Insgesamt ist die Emissionstätigkeit an den deutschen Börsen historisch niedrig. Doch trotz des schwierigen Kapitalmarktumfeldes zeigen sich gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) besonders aktiv und platzieren erfolgreich Aktien, um sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Dies verdanken sie auch Erleichterungen, insbesondere im Hinblick auf die Befreiung von der Prospektpflicht bei Transaktionsvolumina bis 8,0 Millionen Euro.
Vergleicht man die Sekundärmarktemissionen im ersten Halbjahr 2024 mit dem ersten Halbjahr des vergangenen Jahres, fällt die Bilanz zunächst ernüchternd aus. Die Anzahl der Transaktionen war über alle Unternehmensgrößen hinweg rückläufig. Dies geht aus dem Finanzierungsmonitor Kapitalmarkt der Quirin Privatbank für den genannten Zeitraum hervor. Nach lediglich 33 Transaktionen im ersten Halbjahr 2023 sank die Transaktionsanzahl im aktuellen Halbjahr auf 21. Die Verunsicherung seitens der Investoren wie auch Emittenten ist offenkundig weiterhin hoch.
Gesamtanzahl Kapitalerhöhungen im ersten Halbjahr 2023 / 2024 gruppiert nach Marktkapitalisierung in Mio. Euro:
Finanzierungsmonitor: KMUs können sich über den Kapitalmarkt erfolgreich finanzieren
Allerdings sind laut Finanzierungsmonitor nicht sämtliche Unternehmen verschiedener Größen im gleichen Umfang von der Zurückhaltung betroffen. So hat die Anzahl an Emittenten mit einer Marktkapitalisierung zwischen 100 und 500 Millionen Euro sowie mit mehr als 500 Millionen Euro deutlich abgenommen, die Anzahl der Emittenten mit einer Marktkapitalisierung bis 100 Millionen Euro ist jedoch gestiegen. KMUs zeigten sich somit weiterhin aktiv am deutschen Kapitalmarkt. Ungeachtet des schwierigen Marktumfelds gelang es KMUs, den Finanzierungsbedarf für Wachstum und Investitionen erfolgreich bei Investoren zu platzieren.
Transaktionsvolumen in Millionen Euro erstes Halbjahr 2023 vs. 2024
Backstop-Investoren waren Voraussetzung für erfolgreiche Finanzierungen
Der Anstieg von Backstop-Transaktionen ist signifikant. Im Bereich der Bezugsrechtsemissionen wurden rund 50% mittels Backstop-Investoren durchgeführt und somit die jeweilige Finanzierung sichergestellt. Transaktionen mit Ausschluss des Bezugsrecht lassen die Situation noch deutlicher erscheinen. Es wurden nahezu alle Transaktionen mittels Backstop-Investoren umgesetzt, welche ohne eben diese nicht hätten erfolgreich durchgeführt werden können.
Anzahl Backstop-Kapitalerhöhungen im ersten Halbjahr 2023 / 2024 laut Finanzierungsmonitor Kapitalmarkt
Zusammenfassend deuten die Daten darauf hin, dass Backstop-Investoren bei jeglicher Art der Finanzierung am Kapitalmarkt alternativlos geworden sind, um eine Finanzierungsmaßnahme in einem schwierigen Marktumfeld erfolgreich umzusetzen.
Blue-Chip-Aktien mit größtem Rückgang bei Transaktionsvolumina – Lediglich KMUs erhöhen ihre Transaktionsvolumina
Auch bei den Transaktionsvolumen gab es im ersten Halbjahr eine deutliche Verschiebung gegenüber dem Vorjahreszeitraum: Während die Transaktionsvolumina von Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung mit mehr als 100 Mio. Euro um rund 90% sanken, stiegen diese bei KMUs um 50%. Einerseits ist dies ein Indiz dafür, dass die Märkte für große Platzierungen nicht aufnahmefähig waren. Andererseits deuten unsere Daten darauf hin, dass der Zugang für KMUs Erleichterungen durch den Gesetzgeber vom Markt akzeptiert und genutzt werden.
Finanzierungsmonitor: Emittenten nutzen Ausnahme von der Prospektpflicht
So sind die bürokratischen Hürden und Anforderungen an KMU für Kapitalmarkttransaktionen in den vergangenen Jahren gesunken. Die Hälfte der Emittenten machte im ersten Halbjahr 2024 von der Ausnahme der Erstellung eines Wertpapierprospektes Gebrauch. Im Rahmen von Bezugsrechtsemissionen mit einem Volumen bis zu 8 Mio. Euro genügt die Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatt.
Prospektfreie Bezugsrechtsemissionen je Börsensegment im ersten Halbjahr 2023 / 2024
Lange nutzten Unternehmen vorrangig die klassische 10%-Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts, um die Prospektpflicht zu vermeiden. In Zeiten großer Unsicherheit seitens Investoren hat diese Ausnahmeregel allerdings einen Haken:
Höhere Kursabschläge für erfolgreiche Platzierungen
Der Kursabschlag gegenüber dem aktuellen Kurs darf im Rahmen der jeweiligen Platzierung rund fünf Prozent nicht übersteigen. Angesichts der insgesamt schlechteren Risikolage erwarten Investoren deutlich höhere Kursabschläge. Mehr als die Hälfte der Bezugsrechtsemissionen gewährte Investoren Kursabschläge von 20 bis 30 Prozent oder mehr. Allerdings gab es auch einige Unternehmen, welche lediglich Abschläge bis drei Prozent oder sogar einen Kursaufschlag durchsetzen konnten. Wobei Letztere nicht den Normalfall darstellen, doch bei der hohen Anzahl an Backstop-Transaktionen sind auch solche Rahmenbedingungen für Emittenten möglich.
Insgesamt zeigt unser Finanzierungsmonitor für das erste Halbjahr 2024, dass der Kapitalmarkt-Standort Deutschland zwar vor großen Herausforderungen steht und sich derzeit rückläufig entwickelt. Insbesondere das KMU-Segment gibt jedoch Anlass zur Hoffnung. Die KMUs nutzen zunehmend die regulatorischen Erleichterungen und passen ihre Kapitalmaßnahmen der konkreten Bedarfssituation an. Diese Flexibilität ermöglicht es ihnen sich selbst in einem herausfordernden Umfeld erfolgreich zu finanzieren. Das ist Beleg dafür, dass der deutsche Kapitalmarkt eine weiterhin wichtige wie gute Finanzierungsalternative für Unternehmen und Investoren bleibt.
Weitere Erkenntnisse, alle Details und Daten können Sie der kompletten Studie entnehmen, die Sie bei carsten.peter@quirinprivatbank.de anfordern können. Wer lieber hören möchte, wie es um Emissionen und Börsengänge am deutschen Kapitalmarkt bestellt ist, dem sei die aktuelle Folge des „Close the deal“-Podcasts mit Carsten Peter als Studiogast empfohlen.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.