 ihr 30-jähriges Jubiläum. Seit 1992 hat er unternehmerische Erfahrung auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung, seit 2005 mit der Einführung und Betreuung von Zeitwertkonten und seit 2008 mit der Auslagerung von Pensionsverpflichtungen. Er ist Autor zahlreicher Fachartikel zu den genannten Bereichen und gefragter Redner bei Steuerberatern, Kammern, Wirtschaftsverbänden im ganzen Bundesgebiet sowie gefragter Interviewpartner bei namhaften Tageszeitungen und Fachjournalen. Er betreut mit seinem Team bundesweit Kunden, Kapitalgesellschaften, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte.

www.diz.ag

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