Home Finanzierung Die Zunahme der Investitionshürden bedroht den Standort Deutschland

Die Zunahme der Investitionshürden bedroht den Standort Deutschland

von Lieselotte Hasselhoff

Erst Corona, dann der Ukraine-Krieg mit steil angestiegenen Energiekosten und Lieferkettenunterbrechungen, und nun auch noch Inflation, Konsumzurückhaltung und steigende Kreditzinsen: Die Mittelständler leiden seit langem unter schwierigen Marktverhältnissen und schlittern von einer Krise zur nächsten. Und allen staatlichen Hilfsprogrammen zum Trotz wird die Lage für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) immer schwieriger, und die Investitionshürden nehmen zu.  

 

Angesichts der schwierigen Konjunktur stehen viele Mittelständler derzeit mit dem Rücken zur Wand. Viele benötigen dringend Kapital, und zwar nicht nur um liquide zu bleiben, sondern auch, um beispielsweise auf alternative Energiequellen umzustellen, Unternehmen zu gründen, andere Betriebe zu übernehmen oder das Produkt- und Dienstleistungsangebot zu modernisieren. Allerdings stehen KMU aktuell auch vor immer neuen Investitionshürden – unter anderem bei der Kreditvergabe. Denn Kredite sind nicht nur teurer geworden, sondern die Banken ihrerseits auch zurückhaltender.  

Die Entwicklung der sogenannten Kredithürde zeigt dies eindrücklich. Der von der KfW und dem ifo-Institut per Umfrage erhobene Wert gibt an, wie hoch der Anteil der Unternehmen ist, die Schwierigkeiten haben, von Banken einen Kredit zu bekommen. Bei Ausbruch der Pandemie lag die Kredithürde noch bei 17,2 Prozent. Nun markierte der Wert im vierten Quartal 2022 mit 31,3 Prozent den höchsten Wert seit Beginn der Erhebung 2017. Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, erwartet daher, dass angesichts weiter steigender Zinsen und schwieriger Wirtschaftslage der „Kreditmarkt für die Unternehmen aller Größenklassen ungemütlich bleibt und sich möglicherweise noch verschärft.“ 

Mehr als die Hälfte der KMU reduziert ihr Investitionsbudget

Als Folge dieser und weiterer Investitionshürden planen derzeit laut einer Befragung des Deutschen Mittelstandsbunds unter seinen Mitgliedern 22 Prozent der mittelständischen Unternehmen keine Investitionen. 30 Prozent der Firmen reduzieren ihr Investitionsbudget zumindest. Die Zurückhaltung ist nachvollziehbar und in vielen Fällen kurzfristig unvermeidbar. Mittel- und langfristig jedoch kann es für Firmenentscheider ratsam sein, sich nach Finanzierungsalternativen umzusehen – um beispielsweise in die Produktentwicklung, neue Maschinen oder qualifiziertes Personal zu investieren und somit wettbewerbsfähig zu bleiben.

Attraktive Finanzierungsalternativen sind beispielsweise eine Anleiheemission (Initial Bond Offering, IBO) oder ein Börsengang (Initial Public Offering, IPO). Dabei haben Unternehmen die Möglichkeit, entweder Aktien ihres Unternehmens in den Börsenhandel einzubringen (IPO) oder über die Platzierung einer Unternehmensanleihe (IBO) Gelder von Investoren einzusammeln, die sie zum gewählten Fälligkeitstermin verzinst zurückzahlen müssen. Beide Maßnahmen spülen nicht nur frisches Kapital in die Unternehmenskasse, sondern machen sie auch unabhängiger von ihrer Hausbank und erhöhen die Sichtbarkeit des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Ist der Zugang zum Kapitalmarkt einmal hergestellt, kann diese Finanzierungsquelle durch Ausgabe neuer Aktien oder Anleihen immer wieder genutzt werden.  

Trotz Investitionshürden über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken

Aufgrund des aktuell herausfordernden Umfelds sind derzeit jedoch auch IPO und IBO keine Selbstläufer, und ganz grundsätzlich muss ein Börsengang immer gut vorbereitet werden. In der Regel dauert es zumindest einige Monate, bis ein Unternehmen alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Für Unternehmer mit Weitblick kann es dennoch Sinn machen, sich über mögliche Finanzierungsalternativen zum klassischen Firmenkredit beraten zu lassen. So können sie mit der nötigen Vorlaufzeit bereits jetzt den Weg ebnen, um nach der Krise schnell wieder durchzustarten. 

Allerdings ist der erschwerte Zugang zu Kapital bei weitem nicht die einzige Investitionshürde für KMU. Das zeigen weitere Ergebnisse der Befragung des Deutschen Mittelstandsbundes: Mit einer Quote von 54 Prozent lag die weltwirtschaftliche Unsicherheit mit großem Abstand vorne bei den genannten Investitionshemmnissen, gefolgt vom Fachkräftemangel (32 Prozent), hohen Anschaffungskosten (28 Prozent), geringem Eigenkapital (23 Prozent) und hohen Kredithürden (23 Prozent). Eine geringe Nachfrage sahen hingegen nur 14 Prozent der Betriebe als Problem.

Ohne politische Rückendeckung geht es nicht

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind das keine guten Nachrichten. Und angesichts der Vielfalt der aktuellen Herausforderungen sind die deutschen Unternehmen dringend auf Unterstützung angewiesen – allen Problemen voran bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels, aber auch bei der Beseitigung bürokratischer Hürden bei der Kapitalbeschaffung. Denn die Verschärfung der Eigenkapitalbestimmungen im Zuge der Bankenreform Basel IV sowie die Einführung neuer ESG-Richtlinien durch die EU haben bereits vor Beginn der heutigen Krisen gerade für KMU den Zugang zum Kapitalmarkt erschwert.

Zurzeit denkt ein Viertel der Unternehmen darüber nach, Unternehmens- oder Produktionsteile sowie einen Teil der Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Vier Prozent der Unternehmen wollten Deutschland laut iwd-Umfrage sogar ganz verlassen. Wenn die Regierung verhindern will, dass der Mittelstand als Rückgrat unserer Wirtschaft Deutschland bald den Rücken kehrt, sollte sie den Unternehmen beistehen und auf eine Vereinfachung bürokratische Prozesse hinarbeiten.

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

 

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