Auf den ersten Blick sind Unternehmen in Familienbesitz am Aktienmarkt fehl am Platze. Beim genaueren Hinsehen lassen sich aber einige Argumente für den Börsengang solcher Gesellschaften feststellen.
Es ist eine beeindruckende Zahl: Nach Angaben des Nachrichtendiensts Bloomberg besitzen die 25 reichsten Familien weltweit zusammen ein Vermögen in Höhe von rund 1,1 Billionen US-Dollar, durchschnittlich also gut 40 Milliarden Dollar. Kein Wunder, dass viele dieser Dynastien ein Leben jenseits der Öffentlichkeit führen, so etwa die hinter dem Discounter-Giganten Aldi stehende Albrecht-Familie, die auf Platz 11 des Bloomberg-Rankings zu finden ist, aber nicht auf den Titelseiten der einschlägigen Boulevardmedien.
Skeptisch gegenüber der Börse?
Die Verschlossenheit solcher Unternehmer ist nachvollziehbar. Doch so manch einer fragt sich, warum viele der Unternehmen diese Diskretion auch in Sachen Kapitalmarkt an den Tag legen und beispielsweise nicht an der Börse gelistet sind. Passt das klassische traditionsreiche Familienunternehmen, seit Generationen am Markt, Buddenbrook-Romantik inklusive, mit all seinen Emotionen einfach nicht mit dem nüchternen Aktienmarkt zusammen? Hat der im Familienunternehmen alles entscheidende Patriarch, der nicht nur über die große Linie, sondern auch über Details entscheidet, Probleme damit, dass renditegetriebene Investoren ihm in sein Unternehmen hineinreden wollen? Die Antwort: Vielleicht – doch eigentlich ist diese Sichtweise die falsche.
Mehr Unabhängigkeit
Denn die vermeintlichen Gegensätze müssen gar nicht einander ausschließen. Zwar hat das Unternehmen, sobald es dann an der Börse notiert ist, natürlich höhere Anforderungen zu erfüllen, was Transparenz und Finanzkommunikation angeht. Dafür bekommt es aber auch einiges im Gegenzug: Der Gang auf das Parkett ist nicht nur mit einer erhöhten Aufmerksamkeit verbunden, die wiederum eine höhere Nachfrage schafft, mithilfe derer der Mittelständler sein Wachstum finanzieren kann. Er ermöglicht vor allem auch eine Unabhängigkeit von Banken. Und Unabhängigkeit ist etwas, was jedes Familienunternehmen schätzt.
Drei Indizes als gutes Argument
Dass die Nachfrage an der Börse zu gering sein könnte, das müssen Familienunternehmen aktuell nicht befürchten. Investoren sind angesichts der nach wie vor niedrigen Zinsen immer noch auf Renditejagd. Und sie schätzen Familienunternehmen sehr, unter anderem auch, da diese eine besondere Auffassung von Tradition und Nachhaltigkeit haben. Und sich Letzteres an der Börse widerspiegelt:
Die Performance der zweiten Börsen-Reihe, wie sie etwa durch die Indizes MDAX und SDAX repräsentiert wird und in der eine Menge inhabergeführter Familienunternehmer zu finden ist, kann sich sehen lassen – beide schlagen den DAX auf 5-Jahres-Sicht deutlich. Dass die hohe Identifikation der Unternehmensführung mit dem Unternehmen gut ankommt zeigt noch ein anderes Börsenbarometer: Der German Enterpreneurial Index, kurz GEX genannt, dem eigentümergeführte Unternehmen angehören, hat sogar alle drei hinter sich gelassen.
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1 Kommentar
Danke für diesen tollen Artikel. War sehr interessant zu lesen.