Anders als die Großunternehmen kommt der Mittelstand unbeschadet durch die Herbststürme des Oktobers. Das Geschäftsklima bleibt gut, doch der Fachkräftemangel wird immer mehr zum Bremsklotz. Darauf, dass die Politik das Problem beseitigt, sollten KMU nicht setzen.
Der Mittelstand brummt. Wie das jüngst veröffentliche KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt, haben die KMU einen goldenen Oktober hinter sich. Die ohnehin schon exzellente Geschäftslage verbesserte sich noch einmal, die Geschäftserwartungen trübten sich nur leicht ein. Insgesamt bleibt das Geschäftsklima mittelständischer Unternehmen auf hohem Niveau stabil.
Die heimischen Großunternehmen können von solch einer Stimmung derzeit nur träumen. Nicht nur der Ifo-Geschäftsklimaindex ging zuletzt in die Knie, auch die Konjunkturerwartungen des ZEW rutschten auf das tiefste Niveau seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016. Die globalen Unsicherheiten wie der internationale Handelsstreit, der Konfrontationskurs der italienischen Regierung und die Gefahr eines harten Brexits scheinen der ersten Wirtschaftsreihe stärker auf den Magen zu schlagen als den kleineren Branchenvertretern.
Fachkräftemangel: Nicht jammern, handeln
Einmal mehr zeigt sich: Der Mittelstand kann getrost als Stabilitätsanker des Aufschwungs bezeichnet werden. Da kommt einem das Bild der Insel der Glückseligen in den Sinn, fernab von den Stürmen, die sich in Politik und Weltwirtschaft auftun. Doch darf die Stärke der KMU über eines nicht hinwegtäuschen: Wettbewerbsfähig ist nur der, der sich für die Zukunft wappnet. Und da gibt es einen Faktor, der immer stärker zur Belastung wird – die Suche nach geeigneten Fachkräften.
Jedes zweite KMU rechnet mit Schwierigkeiten bei Bewerbersuche
Wie kritisch die Lage ist, zeigt eine jüngst veröffentlichte Analyse der staatlichen Förderbank KfW. In der Umfrage gaben zwar zwei Drittel aller Betriebe an, in den nächsten drei Jahren ihr Personal ausbauen zu wollen. Allerdings rechnen 65 Prozent mit Problemen bei der Personalgewinnung. Dies bedeutet, dass die Stellen nur mit Abstrichen, verzögert oder überhaupt nicht besetzt werden können. Damit hat sich Lage gegenüber der letzten Datenerhebung aus dem Jahre 2014, als 57 Prozent der Befragten mit Schwierigkeiten rechneten, noch einmal verschärft. Schon jetzt können viele Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten wegen unbesetzter Stellen nicht in dem Maße ausweiten, wie sie dies gerne würden. Ein echter Bremsklotz für die Konjunktur.
Von einem allgemeinen oder flächendeckenden Fachkräftemangel wollen die Experten zwar noch nicht sprechen; doch je nach Sektor und Region ist die Not schon jetzt groß. Facharbeiter und Akademiker dürften etwa in der Logistik, der Baubranche und dem Handwerk, der Pflege und Energietechnik, aber auch bei Software-Entwicklern, Mechatronikern und dem MINT-Bereich mit offenen Armen empfangen werden.
Wenig Mut macht vor allem, dass keine Besserung in Sicht ist, im Gegenteil. Angesichts des demographischen Wandels dürfte sich die Situation langfristig sogar noch verschärfen. Bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts wird sich die geburtenstarke Baby-Boomer-Generation in die Rente verabschiedet haben, spätestens dann kann man von einem strukturellen Mangel sprechen.
Rente mit 63, Brückenteilzeit und Lehrermangel: So wird das nichts!
Sicherlich: Mit den richtigen Weichenstellungen könnte die Politik dazu beitragen, die Situation zu entschärfen. Doch KMU, die ihre Zukunft nicht auf´s Spiel setzen möchten, sollten darauf nicht vertrauen. Die Bundesregierung scheint sich der Problematik des Fachkräftemangels zwar bewusst, spricht von einem „bedeutenden Risiko“ für die deutsche Wirtschaft. Doch es muss mehr kommen, deutlich mehr. So braucht Deutschland etwa eine gezielte Einwanderungspolitik sowohl aus EU-Ländern als auch aus Drittstaaten. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften hat den heimischen Arbeitsmarkt nahezu leergefegt, es ist die Kehrseite des Job-Booms mit seiner Rekordzahl an Erwerbstätigen. Ohne Zuwanderung qualifizierter Kräfte ist die Lücke wohl kaum zu schließen.
Auch ältere Arbeitnehmer – vorausgesetzt, sie haben nicht körperlich gearbeitet – sollten eher dazu motiviert werden, länger zu arbeiten. Stattdessen können Versicherte seit Juli 2014 mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Damit gehen den Unternehmen genau die Fachkräfte verloren, die sie so dringend benötigen. Auch das jüngst beschlossene Gesetz zur Brückenteilzeit dürften zahlreiche mittelständische Unternehmen wohl kaum als Bereicherung empfinden, haben Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen nun doch einen Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren reduzieren zu dürfen.
Und: Um den Fachkräftemangel nachhaltig zu beseitigen, müssen vor allem auch jüngere Menschen in die Berufswelt integriert werden. Am ehesten gelingt dies mit einer Bildungsoffensive. Doch die Realität zeichnet ein ganz anderes Bild. Obwohl schon seit einer gefühlten Ewigkeit bekannt ist, dass Bildung die Basis für Wachstum, Wohlstand und den sozialen Frieden ist, leidet Deutschland unter einem dramatischen Lehrermangel. Was für ein Armutszeugnis!
Fachkräftemangel: Mittelständler müssen Initiative ergreifen
Auf der anderen Seite ist es doch zu kurz gedacht, die Schuld an der aktuellen Misere ausschließlich bei den anderen zu suchen. Mittelständische Unternehmen haben es auch selbst in der Hand, Fachkräfte für ihre Firma zu begeistern – und somit die Zukunft ihres Unternehmens zu sichern.
Nachfolgende Maßnahmen könnten helfen, das Fachkräfteproblem in den Griff zu bekommen. Zwar wird auch dann nicht die Zahl der Bewerber über Nacht in die Höhe schnellen oder sich der Fachkräftemangel von heute auf morgen in Luft auflösen, doch auf lange Sicht macht es sich bezahlt, wenn…
- Unternehmen es verstehen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren (Employer Branding)
- der Internetauftritt eigene Karriere-Seiten umfasst – und darüber hinaus Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn genutzt werden
- Bewerber aus anderen Regionen bei der Wohnungssuche oder der Kinderbetreuung unterstützt werden
- Unternehmen ihre Auszubildenden als Ausbildungsbotschafter einsetzen
- Firmen ihre Mitarbeiter durch interne Weiterbildungsmaßnahmen fortbilden und realistische Aufstiegschancen aufzeigen
- KMU ihre naturgegebenen Vorteile wie familiäre Atmosphäre, flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege offensiver vermarkten
- Unternehmen neben einem angemessenen Gehalt noch zusätzliche Leistungen wie ein Firmenfahrrad und Zuschüsse für Krankenzusatzversicherungen oder Kindergartengebühren bieten
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.
2 Kommentare
Der Mittelstand ist vom Fachkräftemangel schwer betroffen. Die Kluft wächst. Die Klugen werden immer klüger, und die Dummen werden immer dümmer.
In der Tat, genügend Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu gewinnen, ist derzeit eine der größten Herausforderungen für den Mittelstand. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, bedarf es des Zusammenspiels mehrerer Akteure aus Politik, Wirtschaft und Bildung. Aber auch die Mittelständler müssen aktiver werden und neue Wege gehen (Stichwort Employer Branding), um geeignetes Personal zu gewinnen.