Für Börsengänge und größere Kapitalmaßnahmen muss jedes Unternehmen einen Wertpapierprospekt mit allen wichtigen Informationen für die Investoren erstellen. Dieser Prospekt mit Geschäftszahlen, Prognosen und Risiken ist rechtlich bindend und daher das Herzstück eines IPO. Worauf es beim Erstellen eines Wertpapierprospektes ankommt und welche Chancen er bietet.
Ein Gastbeitrag von Dr. Andreas Zanner
Für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren in Deutschland oder die Zulassung an einem EU-regulierten Kapitalmarkt ist ein von der BaFin gebilligter und danach ordnungsgemäß veröffentlichter Wertpapierprospekt erforderlich. Dieser Prospekt ist das zentrale Informationsdokument für Investoren und das Kernstück eines IPO. Er wird in der Regel von darauf spezialisierten Anwaltskanzleien geschrieben und intensiv mit allen am IPO-Prozess Beteiligten diskutiert, insbesondere mit dem Unternehmen und den Banken. Der Emittent der Aktien und die begleitenden Banken haften für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts und dafür, dass er keine irreführenden Angaben enthält.
Für Aktien sind folgende wesentliche Inhalte des Prospekts vorgeschrieben:
Das Unternehmen, dessen Aktien angeboten werden, ist ausführlich in seiner Geschäftstätigkeit, seiner Strategie und seiner Wettbewerbsstärke zu beschreiben. Auch wenn die Sprache des Prospekts aus Haftungsgründen nicht werblich sein darf, so ist es doch eine gute Chance für den Emittenten, sein Geschäftsmodell und seine Zukunftschancen dem Investorenkreis und damit einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Es ist sicherlich sinnvoll, den Prospekt nicht nur als notwendiges Übel zur Haftungsvermeidung hinzunehmen, sondern ihn als gute Möglichkeit anzusehen, die eigene Equity Story in der gebotenen nüchternen Sprache überzeugend darzustellen.
Prospekt als Beipackzettel
Ein hoher Stellenwert kommt der Darstellung der geschäftsspezifischen Risiken (sog. Risikofaktoren) zu. Sie sind als eine Art „Beipackzettel“ für den Investor zu verstehen. Er kann die geschäftsspezifischen Risiken des Unternehmens im Wertpapierprospekt erkennen, bewerten und in seine Investmententscheidung einbeziehen. Der Emittent der Aktien erreicht durch die Offenlegung seiner geschäftsspezifischen Risiken, dass er bei deren Eintritt nicht nach Prospekthaftungsgrundsätzen haftet. Aus diesem Grund sind alle plausiblen Risiken der Geschäftstätigkeit und der Industrie, in der das Unternehmen tätig ist, im Prospekt aufzuführen. Lange Kataloge von Risikohinweisen sind in der Praxis deshalb üblich, und Investoren können damit umgehen.
Auch die historischen Finanzinformationen in Form von Jahresabschlüssen der letzten drei Geschäftsjahre sind in den Prospekt aufzunehmen. Die Abschlüsse sind von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu testieren. Unter bestimmen Umständen sind Quartals- oder Halbjahresabschlüsse als Zwischenfinanzinformationen hinzuzufügen. Die Zahlen und finanziellen Veränderungen in den vergangenen drei Geschäftsjahren müssen im Prospekt erläutert, diskutiert und analysiert werden.
Prospektprüfung durch Finanzaufsicht und Anwälte
Nach der Erstellungsphase reicht das Unternehmen den Prospekt zur Billigung durch die BaFin ein. Das Billigungsverfahren nimmt sechs bis maximal acht Wochen ein und erfolgt nach einem zuvor mit der BaFin abgestimmten Zeitplan. Die BaFin prüft den Prospekt auf Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz (Konsistenz und innere Widerspruchsfreiheit). Sie untersucht den Prospekt jedoch nicht inhaltlich, prüft also nicht die Richtigkeit der Prospektangaben. Die an der Erstellung des Prospekts beteiligten Anwälte bestätigen gegenüber den Banken, dass der Prospekt ihres Wissens nicht unvollständig, unrichtig oder irreführend ist.
Die Erstellung eines Wertpapierprospekts ist ein komplexer, aber entscheidender Prozess für Unternehmen, die Kapital am Markt aufnehmen möchten. Ein sorgfältig erarbeiteter Prospekt bildet nicht nur die rechtliche Grundlage für das öffentliche Angebot von Wertpapieren, sondern ist auch ein wichtiges Instrument zur Kommunikation mit potenziellen Investoren.
Dr. Andreas Zanner ist seit 1991 Rechtsanwalt und seit 1997 Partner bei CMS Hasche Sigle in Frankfurt am Main. Als Head of Equity Capital Markets berät er börsennotierte Gesellschaften, emissionsbegleitende Banken und andere Kapitalmarktteilnehmer in kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Fragen. Gemeinsam mit seinem Team hat er mehr als 60 Börsengänge aus verschiedensten Branchen als Rechtsberater begleitet. Darüber hinaus bereitet er viele junge Unternehmen auf ihrem Weg an den Kapitalmarkt vor.
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