Im Vergleich zu großen Unternehmen schneiden Mittelständler gut ab: Frauen haben es dort oft einfacher, in die Chefetage zu kommen. Doch auch im KMU-Vergleich gibt es Unterschiede: Unternehmensgröße und Tätigkeitsbereich spielen eine große Rolle. Zudem könnten New Work-Modelle wie Home-Office bald für einen Schub bei der aktiven Frauenförderung im Mittelstand sorgen.
Nach jahrelangen Debatten will die Große Koalition mit einem Gesetz Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen, Frauen in die Führungsetage zu holen. Mit einer verbindlichen Quote will die Bundesregierung die Vorstandsetagen diversifizieren und so die Nachwuchsförderung von Frauen stärken. Doch was bald für große Konzerne gelten soll, wird im Mittelstand auch ohne Verpflichtungen schon durchgesetzt. Bei KMU liegt der Frauenanteil in Führungsetagen bei 16 Prozent – und ist damit fast doppelt so hoch wie bei börsennotierten Konzernen.
Finanzsektor punktet mit überdurchschnittlicher Frauenquote
Der Mittelstand bietet Frauen im Vergleich zu großen Unternehmen einen einfacheren Weg in die Geschäftsführung – das ergibt eine Untersuchung der Unternehmensberatung EY. So lag 2020 der Frauenanteil in kleinen und mittleren Unternehmen bei rund 16 Prozent – zwei Jahre zuvor waren es noch 14 Prozent. Schaut man auf die Börsen-Indizes DAX, MDAX und SDAX, so sind die Chefsessel dort gerade mal zu neun Prozent mit weiblichen Führungskräften besetzt. Klar, auch im Mittelstand gibt es noch Luft nach oben. Immerhin sah es dort auch schonmal besser aus: 2013 lag der Anteil mit 19,4 Prozent noch wesentlich höher.
Doch auch im Mittelstand muss die Lage differenziert betrachtet werden. Unterschiede gibt es vor allem bei der Unternehmensgröße und dem jeweiligen Tätigkeitsbereich. Der Frauenanteil in der Chefetage liegt bei kleineren Mittelständlern (Umsatz bis 30 Mio. Euro) überproportional bei 18 Prozent. Große Mittelständler (Umsatz mehr als 100 Mio. Euro) liegen mit 14 Prozent hingegen unter dem Durchschnitt. Zudem haben Finanzdienstleister die Führungspositionen mit 26 Prozent im Gegensatz zu Maschinenbau-Unternehmen (8 Prozent) deutlich stärker mit Frauen besetzt. Verbesserungspotenzial gibt es auch bei Familienunternehmen: So führen weibliche Führungskräfte in Deutschlands 500 größten Familienunternehmen mit einem Anteil von 13,6 Prozent nur selten die Geschäfte.
Frauen bringen häufig wichtige Soft Skills mit
Die Frage, ob eine Frauenquote notwendig ist, mag streitbar sein. Doch der Grundgedanke, dass divers zusammengesetzte Teams bessere Ergebnisse liefern und mehr Kompetenzen ausbilden, setzt sich immer mehr durch. Auch wenn sich der Mehrwert aus durchmischten Führungsebenen nur schwer beziffern lässt, zeigt sich, dass ein Zusammenspiel aus männlichen und weiblichen Führungsfiguren gut funktioniert. Weibliche Führungskräfte bringen häufig wichtige Soft Skills mit, die starre Strukturen eines Unternehmens aufbrechen und dynamische Prozesse einleiten können. Gerade in disruptiven Zeiten können so Wege gefunden werden, das Unternehmen neu zu positionieren.
Flexible Arbeitsmodelle
Auch wenn der Mittelstand mit einer vergleichsweise hohen Frauenquote punkten kann, gibt es im Bereich der aktiven Frauenförderung noch Nachholbedarf. Zu dieser Art der Förderung gehören etwa flexible Arbeitszeitmodelle, mit der Schwangerschaft und Arbeit besser vereinbar sind. Hier waren Mittelständler schonmal stärker aufgestellt: 22 Prozent der KMU betrieben 2019 aktive Frauenförderung. Im vergangenen Jahr sank der Wert auf 19 Prozent. Das könnte sich aber bald ändern. Denn durch die Corona-Pandemie sind mittelständische Unternehmen verstärkt bereit, außerhalb ihrer Komfortzone zu denken. Daher werden New Work-Modelle wie arbeitsplatzunabhängiges Arbeiten und Home-Office auch nach der Corona-Krise bleiben. Zusammen mit einer schnellen Wiedereingliederung in den Arbeitsplatz nach der Schwangerschaft und einem umfassenden Betreuungsangebot für den Nachwuchs, können KMU den Frauenanteil ihres Unternehmens ganz ohne Quote langfristig erhöhen.
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