Das Emissions- und Platzierungsvolumen am deutschen Markt für KMU-Anleihen steigt deutlich über Vorjahresniveau.
Ein Gastbeitrag von Frederic Hilke
In einem insgesamt herausfordernden Kapitalmarktumfeld, das in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht von geopolitischen und makroökonomischen Widerständen geprägt war, verzeichnete der deutsche Markt für KMU-Anleihen in der ersten Jahreshälfte 2024 entsprechend der internationalen High Yield-Anleihemärkte deutliche Erholungstendenzen und zeigte sich durch kräftig gestiegene Platzierungsvolumina aufnahmefähiger als noch ein Jahr zuvor.
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat sich die Zahl der Emissionen von KMU-Anleihen im ersten Halbjahr 2024 erhöht. Insgesamt wurden elf Anleihen von elf Emittenten begeben (1. Hj. 2023: 8 Anleihen von 8 Emittenten). Das platzierte Volumen erhöhte sich um 43 Prozent auf rund 405 Millionen Euro (1. Hj. 2023: 283,5 Mio. Euro). Gemessen am Zielvolumen der Anleiheemissionen in Höhe von 573 Mio. Euro ergibt sich eine im Vergleich zum Vorjahr verringerte Platzierungsquote von rund 71 Prozent (1. Hj. 2023: 93 Prozent). Wesentlicher Grund dafür ist, dass bei zwei Anleihen mit einem Emissionsvolumen von zusammen 150 Millionen Euro keine Angaben zum platzierten Volumen gemacht wurden. Bereinigt um diese Emissionen lag die Platzierungsquote bei knapp 96 Prozent.
Der durchschnittliche jährliche Kupon lag mit 8,87 Prozent zehn Basispunkte über dem Niveau des Vorjahres (H1 2023: 8,77 Prozent) und 23 Basispunkte über dem durchschnittlichen Kupon des Gesamtjahres 2023 (8,64 Prozent). Angesichts der eingeläuteten Zinswende ist zu erwarten, dass auch am KMU-Anleihemarkt 2024 der Höhepunkt erreicht sein dürfte.
Energiesektor dominiert; Vollplatzierungen leicht unter Vorjahr; von Emissionshäusern begleitete Transaktionen überwiegen
Bereits zum dritten Mal in Folge sind die Emittenten aus dem Energiesektor auch im ersten Halbjahr 2024 am häufigsten vertreten. Erneut lassen sich insgesamt vier Unternehmen (36 Prozent) dieser Branche zuordnen, gefolgt von je zwei Emittenten aus den Sektoren Finanzdienstleistungen und Basiskonsumgüter. Aus den Branchen Immobilien, Industriegüter & Dienstleistungen sowie Technologie war jeweils ein Emittent vertreten.
Mit fünf Vollplatzierungen (45 Prozent) liegt der Wert der vollständig gezeichneten Anleihen leicht unter dem Vorjahresniveau (H1 2023: vier Vollplatzierungen, 50 Prozent). Anders als im Vorjahreszeitraum haben Folgeemissionen (6) nur noch ein leichtes Übergewicht im Verhältnis zu Erstemissionen (5) von KMU-Anleihen. Wie schon im Vorjahr wurde ein Großteil der Emissionen von Emissionshäusern respektive Banken begleitet (sieben Anleihen, 64 Prozent), darunter Pareto Securities mit den meisten Transaktionen (vier Emissionen). Lediglich vier Transaktionen wurden in Form einer Eigenemission vollzogen (36 Prozent).
Der erhebliche Anstieg des Platzierungsvolumens bei KMU-Anleihen in einem insgesamt herausfordernden und volatilen Kapitalmarktumfeld unterstreicht die Stärke des kapitalmarktorientierten Mittelstands. Nach einer längeren Phase der Zinsstagnation und einem mittlerweile sogar rückläufigen Zinsniveau werden Anleihen auch perspektivisch eine attraktive Finanzierungsoption darstellen. Dabei hat sich der Markt im ersten Halbjahr als aufnahmefähig erwiesen – auch für Erstemissionen.
Restrukturierungen und Ausfälle bei KMU-Anleihen
Im Vergleich zum Vorjahr sank die Anzahl der Restrukturierungen leicht. Hier gab es im ersten Halbjahr Restrukturierungen von fünf Emittenten zu verzeichnen nach sechs im ersten Halbjahr 2023. Dabei liegt das hiervon betroffene Anleihevolumen über dem Vorjahreswert (1. Hj. 2024: 282 Mio. Euro, 1. Hj. 2023: 196 Mio. Euro). Zwei KMU-Anleihen sind im ersten Halbjahr 2024 ausgefallen; das betroffene Volumen beläuft sich dabei auf 5,74 Millionen Euro und liegt damit deutlich unter dem Wert des ersten Halbjahres 2023 (125 Mio. Euro).
Zu Jahresbeginn hatte die IR.on AG neun im KMU-Segment aktive Emissionshäuser nach ihrer Einschätzung für das Gesamtjahr 2024 befragt, wobei diese im Durchschnitt mit 22 Transaktionen eine Emissionstätigkeit auf Vorjahresniveau erwarteten. Diese Erwartung erscheint im Kontext der Entwicklungen im ersten Halbjahr 2024 realistisch.
IR.score: Emittenten von KMU-Anleihen nur noch auf solidem Niveau
Nachdem wir den KMU-Anleiheemittenten im vergangenen Jahr durchweg Bestnoten verleihen konnten, wurde dieses hohe Niveau im ersten Halbjahr 2024 nicht bestätigt. Im Gesamtdurchschnitt wurde ein solider IR.score von 3,41 Punkten erzielt. Grund dafür dürfte hauptsächlich die höhere Anzahl an Erstemissionen und die damit verbundene Unerfahrenheit hinsichtlich der Transparenzanforderungen sein. Bei zwei Emittenten gab es zudem keinerlei zugängliche Informationen, was sich ebenfalls negativ ausgewirkt hat. Außerdem gab es im ersten Halbjahr 2024 deutlich mehr Privatplatzierungen, bei denen naturgemäß weniger öffentlich zugängliche Informationen bereitgestellt wurden.
Eine Zusammenfassung der Erhebung ist über die Webseite der IR.on AG erhältlich.
Frederic Hilke ist Leiter des Bereichs IR Consulting der IR.on AG, einer unabhängigen Beratungsgesellschaft für Investor Relations, Finanz- und Nachhaltigkeitskommunikation. Seit 2016 betreut er börsennotierte Unternehmen und Anleiheemittenten bei der laufenden Investor Relations Arbeit. Darüber hinaus unterstützt Frederic Hilke internationale Kunden bei ihrer Unternehmenskommunikation in Deutschland. Zuvor konnte er im Rahmen verschiedener Tätigkeiten Erfahrung in der Strategieentwicklung und der Commercial Due Diligence gewinnen. www.ir-on.com
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