Ein Börsengang (IPO) ist für jedes Unternehmen ein Meilenstein – aber auch ein hochkomplexer Prozess, bei dem nicht nur finanzielle und strategische, sondern auch rechtliche Aspekte eine entscheidende Rolle spielen. Zwei zentrale Dokumente, die den Erfolg eines IPO maßgeblich beeinflussen können, sind die Publicity Guidelines und die Research Guidelines. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Bedeutung und die praktische Anwendung der Guidelines.
Ein Gastbeitrag von Dr. Andreas Zanner
Beide Regelwerke steuern, wie Unternehmen während des IPO-Prozesses kommunizieren und mit externen Analysten zusammenarbeiten dürfen. Ein Verstoß kann nicht nur rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch das Vertrauen der Investoren und damit den gesamten Börsengang gefährden.
Publicity Guidelines – Kommunikationsrisiken minimieren
Ein IPO ist ohne gezielte Kommunikation nicht vorstellbar. Unternehmen und emissionsbegleitende Banken stehen dabei im Spannungsfeld zwischen der notwendigen Marktinformation und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Publicity Guidelines – auch als Kommunikations- oder Publizitätsrichtlinien bezeichnet – helfen, diesen Balanceakt zu meistern.
Zweck und Struktur der IPO-Dokumente
Das Ziel der Publicity Guidelines ist die Vermeidung rechtlicher, wirtschaftlicher und reputationsbezogener Risiken. Eine unkoordinierte oder fehlerhafte Kommunikation kann schwerwiegende Folgen haben, wie etwa:
- Zivilrechtliche Haftungsrisiken
- Strafrechtliche Konsequenzen
- Untersagung der Transaktion durch Aufsichtsbehörden
- Negative Auswirkungen auf den Wertpapierprospekt
Die Guidelines dienen nicht der inhaltlichen Zensur, sondern der Vorprüfung und Abstimmung potenziell kritischer Veröffentlichungen. Sie werden üblicherweise von den Rechtsberatern des Emittenten erstellt und umfassen klare Anweisungen zu Pressemitteilungen, Werbemaßnahmen, öffentlichen Präsentationen und zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen.
Praktische Umsetzung
Besonders wichtig ist die frühzeitige Implementierung der Guidelines, idealerweise direkt nach dem Kick-off-Meeting der Transaktion. Begleitende Schulungen für alle Kommunikationsverantwortlichen sind essenziell, um eine reibungslose Anwendung sicherzustellen.
Research Guidelines – Qualitätssicherung für Investoreninformationen
Researchstudien sind neben dem Wertpapierprospekt die wichtigste Informationsquelle für institutionelle Investoren und somit zentrale IPO-Dokumente. Diese von Analysten erstellten Berichte beleuchten das Geschäftsmodell, bieten eine unabhängige Prognose des Geschäftsverlaufs und bewerten das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz.
Besonderheiten von Researchstudien
Im Gegensatz zum Wertpapierprospekt unterliegen Researchstudien keiner Prospekthaftung. Analysten können frei und subjektiv ihre Einschätzungen abgeben. Dennoch ist Qualität entscheidend, da Investoren die Studien nutzen, um eigene Modelle zu erstellen und sich auf Managementmeetings vorzubereiten.
Inhalte und Erstellung
Die Erstellung einer Researchstudie basiert auf einer Analystenpräsentation, die Konsortialbanken und Emittenten gemeinsam entwickeln. Sie dient als „roter Faden“ und enthält:
- Erläuterungen zum Geschäftsmodell
- Plausible Prognosen und ein Financial Model
- Unternehmensbewertungen, z. B. durch Discounted-Cashflow-Modelle
Research Guidelines sorgen für eine koordinierte Erstellung der Studien und legen Zeitpläne, Kommunikationsrichtlinien und Qualitätssicherungsmaßnahmen fest.
Fazit – Warum diese Guidelines unverzichtbar sind
Sowohl Publicity Guidelines als auch Research Guidelines sind unverzichtbare Werkzeuge für den IPO-Prozess. Sie schützen nicht nur vor rechtlichen Fallstricken, sondern stärken auch das Vertrauen von Investoren und anderen Stakeholdern. Für Unternehmen, die den Sprung an die Börse wagen, lohnt es sich, diese Richtlinien frühzeitig und konsequent zu implementieren – denn eine klare Kommunikation und fundierte Analystenberichte sind das Fundament eines erfolgreichen Börsengangs.
Über den Autor:

© Andreas Zanner
Dr. Andreas Zanner, ist seit 1991 Rechtsanwalt und seit 1997 Partner bei CMS Hasche Sigle in Frankfurt am Main. Als Head of Equity Capital Markets berät er börsennotierte Gesellschaften, emissionsbegleitende Banken und andere Kapitalmarktteilnehmer in kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Fragen. Gemeinsam mit seinem Team hat er mehr als 60 Börsengänge aus verschiedensten Branchen als Rechtsberater begleitet. Darüber hinaus bereitet er viele junge Unternehmen auf ihrem Weg an den Kapitalmarkt vor.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.