Der Mittelstand spielt für die wirtschaftliche Stärke Deutschlands eine immens wichtige Rolle. Doch was genau macht den Mittelstand eigentlich aus, vor welchen Herausforderungen stehen mittelständische Unternehmen und wie können KMU ihr künftiges Wachstum finanzieren?
Ein Unternehmen ist dann ein Mittelständler, wenn Leitung und Eigentum – und damit auch die Haftung – in einer Hand liegen. Genauer: Bis zu zwei Personen und ihre Familienmitglieder halten mindestens die Hälfte der Unternehmensanteile und gehören auch der Geschäftsführung an. Dies zumindest ist die „qualitative Definition“ des Instituts für Mittelstand aus Bonn (IfM).
Wo eine „qualitative Definition“ aufgeführt wird, darf natürlich auch die „quantitative Definition“ nicht fehlen. Dabei werden die Unternehmen schlicht nach ihrer Größe unterschieden: Alle Unternehmen unter 500 Mitarbeitern und bis 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr zählen zu den kleinen und mittleren Unternehmen, kurz „KMU“. Ihre Deckung mit den eigentümergeführten Unternehmen ist recht groß, allerdings: Auch KMU können mehrheitlich verschiedenen Investoren gehören, die mit der Unternehmensführung nichts am Hut haben. Zudem beschäftigen die größten Mittelständler deutlich über 500 Mitarbeiter und erzielen einen Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro. Solche Unternehmen verhalten sich aber auch nicht immer unbedingt mittelstandstypisch, sondern agieren in einer Zwischenwelt von Mittelstand und Großkonzern.
Kurzum: Der Mittelstand ist eine schwer zu definierende Gruppe von Unternehmen. Um ihn zu verstehen, sind beide Definitionen wichtig. Denn „Mittelstand“ ist vor allem eine Beschreibung der spezifischen Art und Weise, wie die deutsche „unternehmerische Basis“ funktioniert und was sie auszeichnet.
Interessante Zahlen rund um den deutschen Mittelstand im Überblick
- rund 3,4 Millionen Firmen zählen zum Mittelstand, das sind etwa 99,3 Prozent aller Unternehmen in Deutschland
- gut 19 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten im Mittelstand, damit stellen mittelständische Unternehmen circa 54 Prozent aller Arbeitsplätze
- KMU erwirtschafteten 2021 31,3 Prozent aller Umsätze in Deutschland
- in etwa 70 Prozent der Auszubildenden arbeiten in Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern
- 15,9 Prozent der deutschen Exportumsätze kommen von KMU
- Der Mittelstand steuerte 49,2 Prozent zur gesamten Nettowertschöpfung aller Unternehmen bei
(Zahlen von 2021; Quelle: IfM Bonn)
Was den deutschen Mittelstand so stark und einzigartig macht
1. Flexibilität
Mittelständler profitieren von kurzen Entscheidungswegen. Die Unternehmen können somit zügig auf positive wie negative Einflüsse reagieren. Das ermöglicht dem deutschen Mittelstand die Innovationskraft, die er braucht und die schon in seiner DNA steckt.
Diese Flexibilität ist dabei aber keineswegs die eines egoistischen Entscheiders, denn das Wohl des mittelständischen Unternehmens ist in besonderer Weise untrennbar verbunden mit den Interessen aller Stakeholder – auch der Mitarbeiter und der Gesellschaft der Region. Mittelständler müssen kontinuierlich und langfristig handeln.
2. Verantwortung
Im Mittelstand sind die Führungskräfte häufig nicht bloß Vorgesetzte, sondern auch (soziale) Fixpunkte. Sie sind für die Kunden, Geschäftspartner, die Lokalpolitik und andere Gesellschaftsvertreter greifbar und müssen vor diesen ihr Ansehen bewahren. Sie sind an vielen entscheidenden Stellen der „Kitt“ der Sozialpartnerschaft. Wer diese Aufgabe erfolgreich übernimmt, genießt auch in seinem Wirkungskreis hohes Ansehen. Die Menschen sind stolz auf die Unternehmen ihrer Region und auch dankbar, weil sie zum Wohlstand in der eigenen Heimat beitragen.
3. Nachhaltigkeit
Das kann man auch als Einschränkung des unternehmerischen Handelns begreifen. Denn ein etablierter Mittelständler kann nicht in dem Maße Mitarbeiter entlassen und in besseren Zeiten wieder einstellen, wie es einige Großkonzerne tun. Solch ein Vorgehen würde unter anderem das Ansehen in der Region dauerhaft beschädigen. Diese Einschränkung „zwingt“ das Unternehmen zu nachhaltigem Handeln – was aber langfristig gerade zum Erfolg des deutschen Mittelstands geführt hat.
4. Innovation
Nachhaltigkeit bedeutet für den Mittelstand auch, nicht auf der Stelle zu treten. 2016 haben mehr als 40 Prozent der KMU Produkt- oder Prozessinnovationen auf den Markt gebracht. Dieser Wert liegt in Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt. Der heimische Mittelstand ist spezialisiert auf lukrative Nischen – und zwar so sehr, dass einige deutsche KMU in ihrer Branche zu den weltweit führenden Anbietern zählen.
Aktuelle Herausforderungen für den Mittelstand
Fachkräftemangel, Bürokratie, Cyberangriffe oder eine in vielen Regionen marode Infrastruktur: Der deutsche Mittelstand hat aktuell mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Dazu zählt auch die Digitalisierung, mit der sich einige KMU immer noch schwertun, auch wenn die Corona-Pandemie für einen Schub bei Digitalisierungsprojekten gesorgt hat.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der „Digitalisierungsbericht Mittelstand 2018“ der KfW Bankengruppe. Zwar haben der Studie zufolge im Zeitraum zwischen 2020 und 2022 rund 33 Prozent der mittelständischen Unternehmen Digitalisierungsprojekte erfolgreich abgeschlossen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Rund zwei Drittel der KMU schieben die Umsetzung entsprechender Projekte weiterhin auf die lange Bank.
Die Gründe für diese Zurückhaltung sind vielschichtig. Zu schaffen macht vielen KMU sicherlich der Fachkräftemangel in diesem Bereich. Aber auch die in einigen Regionen immer noch unterdurchschnittliche IT-Infrastruktur ist für viele mittelständische Unternehmen problematisch. Und natürlich muss die Digitalisierung auch finanziert werden.
Alternativen zum Bankkredit
Zwar sind die Zinsen seit dem Sommer 2022 deutlich gestiegen. Dies bedeutet aber nicht, dass jeder Mittelständler nun einfacher Kredite bekommen. Laut KfW-ifo-Kredithürde sind die Banken bei der Kreditvergabe vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen weiterhin restriktiv. Bei KMU sind die Banken aufgrund der Basel-III-Richtlinien bei der Kreditvergabe restriktiver geworden und verlangen von den Firmen häufig Sicherheiten, die diese nicht immer leisten können. Doch für die Mittelstandsfinanzierung gibt es weit mehr Möglichkeiten als nur den klassischen Bankkredit. Ob etwa eine Unternehmensanleihe oder ein Börsengang eine attraktive Alternative sein kann, wissen am ehesten spezialisierte Kapitalmarktexperten für den Mittelstand.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.
1 Kommentar
Mittelständische Unternehmen sind für mich flexibel, verantwortungsbewusst, innovativ und auf jeden Fall die Taktgeber der wirtschaftlichen ENtwicklungen. Besonders wenn man sich mal die Masse an mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu Großunternehmen vor Augen führt. Die angesprochenen Themen wie Fachkräftemangel und bürokratische Hürden sind natürlich auch relevant.