Basel IV wird die Eigenkapitalanforderungen an die Banken weiter verschärfen. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen dürfte es schwieriger werden, Kredite zu attraktiven Konditionen zu erhalten. So soll der sogenannte Mittelstandsfaktor gestrichen werden, in dem bislang die besondere Bedeutung des europäischen Mittelstands berücksichtigt worden ist. Warum mittelständische Unternehmen sich spätestens jetzt Gedanken über alternative Finanzierungsmethoden machen sollten.
Basel IV ist inzwischen beinahe ein Schreckgespenst geworden: Die drohende Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen gerade bei Mittelstandskrediten könnte Banken und Unternehmen, ja sogar die gesamte Wirtschaft teuer zu stehen kommen – und das nicht nur in Deutschland. Kleinen und mittleren Unternehmen droht ein dauerhaftes Versiegen des Mittelzuflusses.
Mit dem Beginn der heißen Digitalisierungs-Phase, einer Aufbruchszeit, in der sich entscheidet, welche Unternehmen heil in die Zukunft kommen, erreichen die Neuregelungen den Markt zur Unzeit. Zwar sind die grundlegenden neuen Regeln des Baseler Ausschusses seit Ende 2017 bekannt, Anfang 2020 sollen sie nun aber auf EU-Ebene in einen Gesetzentwurf gegossen werden. Zwar hat die EU erfahrungsgemäß hierbei einigen Gestaltungsspielraum, doch sieht es momentan nicht danach aus, dass die EU diesen nutzt, um den „Mittelstandsfaktor“ zu erhalten, der für bessere KMU-Kreditbedingungen sorgt.
Basel IV: Spätestens 2022 wird es ernst
Sollte er tatsächlich fallen, könnte es am Kreditmarkt schon bald unruhiger werden. Denn die Regeln werden wohl bis spätestens 2022 umgesetzt. Wer also die Nasenspitze vorn haben will, sollte sich schon über alternative Finanzierungsstrategien Gedanken machen. Um sich vom Kreditmarkt dauerhaft unabhängiger zu machen, bietet sich etwa ein Börsengang an – oder die Emission einer Anleihe.
Was aber ist nun genau das Problem? Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat neue Regeln für die Eigenkapitalbasis der Geldhäuser aufgestellt. Sie selbst bezeichnen diese als Ausgestaltung der Vereinbarung „Basel III“, aufgrund ihres einschneidenden Charakters werden sie jedoch oft „Basel IV“ genannt. Diese Vereinbarungen sind nicht rechtlich bindend, finden aber in der Regel relativ direkten Eingang in die europäische Gesetzgebung zur Bankenkontrolle.
Die Kurzerklärung für Profis: Basel IV zieht einen Output-Floor von 72,5 Prozent für die interne Risikogewichtung ein. Was bedeutet das genau? Banken müssen im Verhältnis zu ihrer Bilanz eine gewisse Menge an Eigenkapital vorhalten, um Risiken durch ausfallende Kredite und Anleihen ausgleichen zu können. Die Kredite gehen jedoch nicht in voller Höhe in die Bilanz ein, sondern nach einer Risikogewichtung. Staatsanleihen gelten als sehr sicher und werden daher nur gering gewichtet, Kredite für Start-ups beispielsweise werden stärker in der Bilanz berücksichtigt. Für die Risikogewichtung gibt es zwei Optionen: Die Standard-Rechnung oder eine individuelle Berechnung der Banken. Und eben diese bekommt nun den „Output-Floor“: Die interne Risikogewichtung der Banken soll künftig nicht mehr unter 72,5 Prozent des Standardwerts liegen.
Geringere Eigenverantwortung der Banken
Das wird wohl gerade bei größeren Banken zu teureren Krediten führen, nutzen diese doch häufiger die interne Berechnung. Diese schmerzhafte Vereinheitlichung dürfte von den Aufsichtsbehörden durchaus gewollt sein, eine kurzfristige Belastung der Wirtschaft zugunsten erhöhter Stabilität ist hier nichts Ungewöhnliches. Die Bankenaufseher beschneiden damit zwar die Eigenverantwortung der Geldhäuser, nehmen ihnen aber auch weitere Möglichkeiten, die eigene Bilanz „schönzurechnen“. Das hemmt das Wachstum, kann aber auch einer ungesunden Blasenbildung entgegenwirken.
Mittelständische Unternehmen hingegen erhalten ihre Kredite häufig auch von kleineren Geldhäusern. Doch auch diese dürften nach Basel IV teurer werden. Denn bisher ist in der Neuregelung nicht geplant, den sogenannten „Mittelstandsfaktor“ zu erhalten, der bisher angewandt wird. Dieser senkt die Eigenkapital-Voraussetzungen für kleine und mittlere Unternehmen bei der Kreditvergabe. Das hatte sich bisher gut bewährt. Zwar erhöht sich durch die Senkung der Kreditschwelle das Ausfallrisiko für die Banken. Es erhöht sich aber auch die Streuung der Kredite über viele Kreditnehmer, was das Ausfallrisiko insgesamt verringert.
Steigende Kreditkosten
Wenn dieser Faktor nun wegfällt, erhöht sich die Risikogewichtung von Mittelstandskrediten. Sie fließen dadurch viel stärker in die Bilanz der kleineren Banken ein, wodurch deren Eigenkapitalquote sinkt. Um das auszugleichen, sind sie gefordert, weniger Kredite von geringerem Risiko vergeben – die Finanzierungskosten für die Unternehmen steigen. Ganz abgesehen davon, dass es kleineren Banken Ermessensspielräume nimmt. Dabei wissen diese Spezialisten oft sehr genau, wie sie andere Faktoren neben dem Eigenkapital bei der Krediterteilung gewichten sollten: Innovation, eine gute Idee, unternehmerisches Geschick, die Leistungsfähigkeit einer Region, die sich neu erfinden will. Das alles lässt sich nicht in Gesetze gießen.
Wer in der Unruhe, die den Kreditmarkt schon bald erfassen dürfte, nicht untergehen will, sollte sich daher nicht nur nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten umschauen, sondern auch nach einem Partner, der weiß, wie mittelständische Unternehmen „ticken“ und dafür ein offenes Ohr hat – auch für ungewöhnliche, gute Ideen.