Das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssicheren Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) ist am 15. Dezember 2023 in Kraft getreten. Die neuen Regelungen für Kapitalerhöhungsbeschlüsse gelten bereits in der Hauptversammlungssaison 2024. Wie sich die Rechtslage nun ändert, erfahren Sie in diesem Gastbeitrag von Axel Hoppe und Johannes Knop von der Wirtschaftskanzlei Fieldfisher.
Bislang sah das Aktiengesetz einen sogenannten Zehnprozenter vor. Nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG a.F. war ein Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre bei einer Kapitalerhöhung insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn Prozent des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Auf diesen erleichterten Bezugsrechtsausschluss hat die Praxis häufig zurückgegriffen, verminderte er doch deutlich das Risiko von Rechtsstreitigkeiten und erhöhte spiegelbildlich die Transaktionssicherheit.
Zukunftsfinanzierungsgesetz: Adieu 10-Prozenter, willkommen 20-Prozenter!
Der Gesetzgeber hat den eröffneten Handlungsspielraum für die Unternehmen nun verdoppelt, indem er mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss auf 20 Prozent des Grundkapitals erweitert hat.
In der Praxis wird der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss zumeist in eine Ermächtigung an den Vorstand in Form eines genehmigten Kapitals integriert. Insoweit bleibt jedoch abzuwarten, ob die Neuregelung vielen börsennotierten Unternehmen tatsächlich weiterhilft. Stimmrechtsberater, Aktionärsvereinigungen und institutionelle Investoren haben fast unisono bereits angekündigt, dass sie Ermächtigungen mit erleichtertem Bezugsrechtsausschluss oberhalb der bisherigen Zehnprozentgrenze nicht unterstützen werden. Diejenigen Unternehmen, die auf die Stimmen dieser Stakeholder nicht angewiesen und insoweit negative Publicity hinzunehmen bereit sind, können den vom Gesetzgeber neu eingeräumten Spielraum jedoch nutzen.
Auswirkungen im Prospektrecht
Leider findet der neue aktienrechtliche Spielraum (bislang) kein Gegenstück im Prospektrecht. Ein öffentliches Angebot über 20 Prozent des bisherigen Grundkapitals ist bislang nicht per se prospektfrei gestellt. Im Einzelfall mag sich der Emittent bei Privatplatzierungen mit Ausnahmen gemäß Art. 1 Abs. 4 Buchst. a) und b) ProspektVO behelfen, indem er das Angebot nur an qualifizierte Anleger oder weniger als 150 Interessenten pro Mitgliedsstaat richtet. Daneben vermag am geregelten Markt gelisteten Emittenten im Einzelfall die Ausnahme in § 3 Nr. 1 WpPG weiterzuhelfen, wonach öffentliche Angebote mit einem Gesamtgegenwert von nicht mehr als acht Millionen Euro, berechnet über einen Zeitraum von zwölf Monaten, prospektfrei sind.
Die bloße Zulassung zum Handel zum geregelten Markt ist dagegen schon nach bisheriger Rechtslage bei voller Ausnutzung des neuen 20-Prozenters gemäß Art. 1 Abs. 5 Buchst. a) ProspektVO prospektfrei.
Besserung für die Praxis ist allerdings in Sicht. Gemäß den am 14. Februar 2024 veröffentlichten geplanten Änderungen des EU-Listing Acts, der nach der Einigung zwischen Parlament und Europäischem Rat im weiteren Verlauf des Jahres 2024 verabschiedet werden dürfte, soll nach Art. 1 Abs. 4 Buchst. da) ProspektVO-E das Angebot und nach Art. 1 Abs. 5 UAbs. 1 Buchst. a) ProspektVO-E auch die Zulassung für Sekundäremissionen für bis zu 30 Prozent der bereits zum Handel zugelassenen Aktien innerhalb von zwölf Monaten prospektfrei möglich sein.
Die Ausnahme für das öffentliche Angebot steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der zuständigen Aufsichtsbehörde ein höchstens elfseitiges Dokument elektronisch zur Verfügung gestellt und veröffentlicht wird. In diesem Dokument hat der Emittent u.a. zu erklären, dass er fortlaufend die anwendbaren Rechnungslegungs- und Offenlegungsvorschriften eingehalten hat und zur Zeit des Angebots die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht aufgeschoben wird. Des Weiteren hat der Emittent hierin den Grund der Aktienausgabe und die Verwendung der Mittel anzugeben sowie die spezifisch ihn betreffenden Risikofaktoren zu beschreiben.
Ausschluss der Anfechtung bei Kapitalerhöhungen mit zu niedriger Gegenleistung
Bisher konnten Aktionäre Kapitalerhöhungsbeschlüsse mit Bezugsrechtsausschluss mit der Begründung anfechten, der sich aus dem Erhöhungsbeschluss ergebende Ausgabebetrag sei unangemessen niedrig, § 255 Abs. 2 AktG a.F. Die Regelung wurde analog auf Sachkapitalerhöhungen angewandt, wobei insofern der auf eine Aktie entfallende Wert der Sacheinlage ausschlaggebend war. Diese Anfechtungsmöglichkeiten führten zu einem erheblichen Blockadepotenzial der Aktionäre, da das Registergericht das Eintragungsverfahren bei erhobener Klage regelmäßig aussetzte und die Kapitalerhöhung zunächst nicht ins Handelsregister eintrug. Auch ein Freigabeverfahren half der betroffenen Gesellschaft allenfalls bei Barkapitalerhöhungen weiter. Der Wert der zu leistenden Sacheinlage und das Ergebnis der vorzunehmenden Nachteilsabwägung waren dagegen in der Regel nicht ohne Beweiserhebung festzustellen, weshalb die zuständigen Obergerichte den Beschluss häufig nicht freigaben.
Mit den Änderungen in § 255 AktG n.F. sowie der Einfügung der §§ 255a und 255b AktG n.F. wurden nun missbrauchsanfällige Möglichkeiten von Aktionären, ganze Kapitalerhöhungen durch Anfechtungsklagen zu torpedieren, beseitigt.
Nach unserer Auffassung verbessert die neue Rechtslage die Situation für Gesellschaften deutlich, die sich in größerem Umfang kurzfristig benötigte Liquidität am Kapitalmarkt beschaffen und auch Akquisitionen liquiditätsschonend per Sachkapitalerhöhung durchführen wollen.
So kann zukünftig die Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht mehr darauf gestützt werden, dass ein Aktionär versucht, einen Sondervorteil zu erlangen (§ 243 Abs. 2 AktG) oder dass der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig ist.
Zukunftsfinanzierungsgesetz erschwert Anfechtung von Kapitalerhöhungen
Für den neuen 20-Prozenter ist sogar davon auszugehen, dass eine Kapitalerhöhung auf dieser Grundlage weder anfechtbar noch den Aktionären ein Ausgleich für eine von ihnen erlittene Wertverwässerung zu gewähren ist. In den übrigen Fällen werden die Rechte der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre fortan dadurch geschützt, dass sie in einem Spruchverfahren überprüfen lassen können, ob die Ausgabe der mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss geschaffenen Aktien zu einem unangemessen niedrigen Wert erfolgt ist. Soweit dies der Fall sein sollte, erhalten die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Bestandsaktionäre eine bare Ausgleichszahlung oder einen Ausgleich durch Gewährung zusätzlicher Aktien.
Auf der Zielgeraden sind die neuen Regelungen im Zukunftsfinanzierungsgesetz durch den Finanzausschuss noch in einem für die praktische Akzeptanz wesentlichen Punkt geändert worden. Die Gesellschaft kann vom eintretenden Aktionär keine Freistellung oder Erstattung von etwaigen Ausgleichszahlungen mehr verlangen. Dies ist für die Praxis insbesondere bei Sachkapitalerhöhungen bedeutsam: Kaum ein Verkäufer würde sich auf die Gewährung von Aktien als Gegenleistung einlassen, wenn er im Falle eines aus Sicht von Bestandsaktionären erfolgreichen Spruchverfahrens zusätzlich zu den von ihm gewährten Garantien auch noch für deren Ausgleichsansprüche einstehen müsste.
Abzuwarten bleibt schließlich, ob die Neuregelungen übernahmerechtlichen Umtauschangeboten im Mittelstand zum Durchbruch verhelfen. Durch das ZuFinG wurde zwar die Beschaffung der hierfür erforderlichen Aktien wesentlich erleichtert. Allerdings wendet das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt und ihm folgend die Aufsichtsbehörde BaFin bei der Prüfung, ob die im Tausch angebotenen Aktien der Bieterin hinreichend liquide sind, die Kriterien von Art. 22 Abs. 1 MiFID I-DVO an. Danach müssen die angebotenen Aktien voraussichtlich täglich gehandelt werden, der Streubesitz darf nicht weniger als 500 Millionen Euro betragen und die durchschnittliche tägliche Zahl der Geschäfte mit der Aktie nicht unter 500 oder der durchschnittliche Tagesumsatz nicht unter zwei Millionen Euro liegen. Diese Kriterien erfüllen die Aktien kaum eines KMU.
Fazit
Die Neuregelungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz bedeuten eine wesentliche Erleichterung für KMU, künftig rasch und transaktionssicher neues Eigenkapital aufzunehmen. Im weiteren Verlauf des Jahres 2024 dürften die aktienrechtlichen Regelungen durch entsprechende prospektrechtliche Erleichterungen ergänzt und damit aus Sicht der Unternehmen in sich stimmig abgerundet werden.
Dr. Axel Hoppe (links) ist Partner, Dr. Johannes Knop ist Counsel der Kanzlei fieldfisher. Die Autoren beraten börsennotierte Unternehmen im Aktien- und Kapitalmarktrecht, schwerpunktmäßig bei Kapitalmaßnahmen, öffentlichen Wertpapierangeboten, Übernahmeangeboten und sonstigen Kapitalmarkttransaktionen sowie laufend, insbesondere bei der Hauptversammlung.
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