Das Rettungskonzept für den angeschlagenen Batteriehersteller Varta hat Anleger und Aktionärsschützer empört, weil Inhaber von Varta-Aktien leer ausgehen sollen. Solche „Rettungen“ sollte der Gesetzgeber für die Zukunft verhindern.
Jedes Aktiengeschäft kann zum Totalverlust führen. Denn ein Aktienkurs kann im Extremfall auf null fallen. Normalerweise passiert das, wenn ein Unternehmen in die Insolvenz rutscht und abgewickelt wird. Doch im Fall der Varta-Aktie war es anders. Das Unternehmen war aus verschiedenen Gründen in Schieflage geraten und will sich nun selbst retten. Normalerweise wäre das für Aktionäre, die ohnehin schon dramatische Kursverluste mit der Varta-Aktie erlitten haben, eine gute Nachricht. Gelingt die Rettung, würde sich der Kurs der Varta-Aktie, die seit Jahresbeginn mehr als 90 Prozent ihres Wertes einbüßte, schnell wieder erholen und die Verluste der Anleger damit deutlich schrumpfen. Doch bei Varta sollen die freien Aktionäre ihre Varta-Aktien schon vorher komplett abschreiben.
Das Sanierungskonzept, so wie es nun an die Öffentlichkeit gelangt ist, sieht vor allem zwei zentrale Maßnahmen vor, um das Unternehmen wieder zahlungsfähig zu bekommen. Ein Schuldenschnitt mitsamt Kreditverlängerung soll die Schuldenlast von 500 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro drücken. Außerdem soll das Grundkapital von Varta auf null herabgesetzt werden. Was wie ein bilanzieller Kniff klingt, ist für Aktionäre eine Katastrophe: Damit werden die sich in Umlauf befindenden Varta-Aktien auf einen Schlag wertlos und die Börsennotierung wird eingestellt.
Varta-Aktionäre werden beim Rettungskonzept ignoriert
Aktuell notiert die Varta-Aktie noch bei 1,71 Euro, die Marktkapitalisierung liegt bei knapp 79 Millionen Euro. Da Aktien einen Anteil am Grundkapital verbriefen, werden diese 79 Millionen ohne Not durch Streichung des Grundkapitals vernichtet. Die Aktionäre erhalten keine Kompensation, wenn das Unternehmen seine Aktien von der Börse nimmt. Viele Kommentatoren und Berichterstatter sprechen deshalb auch von einer kalten Enteignung der Aktionäre.
Sicher ist der Fall Varta in gewisser Hinsicht speziell, weil der bisherige Mehrheitsaktionär Michael Tojner das Unternehmen zwar mit eigenem Geld, dem Einstieg des neuen Investors Porsche und einer Kapitalerhöhung retten will, den Streubesitzaktionären aber kein Bezugsrecht für die Aktien aus der Kapitalerhöhung einräumen will. Aber das dies überhaupt möglich ist, hat der Gesetzgeber zu verantworten. Denn Varta beruft sich auf das StaRUG, das Unternehmensstabilisierungs- und -Restrukturierungsgesetz, das seit 2021 gilt. Das Gesetz soll es Unternehmen in der Krise ermöglichen, sich aus eigener Kraft zu stabilisieren, bevor es in die Insolvenz schlittert.
Das StaRUG ermöglicht einen finanziellen Neustart des Unternehmen, um Arbeitsplätze zu sichern, und muss beim Amtsgericht angezeigt werden. Voraussetzung für das StaRUG-Verfahren ist ein detaillierter Sanierungsplan. Dabei werden im StaRUG-Verfahren auch Gläubigerinteressen berücksichtigt. Auf ihre Aktionäre müssen die Unternehmen dann aber keine Rücksicht mehr nehmen. Sie können ihre Aktien bzw. ihr investiertes Geld verlieren, ohne dass sie irgendetwas dagegen unternehmen können.
Aktionäre brauchen ein Stimmrecht
Zwar gelten Aktien als riskantes Investment, bei dem auch Totalverlust drohen kann. In der Praxis haben Anleger jedoch in den allermeisten Fällen Zeit, sich von einer Unternehmenskrise ein genaueres Bild zu machen und dann zu entscheiden, ob sie ihre Aktien verkaufen wollen oder nicht. Gerät ein Unternehmen in Schwierigkeiten, zeigt sich das früher oder später an fallenden Kursen. Aktionäre können dann mit Verlust verkaufen. Oder sie haben berechtigte Hoffnung auf ein Comeback des Unternehmens und setzen auf einen Kursanstieg nach Überwindung der Krise, um die Aktien dann später teurer zu verkaufen. Dazu müssten sie nur die Krise aussitzen.
So bekämen sie wenigstens einen Teil ihres investierten Kapitals zurück. Kommt es aber zum Kapitalschnitt, also der Streichung verbrieften Grundkapitals, wird die Aktie wertlos und verschwindet einfach. Laut StaRUG können die Anleger nichts dagegen tun. Im Fall der Varta-Aktie trifft dies die Hälfte aller Aktien, überwiegend in der Hand von Privatanlegern. Mehrheitsaktionär Michael Tojner sichert sich hingegen die Hälfte an der Varta AG für rund 30 Millionen Euro. Völlig zu Recht haben die Aktionärsschützer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), das Beratungshaus One Square Advisors und namhafte Anwaltskanzleien rechtliche Schritte gegen den Varta-Sanierungsplan angekündigt – im Namen von Tausenden Aktionären.
Genau das müsste sich am StaRUG ändern: Aktionärsinteressen müssten gehört und berücksichtigt werden, gegen ihr Veto sollte kein Kapitalschnitt möglich sein. Das StaRUG ermöglicht dem Management jedoch auch harte Entscheidungen im Sinne der Mitarbeiter und Gläubiger ohne Einbeziehung der Aktionäre. Es leuchtet nicht ein, warum Aktionärsinteressen weniger bedeutend sein sollen als Gläubigerinteressen.
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