Mittelständische Firmen haben das, was Jungunternehmen oft (noch) fehlt: finanzielle Mittel, Kundennetzwerke und Reputation. Viele Start-ups würden deshalb gerne mit Unternehmen zusammenarbeiten. Doch bei der Zahl der Kooperationen ist noch Luft nach oben. Dabei könnten gerade KMU davon profitieren – beispielsweise, um ihren Rückstand bei der Digitalisierung aufzuholen.
Bei der Digitalisierung hängen mittelständische Unternehmen in Deutschland hinterher. Wo große Firmen eigene Entwicklungsabteilungen unterhalten, fehlen in kleinen und mittelgroßen Unternehmen oft das nötige Knowhow, die Zeit und das Budget für den Wechsel in die Industrie 4.0. Große Firmen verfügen über mehr Ressourcen, um beispielsweise Arbeitsprozesse mithilfe digitaler Software zu optimieren. Damit KMU von den Großen langfristig nicht abgehängt werden, müssen sie andere Wege gehen. Viele etablierte Mittelständler kooperieren deshalb mit innovativen Jungunternehmern. Laut einer Studie, die im Herbst 2021 veröffentlicht wurde, haben rund ein Drittel von insgesamt 250 befragten Unternehmen bereits mit Start-ups zusammengearbeitet.
Start-ups sind innovativ und verfügen oft über hohe fachliche Expertise
Die große Stärke von Start-ups sind ihre fachliche Expertise und ihre Innovation. Doch fehlt es ihnen oft noch an finanziellem Kapital, Netzwerken, langjähriger Businesserfahrung und Reputation. KMU können Start-ups genau das bieten. Im Gegenzug eröffnen die Jungunternehmer neue Wege bei der Entwicklung innovativer Technologien, der Gestaltung der Digitalisierung oder der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen. Diese Themen stehen im Fokus der meisten Kooperationen zwischen KMU und Start-ups. Ein Großteil der Unternehmen einigt sich dafür auf eine zeitlich begrenzte Zusammenarbeit. Alternativ sind auch klassische Kunden-Lieferanten-Beziehungen zwischen KMU und Start-ups möglich. Joint Ventures, Minderheitsbeteiligungen oder gar Übernahmen sowie Inkubator- bzw. Accelerator-Programme sind weitere mögliche Varianten.
Kulturelle Unterschiede als Herausforderung und Chance
Egal auf welche Weise die Unternehmer zusammenfinden: KMU und Start-ups ergänzen sich häufig gegenseitig. Auch die unterschiedlichen Unternehmenskulturen bergen Potenziale –allerdings auch für Konflikte. Viele Mittelständler ebenso wie Start-up-Gründer nennen kulturelle Differenzen als häufigstes Problem in der Zusammenarbeit. Wo beispielsweise Familienunternehmen auf Kontinuität in ihren Strukturen und Arbeitsweisen bauen, sind Start-ups auf schnelle Entscheidungen und grundlegende Erneuerung ausgerichtet. KMU sind vielfach fest in ihrer Region verankert. Start-up-Gründer hingegen fühlen sich in einem digital vernetzten, urbanen Umfeld zuhause. Das spiegelt sich in unterschiedlichen Mentalitäten wider. Auch Altersunterschiede prägen unterschiedliche Stile der Unternehmensführung. Was auf kurze Sicht zu Reibungen führt, birgt jedoch auf lange Sicht Entwicklungspotenziale.
Entsprechend groß ist das Interesse an Kooperationen. Trotzdem besteht aus Gründersicht eine gewisse Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Laut dem Deutschen Start-up-Monitor 2021 wünschen sich 43 Prozent der befragten Jungunternehmen strategische Investoren, die ihnen Zugang zu Märkten und Branchenexpertise verschaffen. Tatsächlich nutzen aber nur rund 15 Prozent sogenanntes „Corporate Venture Kapital“, eine Verbindung von Kooperation und Investition. Mittelständische Unternehmer haben also grundsätzlich gute Chancen, einen geeigneten Kooperationspartner zu finden – und sollten diese Option in Betracht ziehen.
Den „Kodak-Effekt“ vermeiden
Zwar gehören langjährige Erfahrung, gute Vernetzung und eine hohe Reputation zu den Stärken vieler KMU. Die Versuchung ist daher groß, sich auf der eigenen etablierten Marktposition auszuruhen. Doch Märkte verändern sich schnell. Und wer diese Veränderungen nicht ernst nimmt, dem droht das berühmte „Kodak-Moment“: Der damalige Marktführer fotografischer Ausrüstung hatte in der aufkommenden Digitalfotografie keine ernsthafte Gefahr für das eigene Geschäftsmodell gesehen. Heute gilt analoge Fotografie nur noch als schönes Hobby für Liebhaber – die Mehrheit der Verbraucher fotografiert digital mit dem Handy. Die Geschichte hat gezeigt: Innovationen sind eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit jedes Unternehmens.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.