Home FinanzierungVom Zahlenwerk zum Kapitalmarkt: Warum IPO Financial Due Diligence zur Nagelprobe für CFOs wird

Vom Zahlenwerk zum Kapitalmarkt: Warum IPO Financial Due Diligence zur Nagelprobe für CFOs wird

von Lieselotte Hasselhoff

Ein IPO ist mehr als ein Finanzierungsereignis – es ist ein Reifeprozess. Die IPO Financial Due Diligence zeigt, ob ein Unternehmen wirklich kapitalmarktfähig ist. Unsere Autoren erläutern, woran sich Kapitalmarktreife wirklich messen lässt – und wie CFOs ihre Equity Story durch eine starke FDD schärfen können.

Ein Gastbeitrag von Sascha Haggenmueller, Dominik Maier und Wolf-Heinrich Werling

Ein Börsengang ist einer der sensibelsten Transformationsprozesse im Leben eines Unternehmens. Er verlangt strategische Klarheit, regulatorische Präzision und vor allem eines: Finanzielle Transparenz. Die IPO Financial Due Diligence (IPO-FDD) bildet dabei eine sinnvolle notwendige Ergänzung: Sie verifiziert die IPO-Fähigkeit des Unternehmens im Vorfeld, deckt gezielt Schwachstellen auf gibt Management und Investoren die Möglichkeit, die Transformation hin zum börsennotierten Unternehmen störungsfrei abzuschließen.

Worum es geht

Im Unterschied zu einer klassischen Transaktionsprüfung richtet sich die IPO-FDD nicht an eine geschlossene Käufergruppe, sondern an eine offene, nämlich den Kapitalmarkt. Sie analysiert gezielt die Bereiche ab, die über die Pflichtangaben im Prospekt und die obligatorische Abschlussprüfung hinausgehen. Im Gegensatz zu einer klassischen FDD steht bei einer IPO-FDD neben der finanziellen Komponente auch die regulatorische Komponente stark im Vordergrund. Finanziell geht es klassisch um Ertragsqualität, Kapitalstruktur und Planungsfähigkeit.

Die Analyse der Ertragsqualität zeigt, wie nachhaltig die Ergebnisse wirklich sind. Bereinigt werden Einmal- und Sondereffekte, z.B. Covid-Effekte, Lieferkettenprobleme, staatliche Zuschüsse oder auch die Vorbereitung des IPOs. Auch (divisionale) Margenstabilität und Kundenstruktur werden analysiert. Daneben erfolgt die Berücksichtigung von pro-forma Effekten, wie z.B. erhöhten Offenlegungs-, Prüfungs- und Regulatorikkosten, die mit der Kapitalmarktnotierung verbunden sind. Ziel ist, zwischen einmaligen Ergebnissen und dauerhaft erzielbarer Profitabilität zu unterscheiden.

Bilanzseitig wird das Unternehmen über eine sogenannte Net Asset-Darstellung noch einmal stärker in die Bereiche operatives Geschäft, Investitionstätigkeit und Finanzierung segmentiert. Die Analyse des Working Capital beleuchtet dabei die operative Seite und zeigt u.a. auf, wie effizient Liquidität im operativen Geschäft gebunden ist, also ob Forderungen, Verbindlichkeiten und Vorräte stabil gemanagt werden. Eine wachsende Working-Capital-Bindung oder das Vorziehen von Umsätzen kann frühzeitig auf Schwächen im Cashflow hinweisen. Die Nettofinanzverschuldung beleuchtet die Fremdfinanzierungsstruktur des Unternehmens und gibt einen strukturierten Überblick über schuld- und schuldähnliche Positionen, womit die Darstellung einerseits in der Tiefe über eine klassische Jahresabschlussprüfung hinausgeht und andererseits ein komprimiertes Bild der Finanzierungsstruktur, unabhängig von der jeweiligen Ausweisverpflichtung im Jahresabschluss gibt. Die Investitionstätigkeit deckt sich häufig in vielen Belangen mit dem Anlagevermögen des Unternehmens, wobei auch hier die wirtschaftliche Betrachtungsweise den internationalen Rechnungslegungsstandards vorgeht.

In der Planungsprüfung wird schließlich hinterfragt, ob Prognosen realistisch und mit der bisherigen Entwicklung vereinbar sind. Hierfür wird u.a. die Planungsgüte der Vorjahre gemessen, um ein Indiz für die Verlässlichkeit der aktuellen Planung zu gewinnen. Entscheidend ist am Ende immer, ob die Planung nachvollziehbar auf operativen und makroökonomischen Treibern basiert, durch Vorstand und Aufsichtsrat genehmigt worden ist und regelmäßig überprüft wird. Schließlich misst der Kapitalmarkt CFOs an der Verlässlichkeit ihrer Forecasts.

Regulatorisch steht insbesondere die Einhaltung der EU-Prospektverordnung (ProspektVO) und der Wertpapierhandelsgesetze im Fokus, die unter anderem vorschreiben, dass alle wesentlichen finanziellen Informationen transparent und vollständig im Wertpapierprospekt offengelegt werden müssen. Die FDD umfasst daher nicht nur die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Nachvollziehbarkeit der Finanzdaten, sondern auch die Bewertung, ob diese den regulatorischen Vorgaben entsprechen und prospektrelevant sind. Zudem sind die Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu beachten, insbesondere im Hinblick auf die Prospektprüfung und Zulassung. Ergänzend dazu sind Compliance- und Geldwäschevorschriften sowie ESG-Aspekte zunehmend Bestandteil der regulatorischen Sorgfaltspflichten. Ablaufseitig erfolgte eine Durchsicht der vorhandenen Systeme und Prozesse um die Angemessenheit im Hinblick auf den IPO zu beurteilen.

Woran es in der Praxis hapert

Gerade in der IPO Financial Due Diligence zeigt sich, wie reif ein Unternehmen wirklich ist. Die größte Herausforderung liegt selten in der Analyse selbst, sondern in der Beherrschung eines zugleich finanziellen, organisatorischen und regulatorischen Ausnahmezustands. Denn eine IPO-FDD verlangt eine Datentiefe und Konsistenz, die noch über die am Kapitalmarkt benötigte Tiefe hinausgeht.

In der Praxis bedeutet das: Drei Jahre rückwirkende IFRS-Umstellung, deutlich höhere Anforderungen an Compliance, Regulatorik und Rechnungslegung, eine beschleunigte Abschluss- und Reporting-Taktung sowie eine tiefere Prüfungstiefe durch den Abschlussprüfer. Hinzu kommen quartalsweise Offenlegungspflichten, erweiterte Governance- und Dokumentationsanforderungen sowie die Erwartung, dass sämtliche Prozesse prüfungssicher und kapitalmarkttauglich ineinandergreifen.

Viele mittelständische Unternehmen stoßen hier an strukturelle Grenzen. Fragmentierte ERP-Systeme, manuelle Konsolidierungen und unklare Verantwortlichkeiten erschweren konsistente Abschlüsse und Forecasts. Damit wird die IPO-FDD oft zum echten Stresstest für Datenqualität, Segmentierung und interne Steuerung und liefert ein realistisches Bild, ob das Unternehmen kapitalmarktfähig ist oder nicht.

Ohne klare Governance, abgestimmte Daten-Ownership und disziplinierte Steuerung der Timelines verlieren CFOs in dieser Phase schnell den Überblick. Gleichzeitig bleibt der Erfolg abhängig vom Marktumfeld. Zinsniveau, Volatilität und Investorenstimmung bestimmen, ob sich das Fenster für einen Börsengang tatsächlich öffnet.

Was erfolgreiche Unternehmen anders machen

Erfolgreiche CFOs begreifen die IPO-FDD nicht als weitere Hürde, sondern als externen Stresstest ihrer Finanzorganisation. Sie bereiten sich gezielt darauf vor, indem sie frühzeitig Datenhaushalt, Segmentlogik und Reporting-Strukturen so aufstellen, dass eine unabhängige Prüfung diese konsistent nachvollziehen kann. Entscheidend ist nicht, dass durch die FDD Datenqualität entsteht, sondern dass sie bestehende Schwächen sichtbar macht und damit messbar belegt, wie reif ein Unternehmen wirklich ist.

CFOs, die diesen Prozess aktiv führen, verstehen die IPO-FDD als Gelegenheit zur Validierung ihres Steuerungsmodells und ihrer IPO-Readiness. Sie sorgen dafür, dass Zahlen, Planungen und Narrative übereinstimmen, und nutzen die Erkenntnisse aus der Prüfung, um ihre Equity Story zu schärfen. Eine gute IPO-FDD bestätigt nicht nur das Zahlenwerk, sondern auch die Steuerungsfähigkeit des Managements und schafft damit die Glaubwürdigkeit, die Investoren am Kapitalmarkt erwarten.

Fazit

Die IPO Financial Due Diligence ist keine technische Pflichtübung, sondern kann das Vertrauen von Investoren gezielt erhöhen. Sie zeigt, dass ein Unternehmen bereits ist, über das notwendige Minimum hinaus verlässliche, transparente und erklärbare Finanzinformationen zu liefern, und signalisiert Eigenkapitalgebern, dass die Zahlen auch einer tiefergehenden Analyse standhalten.

Wer die IPO-FDD als strategisches Prüf- und Steuerungsinstrument nutzt, gewinnt Klarheit über die eigene Kapitalmarktfähigkeit und schafft die Grundlage für Vertrauen am Markt.

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Über die Autoren:

Dr. Sascha Haggenmueller ist Co-Founder und Managing Director der Finanzberatungsboutique Radial Consulting Group. Sascha hat mehr als 12 Jahre Berufserfahrung und war vor der Gründung von Radial bei EY, Porsche Consulting und als Senior Manager bei Deloitte im Bereich Financial Advisory. Er hat interdisziplinäre Transaktions- und Restrukturierungsprojekte für PEPortfoliounternehmen geleitet. Saschas Expertise umfasst Hypergrowth- und Turnaround-Situationen und Sektoren wie Industrie, Handel und SaaS. Darüber hinaus ist er Honorardozent an der EBS Business School, der Munich Business School und der International School of Management.

 

Wolf-Heinrich Werling ist ebenfalls Co-Founder & Managing Director bei Radial. Im Rahmen seiner zwölfjährigen Berufserfahrung hat Wolf komplexe Transaktionen mit einem Fokus auf Due Diligence-Tätigkeiten begleitet und als Wirtschaftsprüfer in Deutschland und den USA zahlreiche Mandanten aus unterschiedlichen Branchen und im Private Equity-Umfeld begleitet. Seine Expertise liegt u. a. im Projektgeschäft, der technischen Gebäudeausstattung sowie dem Financial Onboarding von Plattform-Deals.  Vor Radial war Wolf für Ernst & Young in Mannheim und Chicago als Wirtschaftsprüfer und bei Deloitte als Senior Manager in Transaction Services tätig.

 

Dominik Maier ist Manager bei Radial München. Im Rahmen seiner siebenjährigen Berufserfahrung hat Dominik komplexe Transaktionen mit einem Fokus auf Due Diligence-Tätigkeiten begleitet und als Wirtschaftsprüfer in Deutschland zahlreiche Mandanten aus unterschiedlichen Branchen und im Private Equity-Umfeld begleitet. Seine Expertise liegt u. a. im Projektgeschäft und in den Sektoren Industrie und Handwerk. Vor dem Einstieg bei Radial war Dominik für Ernst & Young in Köln als Wirtschaftsprüfer und bei EY-Parthenon als Senior Consultant und Manager in Transaction Services tätig.

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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