Die Digitalisierung ist einer der großen, aktuell notwendigen Transformationsprozesse im Mittelstand. Dem hohen Nutzen digitaler Prozesse und Datenverarbeitung steht dabei anfangs oft ein großer Aufwand gegenüber. Doch es gibt Leuchtturmprojekte, die nicht nur aufzeigen, was im Mittelstand möglich ist, sondern auch durch clevere Ideen und Konzepte belegen, wie Unternehmen und Belegschaft davon profitieren können. Auf der Messe Digital X trafen sich die Vorreiter aus dem Mittelstand.
Diesmal stand die Digitalisierung des Mittelstands im Fokus: Die Digital X ist Europas größte branchenübergreifende Digitalisierungsinitiative. Organisiert von der Deutschen Telekom und unter Beteiligung von mehr als 300 nationalen und internationalen Partnern, kamen am 20. und 21. September mehr als 50.000 Unternehmerinnen und Unternehmer nach Köln, um sich an Veranstaltungsorten quer durch die Stadt über die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu informieren.
„Digitalisierung ist Chefsache“, sagte Telekom-Chef Tim Höttges. Bei der Umsetzung der Digitalisierung im Mittelstand stünden die Unternehmer in der Pflicht. Sie müssten, so sagte Höttges Berichten zufolge, „als Ackergaul vorleben, was wirklich zählt – und nicht als Showpferd zeigen, wie toll sie sind.“ Vier solcher „Ackergäule“ wurden auf der Digital X von Bundesverkehrs- und Digitalminister Volker Wissing als digitale Leuchtturmprojekte ausgezeichnet. Wissing betonte, dass viele Mittelständler den digitalen Wandel vorantrieben und die damit verbundenen Chancen nutzten: „Der Digital X Award zeigt – und würdigt – den Ideenreichtum und das Engagement dieser Mittelständler. Sie sind Vorbilder, die andere inspirieren.“ Die Preisträger wurden von einer unabhängigen Jury in Beratung mit der Universität St. Gallen und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne ausgewählt.
Mehr Digitalisierung, mehr KI im Mittelstand
In diesem Jahr hatten sich mit einem Plus von 50 Prozent deutlich mehr Unternehmen um die Auszeichnung beworben als im Vorjahr. Immer mehr mittelständischen Betrieben wird die Bedeutung der Digitalisierung auch im Hinblick auf den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) bewusst. Anna Maria Martini, KI-Expertin bei Google Cloud sieht die Unternehmen an einem Wendepunkt. KI schaffe die Grundlage für unsere Zukunft, sagte sie. „96 Prozent rechnen damit, dass sie den künftigen Erfolg des Unternehmens bestimmt.“ Hagen Rickmann, Geschäftsführer bei der Deutschen Telekom für das B2B-Geschäft, sieht aber auch noch viel Skepsis: „So sprechen immer noch 46 Prozent der Unternehmen mehr über die Risiken als über den Nutzen von Digitalisierung.“
Die Leuchtturmprojekte aus dem Mittelstand sollen somit Mut machen, die notwendigen Digitalisierungsschritte beherzt anzugehen. Der Chef des US-Softwarespezialisten DocuSign rät insbesondere dazu, nicht gleich das ganz große Rad zu drehen. Vielmehr empfiehlt er, klein anzufangen. Das brächte schnelle Erfolge und motiviere weiterzumachen.
KMU-Digitalisierung: Vom Arbeitszeitmodell bis zur Daten- und Maschinenüberwachung
Die vier Preisträger haben somit allesamt Vorbildcharakter in ganz unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Für Begeisterung sorgte beispielsweise das digitale Arbeitszeitmodell des Bauunternehmens Augel GmbH. Dank digitaler Gleitzeit- und Lebensarbeitszeitkonten können die rund 100 Mitarbeitenden Zeit und Ort ihrer Arbeitseinsätze relativ frei gestalten und bei Bedarf ihr Lebensarbeitszeitkonto für zusätzliche Freizeit nutzen. Diese große Flexibilität kommt bei allen Mitarbeitenden und auch Bewerbern hervorragend an: Augel konnte bereits viele junge Menschen neu einstellen. Ältere Beschäftigte nutzen das Modell, um über das Rentenalter hinaus zumindest in Teilzeit noch weiterzuarbeiten.
Ein weiterer Preisträger war das „digitale Ökosystem“ der imes-icore GmbH, die bei digitalen CAD/CAM-Produktionssystemen in der Zahnmedizin eine weltweit führende Marktposition inne hat. Um die Bedürfnisse der Kunden und Händler besser zu verstehen, werden in diesem digitalen Ökosystem namens Dental Smart Market (DSM) Maschinensysteme, Vertriebs- sowie Serviceprozesse teilweise sogar in Echtzeit digital abgebildet, beispielsweise um die Nutzung der imes-icore-Systeme durch den Kunden genauer zu analysieren. Zudem werden Zahntechniker und -ärzte, Händler, Servicepartner und Patienten durch DSM mit imes icore und untereinander vernetzt. Durch diese Art der Digitalisierung erfolgen nun Vertrieb und Service gezielter, so dass die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit erhöht werden konnten.
Das Universitätsklinikum Bonn wurde für seine besonders sichere Digitalisierungslösung ausgezeichnet. Das Projekt „Innovative Secure Medical Campus UKB“ sichert ganzheitlich die sensiblen Gesundheitsdaten sowie die in der Klinik genutzten Technologien wie 5G, KI-Anwendungen, Augmented Reality und OP-Robotik vor Angriffen von außen. Sicherheitsrelevante Vorfälle identifiziert das System automatisch und sorgt für entsprechende Gegenmaßnahmen. Zugleich dient das System auch der Prozessoptimierung und der Präzisionsmedizin. Damit ist die Klinik zukunftsfest aufgestellt.
Bei der Digitalisierung im Mittelstand gilt: Hauptsache anfangen
Einen Sonderpreis bekam der bekannte Hersteller von Computertastaturen und Hardware-Zubehör Cherry SE für sein überzeugendes Konzept zum nachhaltigen Wirtschaften in den ESG-Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – inklusive konkreter Meilensteine und Umsetzungspläne. Im „Cherry House of ESG“ werden Fortschritte digital erfasst und übersichtlich dokumentiert. Diese digitalisierte Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele hat die Jury überzeugt.
Es gibt sie also, die digitalen Vorreiter im Mittelstand, die bereits erhebliche Vorteile aus ihren Digitalisierungsprojekten ziehen. Viele der auf der Digital X vorgestellten Projekte eigenen sich zur Nachahmung. Tim Höttges forderte die kleinen und mittelständischen Unternehmen daher dazu auf, Digital-Projekte oder den Einsatz von KI einfach mal auszuprobieren und Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. „Wichtig ist, dass man mit Mut Dinge ausprobiert“, sagte er auf der Konferenz. „Dabei Fehler zu machen, ist nicht schlimm. Nichts zu tun, ist viel schlimmer.“
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.