Home FinanzierungRechtssicherheit beim IPO: Opinion Letters

Rechtssicherheit beim IPO: Opinion Letters

von Lieselotte Hasselhoff
Kapitalmarktrecht

Banken, die eine Wertpapierplatzierung begleiten, verlangen die Abgabe eines oder mehrerer Rechtsgutachten, in der Fachsprache „Opinion Letters“ genannt. (In aller Regel werden Opinion Letters auch in der englischen Sprache verfasst.) Bei einer typischen Transaktion geben die Anwälte sowohl des Emittenten als auch der Banken diese Schreiben ab.

Warum verlangen Banken Opinion Letters?

Dafür gibt es drei Hauptgründe. Erstens geben Opinion Letters den Banken Sicherheit in Bezug auf wesentliche rechtliche Punkte. Zweitens trägt die Arbeit, die Anwälte bei der Erstellung ihrer Opinion Letters leisten, dazu bei, dass die Beschreibungen bestimmter rechtlicher Angelegenheiten im Prospekt, der häufig im Zusammenhang mit Wertpapierplatzierungen erstellt wird, korrekt sind.

Schließlich, und dies ist der wichtigste Punkt, stellen die Opinion Letters für den Fall, dass die Transaktion später Anlass zu einer Streitigkeit geben sollte, einen Baustein der Due-Diligence-Verteidigung der Banken dar.

Mit leichten Unterschieden von Kanzlei zu Kanzlei weisen Opinion Letters im Bereich von Wertpapierplatzierungen typischerweise folgende Struktur auf:

  1. Eine Beschreibung der Rolle der Anwaltskanzlei, die den Opinion Letter abgibt, d.h. Emittentenberater oder Bankenberater.
  2. Die Grundlage des Opinion Letters, einschließlich einer Aufzählung der spezifischen Unterlagen, die bei der Erstellung des Opinion Letters insbesondere geprüft wurden.
  3. Annahmen und Qualifikationen: Zum Beispiel gehen Anwälte davon aus, dass alle tatsächlichen (nicht rechtlichen) Sachverhalte, die in den überprüften Unterlagen beschrieben werden, richtig beschrieben sind; die Meinung, dass Verträge durchsetzbar sind, wird etwa mit dem Hinweis eingeschränkt, dass das Insolvenzrecht die Durchsetzbarkeit ansonsten gültiger Verträge beeinträchtigen kann.
  4. Die eigentlichen Legal Opinions, d.h. Stellungnahmen zu spezifischen Rechtsfragen. Beispielsweise gehören zu den Opinions, die im Rahmen eines Börsengangs abgegeben werden, in der Regel die folgenden:
    • Der Emittent wurde wirksam gegründet und besteht und ist befugt, die Transaktionsverträge abzuschließen und seine daraus resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen.
    • Das Abschließen der Transaktionsverträge und die Erfüllung der Verpflichtungen des Emittenten werden weder gegen seine Satzung noch gegen anwendbare Gesetze verstoßen.
    • Das bestehende Grundkapital des Emittenten wurde gültig ausgegeben; die neuen Aktien werden wirksam ausgegeben sein.
    • Die Transaktionsverträge sind gültig und durchsetzbar.
    • Spezifische Aussagen im Prospekt zu Fragen des deutschen Rechts sind in allen wesentlichen Punkten richtig.
  1. Eine Erklärung, dass sich die geäußerten Opinions auf das aktuell geltende deutsche Recht, ggf. auch auf das in Deutschland unmittelbar anwendbare Recht der EU beschränken.
  2. Eine Erklärung, dass der Opinion Letter ausschließlich an die Banken gerichtet ist. In den Schreiben einiger Kanzleien heißt es, dass die Banken mit wenigen Ausnahmen den Opinion Letter nur mit vorheriger Zustimmung der Kanzlei anderen Parteien vorweisen dürfen. Andere Kanzleien verfolgen einen liberaleren Ansatz. Alle Kanzleien weisen jedoch darauf hin, dass sich keine andere Partei ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Kanzlei auf das Opinion Letter berufen darf.

Opinion Letters nach US-Recht

Opinion Letters nach US-Recht, die nur im Rahmen von Transaktionen abgegeben werden, in denen Wertpapiere auch in den Vereinigten Staaten platziert werden, ähneln in ihrer Struktur weitgehend einem deutschen Opinion Letter. Sie enthalten im Zusammenhang mit einer Aktienplatzierung drei Opinions:

  • Es ist keine Registrierung der Wertpapiere bei der US-Börsenaufsicht SEC erforderlich. (Das Anbieten und Verkaufen von Wertpapieren in den Vereinigten Staaten, die weder registriert sind, noch einer Ausnahme von der Registrierungspflicht unterfallen, kann zu einer schwerwiegenden Haftung für den Emittenten und die Banken führen.)
  • Die Aussagen im Prospekt zur US-Besteuerung sind in allen wesentlichen Punkten richtig.
  • Der Emittent ist keine „Investment Company“ (Anlagegesellschaft) im Sinne des US Investment Company Act. (Der Status als Anlagegesellschaft würde es für einen nicht-amerikanischen Emittenten schwierig bis unmöglich machen, Wertpapiere in den Vereinigten Staaten zu platzieren. Das einschlägige US-Gesetz ist so weit gefasst, dass auch Unternehmen, die sich niemals als Anlagegesellschaften betrachten würden, manchmal dennoch unter die Definition des Gesetzes fallen können.)

Der Anwalt des Emittenten gibt in seinem Opinion-Letter alle drei Opinion Statements ab. Anwälte der Banken liefern in der Regel nur die ersten beiden.

———————

Über die Autoren:

Prof. Dr. Michael Schlitt, Hogan Lovells

© Hogan Lovells

Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner im Frankfurter Büro von Hogan Lovells und leitet als Experte für Kapitalrecht das deutsche Securities and Public Company Team. Er verfügt über umfassende Erfahrung bei internationalen Kapitalmarkttransaktionen, insbesondere zu Börsengängen, Kapitalerhöhungen, und Platzierungen von allen Arten von Anleihen. Er berät Investmentbanken und international tätige Konzerne auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts sowie des Aktien-, Übernahme- und Umwandlungsrechts. Er gilt als einer der führenden Anwälte im Bereich Kapitalmarktrecht, ist zudem Honorarprofessor der Universität zu Köln und Autor zahlreicher Aufsätze und Buchbeiträge sowie von Kommentaren und Handbüchern zum Kapitalmarkt-, Aktien- und Übernahmerecht.

 

Dr. Susanne Ries, Hogan Lovells

© Hogan Lovells

Dr. Susanne Ries ist Of Counsel im Frankfurter Büro von Hogan Lovells. Sie kennt beide Seiten – die des Anwalts und des Mandanten. Zuerst beriet sie Emittenten und Investmentbanken im Kapitalmarktrecht, davon mehrere Jahre als Partnerin in unserem Frankfurter Büro, bevor sie als General Counsel eines Emittenten die Mandantenseite kennenlernte. Als Kapitalmarktrechtsanwältin hat Susanne Ries schon unzählige Transaktionen begleitet: Börsengänge, alle Arten von Finanzierungen bereits börsennotierter Unternehmen am Kapitalmarkt, sei es durch die Ausgabe neuer Aktie oder Fremdkapital. Neben ihrer beratenden Tätigkeit hat sie eine Vielzahl von Publikationen zum Kapitalmarktrecht (mit-) verfasst und nimmt sich Zeit für Mandantenschulungen.

 

Mark Devlin, Hogan Lovells

© Hogan Lovells

Mark Devlin ist Counsel für Kapitalmarktrecht im Frankfurter Büro von Hogan Lovells und erfügt über umfassende Erfahrung in der Beratung von deutschen und europäischen Unternehmen und staatlichen Emittenten bei grenzüberschreitenden Transaktionen, Börsengängen, Anleiheemissionen, Kapitalerhöhungen und High Yield Bonds. Vor Hogan Lovells war er für weitere internationale Kanzleien in Frankfurt und New York tätig. Er studierte Jura in Würzburg sowie Boston und schloss seine Ausbildung 1996 ab. Seit 1997 ist er als Attorney and Counsellor at Law im US-Bundestaat New York zugelassen. Herr Devlin spricht fließend Englisch und Deutsch und verfügt über Grundkenntnisse in Französisch, Italienisch und Türkisch..

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

You may also like

Hinterlassen Sie einen Kommentar