Das Verhältnis zwischen Start-ups und dem Mittelstand galt seit jeher als schwierig. Dieses Bild scheint sich nun nach und nach zu wandeln.
Der deutsche Mittelstand ist im internationalen Vergleich überdurchschnittlich erfolgreich. Aktuelle Studien zeigen allerdings auch, dass sich die Unternehmen zu oft auf ihren Leistungen der vergangenen Jahre ausruhen. Investitionen in Start-ups oder Kooperationen mit den noch jungen Unternehmen könnten dem Mittelstand, beispielsweise beim Ausbau der Digitalisierung, neuen Schwung verleihen.
Bedürfnisse kennen, Sicherheitsbedenken ablegen
Etablierte Mittelständler kennen den Markt, stellen ihr Know-how und ihre Kontakte zur Verfügung, während die Start-ups mit agilen Arbeitsmethoden, technischen Innovationen und Kreativität überzeugen können. Eine Zusammenarbeit wäre eine Win-Win-Situation für beide Seiten.
Damit diese aber auch langfristig voneinander profitieren, sollten sich Start-ups bereits im Vorfeld mit den Bedürfnissen des Kooperationspartners auseinandersetzen. Etablierte Mittelständler hingegen sollten ihr stark ausgeprägtes Sicherheitsdenken ablegen und eine innovationsfreundlichere Kultur im Unternehmen etablieren.
Start-ups und Mittelstand: Was beide Seiten für eine erfolgreiche Partnerschaft mitbringen sollten:
1. Geduld
Mittelständler blicken häufig auf eine lange Unternehmenshistorie zurück und kennen sich gut mit Markt und Partnerschaften aus. Von ihren Partnern erwarten sie schnelle Ergebnisse. Diese Ansprüche müssen sie anpassen, denn Start-ups brauchen Zeit, um sich am Markt zu etablieren. Junge Unternehmen hingegen müssen im Hinterkopf behalten, dass Mittelständler sich nur dann für ein neues Produkt begeistern, wenn es den eigenen Bedarf deckt.
2. Risikobereitschaft
Für etablierte Unternehmen steht die eigene Reputation auf dem Spiel, deshalb sollten Start-ups darauf achten, das Risiko zu minimieren und beispielsweise die Produktentwicklung nachvollziehbar zu dokumentieren. Mittelständler hingegen sollten versuchen, sich auf andere Arbeitsweisen oder neue Ideen einzulassen.
„Die Kooperation zwischen Start-ups und Mittelständlern sowie Großunternehmen ist nicht nur die beste Start-up-Förderung, sie bringt auch die Digitalisierung in Deutschland voran“, sagte Ende Mai Bitkom-Präsident Achim Berg.
Sein Digitalverband Bitkom hat erst kürzlich die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen in Deutschland untersucht. Dabei erklärten 79 der 300 befragten Start-up-Unternehmen, schon jetzt mit etablierten Unternehmen Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder von der finanziellen Beteiligung zu profitieren.
Einer der häufigsten Gründe, warum Start-ups bislang noch keine Kooperation eingegangen sind, ist das fehlende Interesse der Mittelständler an einer solchen Zusammenarbeit. Das ist schade, sind doch die meisten Start-ups, die bereits eine Kooperation haben, zufrieden mit der Zusammenarbeit, haben sie doch dadurch neue Kunden gewonnen oder sich neue Märkte erschlossen. Kritik gibt es lediglich an den langsamen Prozessen in den etablierten Unternehmen.
Mittelständler sind selten für Kooperationen bereit
Auf der Seite der Unternehmen dreht sich das Bild allerdings: Mittelständler sind zu einer Zusammenarbeit seltener bereit. Zwei Drittel der befragten Unternehmen geben an, bislang keine Partnerschaften eingegangen zu sein.
Kooperationen zwischen Start-ups und Mittelstand können dabei sehr unterschiedlich aussehen:
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Projektbezogene Kooperation
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Kunden-Lieferanten-Beziehung: Zusammenarbeit hinsichtlich eines bestimmten Prozesses oder eines besonderen Produkts
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Beteiligungen: kapitalgetriebene Zusammenarbeit, die mit einem Mitspracherecht einhergehen
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Joint Venture: langfristige Zusammenarbeit durch das Zusammenlegen von personellen wie finanziellen Ressourcen.
Kommen Kooperationen zustande, dann häufig über einen persönlichen Kontakt – etwa über Geschäftspartner, Kollegen oder Freunde. Diese Empfehlung schafft das Vertrauen für eine etablierte Zusammenarbeit. Fast 40 Prozent der KMU kommen über Internetrecherche oder auf Messen in Kontakt zu Start-ups. Bei weniger als einem Drittel der KMU entwickelte sich ein Kontakt auf Veranstaltungen wie Start-up-Events oder Workshops. Mittlerweile bieten aber auch private und öffentliche Initiativen wie das RKW Kompetenzzentrum Maßnahmen an, um Start-ups und Mittelstand zusammenzubringen.
Denn der direkte Austausch zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups ist von besonderer Bedeutung. Er schafft Vertrauen und bildet die Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit. Eine strategische Partnerschaft oder gezielte Investitionen zwischen den beiden Parteien können für die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle entscheidend sein und das Wachstum mittel- und langfristig beflügeln – auch wenn auf beiden Seiten Durchhaltevermögen gefragt ist.
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