Ein Börsengang gleicht in vielerlei Hinsicht der Produktion eines Kinofilms. Und so wie ein Film ohne gutes Drehbuch zum Scheitern verurteilt ist, benötigt auch ein Initial Going Public (IPO) an der Börse eine fesselnde Geschichte: die Equity Story. Hier erklären wir, welche Elemente eine gute Equity Story benötigt, um Investoren in ihren Bann zu schlagen.
Mit der Pressemitteilung, der „Intention to float“ oder kurz „ITF“, werden die Kameras im Kinosaal unmissverständlich eingeschaltet, die Vorführung beginnt, und ein Unternehmen verlässt abschließend die eigene Komfortzone. Ab sofort weiß buchstäblich jeder, dass eine Firma an die Börse geht. Da die Anzahl solcher Transaktionen in Deutschland seit den Tagen des Neuen Markts doch stark begrenzt ist, kann die Garantie ausgesprochen werden, dass die Firma im Rampenlicht steht. Ab sofort nehmen Medienvertreter publizistisch das Unterfangen unter die Lupe. Diese Situation ist für viele Unternehmer eine sehr einschneidende, denn – für einen erfolgreichen Blockbuster – benötigt ein Börsengang wie ein Film ohne Frage eine positive Medienberichterstattung.
Es geht nicht nur – wie aus dem klassischen Kreditgeschäft bekannt – darum, eine Serie von formalen Anforderungen zu erfüllen – wie etwa Corporate Governance oder eine transparente Finanzstruktur. Der wahre Schlüssel zum Erfolg liegt in der Equity Story gepaart mit einer stimmigen Mittelverwendung. Das Unternehmen braucht also eine Geschichte, die Investoren nicht nur Zahlen und Fakten präsentiert, sondern vor allem das Wesen und das Potenzial des Unternehmens auf eine Art und Weise vermittelt, die das Vertrauen in die zukünftige Entwicklung und eine ebensolch stimmige Verwendung der einzuwerbenden Mittel weckt. Doch wie entwickelt man eine solche Equity Story, die sowohl authentisch als auch überzeugend ist?
Was ist eine Equity Story?
Die Equity Story ist mehr als nur eine Sammlung von Geschäftszahlen und Strategiepapieren. Sie ist die Geschichte des Unternehmens, der Kern der Unternehmung, das, wofür das Unternehmen steht, was es im Inneren ausmacht. Sie hilft den potenziellen Investoren, das Unternehmen nicht nur zu verstehen, sondern eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Investoren möchten wissen: Warum sollten sie ihr Kapital in dieses Unternehmen investieren? Was hebt es von der Konkurrenz ab? Welche Chancen und Risiken existieren, und vor allem: Wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus? Es handelt sich dabei also um die Zusammenfassung der Stärken, der Zukunftsaussichten und des Potenzials des Unternehmens, die das Vertrauen und Interesse von Investoren gewinnen soll – sowohl aus finanzieller als auch aus strategischer Perspektive.
Was macht eine gute Equity Story aus?
Eine gute Equity Story ist authentisch, klar, überzeugend und differenziert. Sie beantwortet alle Fragen der Investoren und stellt das Unternehmen in einem positiven Licht dar, ohne dabei unrealistische Erwartungen zu wecken. Zudem muss sie:
- Kohärent und logisch sein – Die Story muss durchgehend stimmig sein, das heißt, dass alle Teile des Unternehmens (Strategie, Marktpositionierung, Finanzen, Wachstumspotenzial) miteinander in Einklang stehen und sich gegenseitig unterstützen.
- Eindeutige Differenzierung – Sie muss klar herausstellen, was das Unternehmen von anderen Wettbewerbern unterscheidet. Es geht darum, Alleinstellungsmerkmale („USPs“) zu benennen und zu erklären, wie sich das Unternehmen von anderen Marktteilnehmern abhebt.
- Fokus auf Zukunft und Wachstum – Eine gute Equity Story stellt nicht nur die aktuelle Situation dar, sondern geht vor allem auf die zukünftigen Chancen und das Wachstumspotenzial des Unternehmens ein. Investoren möchten wissen, wie das Unternehmen in den nächsten Jahren expandieren wird.
- Glaubwürdigkeit – Die Story muss durch glaubwürdige Zahlen, Prognosen und Marktanalysen untermauert werden. Sie darf nicht übertrieben wirken, sondern muss auf soliden Fundamenten basieren.
- Einfache Verständlichkeit – Die Story sollte so formuliert sein, dass sie auf den Punkt gebracht wird und auch für Investoren aus anderen Branchen oder mit wenig tiefem Fachwissen verständlich ist. Komplexe technische Details oder interne Prozesse sollten vermieden oder einfach erklärt werden.
- Einbindung von Risiken – Eine glaubwürdige Equity Story spricht nicht nur die Chancen an, sondern geht auch auf die potenziellen Risiken ein. Hierbei geht es nicht um eine negative Darstellung, sondern darum, wie das Unternehmen die Risiken zu managen gedenkt.
Schlüsselelemente einer Equity Story
Eine Equity Story ist eine umfassende Präsentation des Unternehmens, die verschiedene Schlüsselelemente umfassen muss, um das Interesse von Investoren zu wecken:
- Das Geschäftsmodell und die Strategie:
- Worum geht es im Unternehmen? Investoren wollen verstehen, wie das Unternehmen Geld verdient und was das Alleinstellungsmerkmal (USP) ist.
- Welche strategischen Ziele verfolgt das Unternehmen? Gibt es eine klar definierte Vision und eine plausible Wachstumsstrategie?
- Marktpositionierung und Wettbewerbsvorteile:
- Wo steht das Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb? Welche Marktstellung hat es? Wie differenziert es sich von anderen Anbietern?
- Was sind die Wachstumsperspektiven im jeweiligen Markt? Gibt es Markttrends oder zukunftsweisende Technologien, die das Unternehmen besonders gut positionieren?
- Finanzielle Perspektive:
- Welche Finanzkennzahlen sind wichtig? Hier geht es um Umsatzentwicklung, Gewinnmargen, Kapitalstruktur und Ertragskraft.
- Eine solide finanzielle Basis mit einem realistischen und langfristigen Wachstumsplan sollte erkennbar sein.
- Welche Investitionsziele sollen mit dem Börsengang erreicht werden? Wird frisches Kapital für Wachstum, Forschung und Entwicklung oder für die Reduzierung von Schulden benötigt?
- Risiken und Herausforderungen:
- Transparenz über Risiken ist wichtig. Eine gute Equity Story schätzt Risiken realistisch ein und bietet Lösungen oder Strategien, wie das Unternehmen mit diesen Herausforderungen umgehen will.
- Risiken können sowohl marktbedingte Risiken als auch technologische, rechtliche oder betriebliche Risiken umfassen.
- Management und Führung:
- Wer steht hinter dem Unternehmen? Investoren wollen wissen, dass das Managementteam über die notwendige Erfahrung und Kompetenz verfügt, um das Unternehmen zum Erfolg zu führen.
- Der Führungshorizont und die Vision des Managements müssen klar und überzeugend kommuniziert werden.
- Wachstumsperspektiven und Skalierbarkeit:
- Investoren interessieren sich besonders dafür, ob das Unternehmen in der Lage ist, skalierbar zu wachsen. Welche Märkte kann das Unternehmen in Zukunft erschließen, und wie plant es, neue Umsatzquellen zu aktivieren?
- Gibt es Strategien zur Internationalisierung oder zum Markteintritt in neue Segmente?
- Emissionserlös und Verwendung der Mittel:
- Welche Mittel werden durch den Börsengang oder die Aktienemission aufgenommen, und wie sollen diese eingesetzt werden? Dies könnte Wachstumsinvestitionen, Forschung und Entwicklung, oder auch Schuldenreduzierung betreffen (s. Finanzielle Perspektive).
Eine gute Equity Story ist also der Schlüssel, um potenzielle Investoren vom eigenen Unternehmen zu überzeugen. Sie muss nicht nur die aktuellen Stärken und Wachstumschancen des Unternehmens darstellen, sondern auch eine klare Vision der Zukunft und einen überzeugenden Plan zur Erreichung dieser Ziele präsentieren. Die Herausforderung liegt darin, diese Geschichte authentisch, klar und überzeugend zu erzählen und sicherzustellen, dass sie in den Augen der Investoren Glaubwürdigkeit und Potenzial ausstrahlt.
Die Tücken der Praxis: Der Weg zur Equity Story
Die Theorie klingt klar, aber in der Praxis gibt es zahlreiche Herausforderungen, die Unternehmer bei der Entwicklung ihrer Equity Story bewältigen müssen. Eine der größten Hürden ist die transparente Kommunikation des Unternehmens und seiner Strategie – und das auf eine Weise, die von den Investoren wirklich verstanden wird.
- Die Unsicherheit vor der Bühne: Licht aus, Spot an
Für viele Unternehmer ist der Schritt an die Börse ein einmaliges Erlebnis. Sie haben in der Vergangenheit vielleicht erfolgreich mit ihrer Marke und ihrem Produkt überzeugt, aber die Börse ist eine andere Welt. Jetzt müssen sie ihre Geschichte nicht nur dem Markt, sondern auch den begleitenden Investmentbanken und den Investoren präsentieren – oft eine ganz andere Art der Kommunikation.
Die Equity Story ist das Drehbuch für diese Geschichte. Es geht nicht nur darum, das Unternehmen gut darzustellen, sondern auch überzeugende Argumente zu liefern. Unternehmer müssen ihre Vision und ihre Strategie klar und prägnant formulieren – und das in einer Weise, die auch außerhalb der eigenen Branche verstanden wird. Denn der Investor ist keine Fachperson des Unternehmens, er will das Potenzial in wenigen Sätzen begreifen.
- Die Herausforderung der Transparenz: Risiko versus Chance
Ein entscheidender Punkt auf dem Weg zur Börse ist die vollständige Offenlegung von Risiken. Unternehmer neigen dazu, Risiken zu minimieren oder nicht sofort zu kommunizieren. Doch eine glaubwürdige Equity Story muss auch die Herausforderungen ansprechen.
Gleichzeitig geht es darum, die Chancen klar zu kommunizieren. Eine der größten Tücken besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen der Darstellung der Risiken und der Betonung der Wachstumschancen zu finden. Investorensicht bedeutet hier: Welches Risiko bin ich bereit einzugehen, und welche Rendite kann ich dafür erwarten?
- Der Dreh des Managements: Wer ist der „Hauptdarsteller“?
Das Management muss sich darauf vorbereiten, seine Equity Story zu präsentieren. Es ist wie in einer Filmproduktion, in der nun das Management als „Hauptdarsteller“ vor der Kamera steht. Dabei ist nicht nur die Persönlichkeit des Unternehmers gefragt, sondern auch, wie das Unternehmen seine Strategie und die Zukunftsaussichten vermittelt.
Die Trainingseinheiten für das Management sind entscheidend. Es reicht nicht aus, die Fakten einfach auswendig zu lernen – das Management muss lernen, wie man klar, selbstbewusst und prägnant auf die wichtigsten Fragen der Investoren antwortet. Digitale Präsentationstechniken und der Umgang mit Medienvertretern werden zu zentralen Bausteinen, um die Story überzeugend zu vermitteln.
- Der Investor: Wie trifft er seine Entscheidung?
Am Ende sind es die Investoren, die entscheiden, ob sie Kapital in das Unternehmen investieren oder nicht. Die Herausforderung für den Unternehmer besteht darin, die Einzigartigkeit des Unternehmens so zu präsentieren, dass der Investor innerhalb kürzester Zeit versteht, warum dieses Unternehmen eine lohnenswerte Investition darstellt.
Es geht nicht darum, alle Details zu erklären, sondern die Quintessenz der Equity Story zu vermitteln. Was macht das Unternehmen besonders? Was sind die größten Chancen? Warum ist es jetzt der richtige Zeitpunkt, zu investieren? Die Antwort auf diese Fragen muss schnell und prägnant geliefert werden.
Fazit: Der Wert eines gut erzählten Drehbuchs für ein IPO
Kurzum gesagt: Will ein Börsenkandidat Geld von fremden Leuten, muss sich das Unternehmen im Klaren sein, dass diese, genauso wie Vertreter der Medien, nicht auf diese spezifische Anlagemöglichkeit gewartet haben. Es gilt hier daher wie bei einer klassischen Beziehungskomödie eine Anbahnung herbeizuführen. Es muss in einer sehr kurzen Zeitphase gelingen, dem Investor / Medienvertreter über die Equity Story, die handelnden Personen und das Zahlenwerk des Unternehmens so den Hof zu machen, dass dieser den Börsenkandidaten mag und sich auf ein erstes Date einlässt und das Essen (die Aktie) auch bezahlt. Der Schlüssel zum Erfolg: die Equity Story. Sie muss sowohl strategisch fundiert als auch emotional ansprechend sein, um das Vertrauen der Investoren zu gewinnen. Der Unterschied zwischen einem Blockbuster und einem Flop – und der damit verbundene Wert, den diese Geschichte für den Unternehmer hat – ist enorm.
Es geht darum, eine authentische Geschichte zu erzählen, die nicht nur die Potenziale, sondern auch die Herausforderungen klar benennt. Mit der richtigen Vorbereitung und einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Investoren sowie der Auswahl eines professionellen „Filmteams“ lässt sich der Weg an die Börse erfolgreich beschreiten.
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