US-Notenbank und EZB haben die Zinsen zuletzt wieder erhöht, weil die Inflation weiterhin zu hoch ist. Für Mittelständler und ihre Finanzierungsmöglichkeiten ist das fatal. Ihr Kreditmix wird sich ändern müssen. Die Unternehmen sollten ihre Kapitalmarktreife prüfen. Ein Gastbeitrag von Hans-Jürgen Friedrich.
Auf der Kreditnehmerseite waren die Nullzinsjahre geradezu paradiesisch. So konnten sich selbst Unternehmen ohne ein funktionierendes Geschäftsmodell und weit entfernt von der Gewinnzone noch finanzieren. Damit ist es nun vorbei, Darlehen sind sehr viel teurer geworden. Wie wirkt das auf Unternehmen, insbesondere den deutschen Mittelstand als produktiven Kern unserer Wirtschaft?
Die Zinswende trifft kleine und mittelständische Unternehmen besonders hart. Der deutsche Mittelstand ist fortlaufend auf Finanzierungsmöglichkeiten angewiesen. Für sie sind Kredite heute nicht nur teurer, sondern auch deutlich schwerer zu bekommen. Die Banken scheuen zunehmend Risiken und knüpfen die Kreditvergabe an strenge Kriterien. Unternehmen müssen nun höhere Sicherheiten und einen hohen Cashflow vorweisen, um Geld von der Bank zu bekommen. Eine Befragung des ifo-Instituts stellte schon im September 2022 fest, dass etwa jedes dritte Unternehmen zähe Verhandlungen oder gleich die Ablehnung des Kreditantrags seitens der Hausbank erlebt. Inzwischen hat sich die Lage für Unternehmen mit Kreditbedarf nochmal zugespitzt.
Der Mittelstand muss seinen Kreditmix überdenken
Mittelständische Firmen tun daher gut daran, sich den Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle frühzeitig zu erschließen. Zum einen, weil ohne Bankenkredit sonst nur noch der Verkauf von Firmenanteilen bleibt, beispielsweise an Risikokapitalgeber. Zum anderen, weil mit Inkrafttreten der neuen Bankenregeln nach Basel IV die Kreditinstitute aufgrund neuer Risikobewertungen ihre Kreditvergabe erneut einschränken werden. Dann wird sich für viele Firmen der Kreditmix zwingend ändern müssen. 2021 finanzierten sich Mittelständler noch zu 52 Prozent mit Eigenmitteln und zu 31 Prozent über Bankkredite. Hinzu kamen 13 Prozent Fördermittel. Die sonstigen Finanzierungsmöglichkeiten, zu denen auch die Aktien- oder Anleiheausgabe sowie Mezzanine-Kapital zählen, erreichten gerade mal einen Anteil von vier Prozent.
Die meisten Unternehmen, die frisches Kapital benötigen, wollen damit das laufende Geschäft finanzieren, die Lagerhaltung aufstocken, höhere Energiekosten stemmen oder auch auf erneuerbare Energie umstellen. Ohne Finanzierungsmöglichkeiten sind sie schnell in ihrer Existenz bedroht. Für einen durchschnittlichen Fünf-Jahres-Kredit muss ein Unternehmen mittlerer Bonität nun bei der Bank mit einem Darlehenszins von mehr als vier Prozent rechnen, Tendenz steigend. Längere Laufzeiten und geringere Bonität verteuern die Kredite zusätzlich. Das geht aus Dezemberdaten hervor, inzwischen hat die EZB die Zinsen erneut um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor lag der durchschnittliche Kreditzins für Unternehmen noch bei 1, 5 Prozent.
Kapitalmarkt bietet alternative Finanzierungsmöglichkeiten
Für Mittelständler, die größere Summen benötigen, ist der Kapitalmarkt daher eine wichtige Finanzierungsmöglichkeit. Mittelständler, die sich über die Ausgabe einer Anleihe finanzieren, müssen zwar Anlegern bei einer ersten Anleiheemission derzeit einen Zinskupon von 7 bis 8 Prozent pro Jahr bieten, vereinzelt sind die Zinsen hier sogar zweistellig. Doch mit Blick auf die zu erwartenden Finanzierungskonditionen ist dieser Schritt dennoch sinnvoll. Erstens, weil sich die Unternehmen so von den Banken unabhängiger machen. Zweitens ist oft nur die erste Anleihe eines Unternehmens mit so hohen Zinsen ausgestattet. Wird der Kupon zuverlässig gezahlt, wird auch die Bonität der Unternehmen höher gewertet, so dass bei den Folgeemissionen der Kupon auch deutlich niedriger ausfallen kann. Erst recht, wenn sich das Geschäfts positiv entwickelt hat.
Dass eine Anleiheplatzierung auch in diesem schwierigen Marktumfeld möglich ist, hat die Anleiheemission von SOWITEC gerade erst bewiesen. Das Unternehmen, das Erneuerbare-Energie-Projekte plant, baut und betreibt, konnte für die Ablösung einer älteren Anleihe und die Finanzierung neuer Projekte 11,5 Millionen Euro bei Anlegern einsammeln. Das ist zwar weniger, als SOWITEC angestrebt hat, aber dennoch ein schöner Erfolg in diesem Marktumfeld. Nun will das Unternehmen bei Investoren weitere Anleihepakete platzieren.
Transparenz und Nachhaltigkeit zahlen sich am Kapitalmarkt aus
Vor allem Unternehmen mit stabilen und zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen und hohem Cashflow haben gute Chancen am Rentenmarkt, ausreichend Investoren zu finden. Und laut einem Reporting der HSBC-Bank steht bei neuen Investmentgrade-Anleihen derzeit ebenfalls eine vier vor dem Komma. Unternehmen guter Bonität zahlen also nicht unbedingt mehr als für einen Kredit von der Bank, schaffen sich aber einen langfristigen Zugang zu unabhängigen Geldgebern. Besonders leicht tun sich Unternehmen, die sich schon am Anleihemarkt behauptet haben, die den gestiegenen Transparenzanforderungen bereits genügen und ein Nachhaltigkeits-Reporting aufbauen, wie es ab 2025 vorgeschrieben ist. Mit Investitionsvorhaben in erneuerbare Energien und Klimaschutz, den Einsatz von KI und einer nachhaltigen Geschäftsführung können sie weitere Pluspunkte bei Investoren sammeln.
Spätestens wenn die Zeit der Zinserhöhungen vorüber ist, sollten Mittelständler die Finanzierungsmöglichkeiten über den Kapitalmarkt ernsthaft in Betracht ziehen. Solange die Zinsen steigen, sind die Anleihekurse noch unter Druck. Aber sollte die EZB ihre Zinsschritte wie mehrheitlich erwartet ab Mai aussetzen, können sich die Kurse der Anleihen langsam wieder erholen. Gleichzeitig dürften die Zinsen für kurze Laufzeiten langsam wieder sinken, im Gegenzug würden die Zinsen am langen Ende eher steigen.
Aber der Weg an den Kapitalmarkt benötigt Zeit, die Vorbereitungen dafür dauern mindestens ein paar Monate. Mittelständler, die absehbar größere Summen benötigen, sollten sich daher besser schon jetzt um Kapitalmarktreife bemühen.

Hans-Jürgen Friedrich ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der KFM Deutsche Mittelstand AG. Friedrich unterstützt ehrenamtlich als Vize-Präsident den KMU-Verband und wurde Oktober 2020 als Berater in die TESG Arbeitsgruppe der EU Generaldirektion (FISMA) berufen. www.kfm-ag.de
