Home Mittelstand Peter Altmaier: Noch nicht der versprochene „Minister für den Mittelstand“

Peter Altmaier: Noch nicht der versprochene „Minister für den Mittelstand“

von Holger Clemens Hinz
Status-quo-Mittelstand

In seinem ersten Interview als Bundeswirtschaftsminister hatte sich Peter Altmaier im März als „Minister für den Mittelstand“ bezeichnet. Bisher aber konnte der Unionspolitiker diesen Titel nicht ausfüllen.

Wie sehr der Unionspolitiker seinem eigenen Anspruch bisher gerecht werden konnte, darüber gibt schon der vielsagende Titel des jüngsten BDI-Papiers Auskunft: „Enttäuschung über ausbleibende Mittelstandsstrategie.“

Wie das Handelsblatt berichtet, liegt der Zeitung der interne Verbandsbericht vor – und dieser offenbart, dass KMU und Peter Altmaier noch nicht zusammengefunden haben. Die Ernüchterung der Unternehmer nach den knapp sieben Monaten Amtszeit sucht sich Gehör, eine passende Gelegenheit, um erste Bilanz zu ziehen: von Energiewende über Steuererleichterungen bis hin zur Digitalisierung – große Themenbereiche, die Altmaier in Angriff nehmen muss.

Die Energiewende

In der Energiewende besteht dringender Handlungsbedarf! Der Mittelstand ist bereit, seinen Teil zum Generationenprojekt Atom- und Kohleausstieg beizutragen. Aber die Skepsis in den Unternehmen wird immer größer. In keinem anderen Land der Europäischen Union zahlt die mittelständische Industrie höhere Strompreise, sie trägt die Hauptlast für den Umstieg auf erneuerbare Energien.

Eine schlechte Koordination und Steuerung attestiert der Rechnungshof dem federführenden Wirtschaftsministerium. Gar vom Scheitern ist die Rede. In den vergangenen fünf Jahren sind laut Rechnungsprüfern mehr als 160 Milliarden Euro für den Umstieg auf umweltfreundliche Energien verwendet worden. Mit bescheidenen Ergebnissen.

Das jüngst erschienene „Energiewendebarometer“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) verrät: Vier von zehn Unternehmen verzeichnen 2018 steigende Energiekosten. Die mehr als 2.000 befragten Firmen quer durch alle Branchen, Regionen und Größen fordern von der Politik vor allem zwei Maßnahmen: einen schnelleren Ausbau des Stromnetzes – damit verbunden sind unkompliziertere Genehmigungsverfahren – und niedrigere Steuern und Abgaben auf den Kilowattpreis.

Stockender Netzausbau

Drei große Trassen sollen saubere Energie, vor allem Windstrom aus den nördlichen Küstenregionen der Republik, in die südlichen Industriezentren leiten. Doch von den 7.700 Kilometern sind gerade mal 1.750 genehmigt und nicht mal 1.000 gebaut worden. Ohne diese Hauptschlagadern wird die Energiewende nicht funktionieren.

Peter Altmaier, dessen Ministerium neben Wirtschaft auch für Energie zuständig ist, hat dies erkannt und vergangene Woche einen Plan vorgelegt: Bestehende Netze sollen besser ausgelastet, Nebentrassen leichter geplant und genehmigt und Netzbetreiber härter für Verzögerungen im Ausbau bestraft werden. Der Gesetzesentwurf soll im Dezember ins Kabinett kommen. Ein richtiger Schritt.

Keine Entwarnung bei den Strompreisen

Was aber bleibt, ist die hohe Abgabenlast auf Energie. Zwar gaben die Netzbetreiber nun bekannt, dass die EEG-Umlage für erneuerbare Energie im Jahr 2019 sinken wird: von knapp 6,8 auf 6,4 Cent pro Kilowattstunde. Mit der Umlage wird die Differenz zwischen Börsenstrompreis und den gesetzlich garantierten EEG-Vergütungen, die nichts anderes sind als eine Subvention zur Förderung umweltfreundlicher Energien, ausgeglichen. Die Umlage sinkt hauptsächlich aber nur deswegen, weil die Börsenpreise so deutlich gestiegen sind. Das heißt: Unterm Strich dürften die Energiekosten zumindest nicht sinken.

Die Politik, die den größten und energieintensiven Unternehmen die EEG-Umlage stark rabattiert, teilweise vollständig erlässt, muss Steuern und Abgaben so justieren, dass KMU nicht übermäßig strapaziert werden. Ihr Stromkostenniveau ist trauriger EU-Spitzenwert. Altmaier, übernehmen Sie!

Auch weil das nicht geschieht, wächst laut „Energiewende-Barometer“ die Zahl der Unternehmen, die sich durch Eigenversorgung vom öffentlichen Stromnetz unabhängiger machen wollen, kontinuierlich an – auf inzwischen 43 Prozent. Solche Lösungen wollen aber finanziert werden.

Letzte große Unternehmenssteuerreform ist zehn Jahre her

Mit seinem „steuerpolitischen 10-Punkte-Aktionsprogramm“ wagt Peter Altmaier nun die größte Offensive seiner bisherigen Amtszeit. Mit Blick auf den internationalen Steuerwettbewerb, den US-Präsident Donald Trump mit seiner Unternehmenssteuersenkung angefacht hat, gibt es hier großen Handlungsbedarf, will Deutschland nicht ins Hintertreffen geraten. Hochsteuerländer wie Frankreich und Belgien haben bereits vorgelegt, auch Großbritannien will seine Wirtschaft steuerlich entlasten.

Kernanliegen des ambitionierten Zehn-Punkte-Plans ist die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Bisherige Koalitionspläne hatten bisweilen nur eine Befreiung für untere und mittlere Einkommen vorgesehen. Die Wirtschaft, darunter vor allem Personengesellschaften, hätten das Nachsehen gehabt. Dass Altmaier, der sich bei den Jamaika-Sondierungen noch für den Teilerhalt des „Solis“ ausgesprochen hatte, nun seine Meinung geändert hat, ist ein sehr positives Signal an die Industrie.

Darüber hinaus strebt das Ministerium unter anderem die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung für Unternehmen jeder Größe an; bisher war das nur für kleine und mittlere geplant. Wichtig und richtig ist auch der niedrigere Steuersatz für einbehaltene Gewinne, was dem Investitionsniveau zugutekommen dürfte.

Peter Altmaier strebt Entlastung von bis zu 20 Milliarden Euro an

Zwar wird es keine direkte Senkung der Sätze für Körperschaft– und Einkommensteuer geben. Aber mit der nun präsentierten verbesserten Anrechnung der Gewerbesteuer dürfte diese Maßnahme eine spürbare Entlastung für Mittelständler bewirken. Bis zu einer effektiven Besteuerung von 25 Prozent – die strahlkräftige Marke im internationalen Vergleich – bedarf es aber weiterer Schritte.

BDI, DIHK und Ökonomen loben die Pläne Altmaiers. Bei vollständiger Umsetzung der zehn Punkte käme man auf ein stolzes Gesamtpaket von 20 Milliarden Euro. Finanzminister Scholz hat die Pläne des Kabinettkollegen umgehend zurückgewiesen. Gegen das Veto des sozialdemokratischen Schatzmeisters muss sich Altmaier nun behaupten. Ein schwieriges Unterfangen.

Digitalisierung und Infrastruktur

Auch in puncto Digitalisierung und Infrastruktur besteht Nachholbedarf. Ob sanierungsbedürftige Brücken und Straßen oder lahme und löchrige Mobilfunk- und Internet-Verbindung: Eine moderne Infrastruktur – sowohl analog als auch digital – ist unerlässlich für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wie bereits im September angemerkt, kann es nicht sein, dass jeder sechste Betrieb unter infrastrukturellen Problemen zu leiden hat. Der Bedarf an IT-Fachkräften, die den Mittelstand für die Zukunft der Industrie 4.0 rüsten sollen, ist enorm – der Mangel augenscheinlich. Nennenswerte Initiativen ist Altmaier bisher schuldig geblieben.

Die Bundesrepublik ist zwar deutlich besser aufgestellt als es die öffentliche Wahrnehmung gerade hergibt: In einer jüngst veröffentlichten Studie des Weltwirtschaftsforums WEF erreicht Deutschland den weltweit ersten Platz, wenn es um Innovativität geht. Aber wir dürfen nicht den Anschluss verlieren. Es sind mehr Anstrengungen nötig.

Fazit

Peter Altmaier hatte die Latte hochgelegt. Bisher deutlich zu hoch. Nach einer Einarbeitungs- und Vorbereitungsphase kommen die Mahnungen aus der Wirtschaft zum richtigen Zeitpunkt. Immerhin setzt der Minister mit seinen Plänen für Energiewende und Steuerentlastungen zwei Ausrufezeichen im Herbst. Während sich der Steuer-Aktionsplan überzeugend liest, braucht es bei den wachsenden Stromkosten deutlichere Bemühungen. Die Charmeoffensive darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Es gilt Altmeiers Gesetzesentwürfe gegen den Widerstand des Koalitionspartners durch das Parlament zu bekommen. Es muss ja nicht gleich ein Ludwig Erhard sein, aber ein „Minister des Mittelstands“ wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung.

 

 

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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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