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Die Rolle des Aktienanalysten im Rahmen eines IPO-Prozesses

von Lieselotte Hasselhoff
Der Analystenbericht zum IPO ist ein wichtiger Baustein für einen erfolgreichen Börsengang

Ein Börsengang (Initial Public Offering, IPO) zählt zu den strategisch wichtigsten Meilensteinen für ein Unternehmen. Neben der Kapitalaufnahme steht dabei auch der Schritt in die Öffentlichkeit, die Positionierung gegenüber Investoren sowie die Schaffung von Transparenz im Vordergrund. Hier nimmt der Aktienanalyst eine zentrale Rolle im IPO-Prozess ein.

Ein Gastbeitrag von Sebastian Droste

Ein IPO verändert nicht nur die Kapitalstruktur des Unternehmens, sondern auch seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, den Zugang zu institutionellem Kapital und die Governance-Strukturen. Für viele Unternehmen bedeutet der Börsengang zudem einen Kulturwandel: weg vom rein unternehmerischen Denken hin zu einer investorenorientierten Unternehmensführung mit Quartalskommunikation, Disclosure-Pflichten und erhöhtem medialen Interesse. Hinzu kommt die Kommunikation mit den Aktionären und die damit verbundene Kommunikation mit den Analysten der Banken. Doch wie läuft dieser Prozess, welche Rolle spielt der Analyst des Reports und wie unterscheidet sich der Prozess beim Börsengang?

 

Der Aktienanalyst ist Übersetzer der Unternehmensstrategie

Einer der oft unterschätzten, aber entscheidenden Akteure in diesem komplexen Prozess ist der Aktienanalyst. Seine Rolle beginnt deutlich früher, als viele annehmen, und reicht weit über die Erstellung eines simplen Berichts hinaus. Der Analyst fungiert als professioneller Übersetzer der Unternehmensstrategie in die Sprache des Kapitalmarkts und hilft so, Vertrauen bei potenziellen Investoren zu schaffen. Dabei agiert er nicht im luftleeren Raum, sondern eingebettet in einen eng getakteten Zeitplan, der durch regulatorische und marktbezogene Anforderungen geprägt ist.

Bereits kurz nach der Mandatierung der Konsortialbanken wird der Analyst in den IPO-Prozess eingebunden. Als Vorgabe für die Erstellung des Analysten-Reports dienen die Research Guidelines, in welchen die Ausgestaltung der Reports geregelt wird, an die sich alle Analysten halten müssen. Im Rahmen einer sogenannten Analysten-Präsentation stellt das Management den eingeladenen Sell-Side-Analysten der beteiligten Banken das Unternehmen detailliert vor: Geschäftsmodell, Marktumfeld, Finanzkennzahlen und strategische Ziele. Diese Präsentation ist keine bloße Pflichtübung, sondern ein elementarer Bestandteil der Equity Story-Entwicklung. Denn der Analyst bereitet auf Basis dieser Informationen den IPO-Research-Bericht vor, der später institutionellen Investoren als zentrales Informationsdokument dient. In dieser Phase ist es besonders wichtig, dass das Unternehmen konsistente, belastbare und gut strukturierte Informationen liefert, um Unsicherheiten zu vermeiden.

IPO-Analyse bewusst zurückhaltend und faktenbasiert

Der IPO-Report wird zum Zeitpunkt der Intention-to-float „ITF – Zeitpunkt der Bekanntgabe, dass ein Börsengang geplant ist“ veröffentlicht. Im Unterschied zu regulären Aktienanalysen sind die IPO-Research-Berichte deutlich zurückhaltender formuliert. Es handelt sich um bewusst neutrale, faktenbasierte Unternehmensbeschreibungen. Es gibt keine Handlungsempfehlung wie „Buy“, „Hold“ oder „Sell“ und auch kein Kursziel. Stattdessen stehen die Beschreibung des Geschäftsmodells, die strategische Ausrichtung, Markttrends, Wettbewerbsanalysen sowie eine Bandbreite möglicher Bewertungsansätze im Fokus. Ziel ist es, institutionellen Investoren ein möglichst objektives und umfassendes Bild des Unternehmens zu liefern, ohne durch Empfehlungen eine Wertung vorwegzunehmen. Oft fließen Peer Group-Vergleiche, Marktanalysen und Discounted-Cashflow-Modellierungen ein – stets mit dem Hinweis auf Annahmen und Unsicherheiten. Die Qualität der Daten, das Maß an Transparenz und die Nachvollziehbarkeit der Annahmen sind dabei entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Berichts.

Die Adressaten sind ausschließlich professionelle Investoren, die im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens Zeichnungsentscheidungen treffen. Der IPO-Research-Bericht fungiert als entscheidendes Werkzeug, um Glaubwürdigkeit zu erzeugen und komplexe Unternehmensprofile verständlich zu machen. Besonders bei Unternehmen aus innovativen Branchen oder mit wachstumsstarken, aber noch nicht profitablen Geschäftsmodellen sind die Einschätzungen der Analysten oft entscheidend für die Nachfrageentwicklung. Nicht selten sind es Nuancen in der Interpretation von KPIs, Wachstumstreibern oder regulatorischen Rahmenbedingungen, die den Ausschlag geben, ob ein Investor eine Order platziert oder nicht.

IPO-Research-Berichte sind streng reguliert

Die regulatorischen Anforderungen an das IPO-Research sind hoch – und das aus gutem Grund. Die MiFID II-Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II) sowie die europäische Marktmissbrauchsverordnung (MAR) regeln streng, welche Informationen Analysten erhalten dürfen, und wie sie diese aufbereiten müssen. So ist es untersagt, dass Analysten Zugang zu Insiderinformationen erhalten. Ebenso darf es keine direkte Abstimmung zwischen Investmentbanking und Research geben. Eine sogenannte „Chinese Wall“ trennt diese Bereiche organisatorisch wie physisch. Die Trennung dient der Vermeidung von Interessenkonflikten und soll sicherstellen, dass das Research unabhängig und unbeeinflusst durch die Transaktionsziele des Investmentbankings entsteht. Auch interne Genehmigungsprozesse innerhalb der Banken unterliegen strikten Anforderungen.

Auch die Vergütung ist klar geregelt: Analysten dürfen für das IPO-Research nicht separat vom Emittenten bezahlt werden – es ist Teil der Gesamtleistung der Bank. Die Kosten werden über das Syndikatsmandat getragen. Darüber hinaus müssen Analysten sämtliche potenzielle Interessenskonflikte offenlegen – etwa, wenn die analysierende Bank eine Beteiligung am Unternehmen hält oder im Konsortium führend tätig ist. Diese Transparenz ist essenziell, um das Vertrauen der Investoren in die Objektivität des Researchs zu sichern. In der Praxis führen diese Offenlegungen oft zu umfangreichen Disclaimer-Passagen am Ende jedes Berichts – ein Zeichen regulatorischer Gründlichkeit, aber auch notwendiger Schutzmechanismus.

Die Equity Story für institutionelle Investoren erklärt

Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Der Analyst ist kein verlängerter Arm des Marketings, sondern ein glaubwürdiger Übersetzer der Equity Story in eine für institutionelle Investoren nachvollziehbare Sprache. Gerade weil der Bericht neutral und faktisch ist, genießen Analystenmeinungen ein hohes Vertrauen auf der Investorenseite. Viele Investoren greifen bei der Evaluierung einer IPO-Story zuerst zum Research, um sich ein umfassendes Bild vom Unternehmen zu machen. Dabei helfen die Analysten, das Unternehmen im Branchenkontext einzuordnen, Risiken zu benennen und eine Bewertungsbandbreite zu skizzieren. Diese Funktion als „Filter“ und „Kontextgeber“ wird häufig unterschätzt, ist aber insbesondere bei grenzüberschreitenden IPOs oder in volatilen Marktphasen von großer Bedeutung.

Für Emittenten bedeutet das: Der Aktienanalyst ist ein sehr wichtiger Partner im IPO-Prozess. Seine Arbeit hat unmittelbaren Einfluss darauf, wie das Unternehmen vom Kapitalmarkt wahrgenommen wird. Eine transparente Kommunikation, eine überzeugende Equity Story und ein professioneller Umgang mit den Analysten tragen maßgeblich dazu bei, Vertrauen aufzubauen und die Weichen für eine erfolgreiche Platzierung zu stellen. Emittenten sind gut beraten, diesen Aspekt frühzeitig in der IPO-Vorbereitung zu adressieren. Dazu gehören nicht nur die inhaltliche Vorbereitung der Analysten-Präsentation, sondern auch die Verfügbarkeit von verlässlichen Daten, ein konsistentes Reporting und eine offene Diskussionskultur. Auch der Aufbau eines professionellen IR-Teams (Investor Relations) sowie die Entwicklung von Kommunikationslinien für kritische Fragen können bereits vor dem IPO ein wertvoller Baustein sein.

Der Aktienanalyst ist zentral für den IPO-Prozess

Der Aktienanalyst ist also weit mehr als ein passiver Beobachter. Er ist Mittler, Übersetzer und vertrauenswürdige Informationsquelle zugleich. Im dynamischen Umfeld eines IPOs ist sein Beitrag ein zentrales Element – für Emittenten ebenso wie für Investoren. Die Qualität des IPO-Researchs kann entscheidend dafür sein, ob ein Börsengang erfolgreich verläuft oder auf Zurückhaltung bei den Investoren stößt. Wer als Emittent verstanden hat, welche Rolle der Analyst spielt, kann dieses Wissen strategisch nutzen – und damit den Grundstein für eine erfolgreiche Börsenstory legen. Der Analyst ist somit nicht nur ein temporärer Begleiter auf dem Weg zur Börse, sondern ein Türöffner zum Vertrauen des Kapitalmarkts.

Über den Autor:

Sebastian Droste - Capital Markets / Institutionelles Research Quirin Privatbank AG

© Quirin Privatbank AG

Sebastian Droste ist Analyst im Bereich Capital Markets / Institutionelles Research bei der Quirin Privatbank AG. Seit fachlicher Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Unternehmen aus der Software- und IT-Branche. Vor allem die hohe Dynamik sowie die Notwendigkeit, sich kontinuierlich mit neuen technologischen Entwicklungen – etwa im Bereich Künstliche Intelligenz – auseinanderzusetzen, reizt ihn an der Branche. Der direkte Austausch mit dem Management der analysierten Unternehmen ist für ihn ein zentraler Bestandteil fundierter Research-Arbeit.

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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