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So ändert sich die Zinslandschaft für Anleger

von Holger Clemens Hinz
Zinslandschaft, Kapitalmarkt, Zinsen, Anleihen, Renditen

Nach einem Jahrzehnt der Niedrigzinsen stieg mit zeitlicher Verzögerung auch die globale Inflation kräftig an. Es folgten zahlreiche Zinserhöhungen und attraktive Renditen am Rentenmarkt. Nun dürften jedoch in nicht allzu weiter Ferne die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank Fed erneut in einen Zinssenkungszyklus eintreten. Was die Änderungen der Zinsen für Anleger bedeuten.

Von Holger Clemens Hinz

Seit rund 16 Jahren bewegen die Leitzinsen der Notenbanken die Märkte in besonderem Maße. Sie haben unmittelbaren Einfluss auf die Kreditzinsen und die Renditen am Rentenmarkt. Im Zuge der weltweiten Finanzkrise 2008 und der darauffolgenden Euro-Krise 20010/2011 haben Anleger zugesehen, wie die Zinssätze immer weiter fielen – in Europa je nach Verschuldungsgrad der Länder jedoch deutlich auseinanderdrifteten. Seitdem gab es viele Jahre mit niedrigen oder sogar negativen Renditen für Staatsanleihen.

Dann kam es durch die Corona-Pandemie ab 2020 und den Angriff Russlands auf die Ukraine ab Februar 2022 zum weltweiten Inflationsschock. Die Verbraucherpreise stiegen zeitweise um acht, teilweise sogar mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der Folge hoben die Notenbanken ihre Leitzinsen im Eiltempo kräftig an, um die Inflation zu bekämpfen. Die Zinserhöhungen wirkten und wirken, die Inflation ist seitdem auf dem Rückzug. Weil nun aber die Konjunktur schwächelt, stehen erneut Zinssenkungen bei den großen Notenbanken vor der Tür. Sowohl von der Federal Reserve Bank in den USA (Fed) als auch von der Europäischen Zentralbank (EZB), die im Juni bereits ihren Leitzins erstmals senkte, erwarten Marktteilnehmer mehrere Zinssenkungsschritte.

Wie hat diese Zins-Achterbahnfahrt die Märkte verändert? Wie werden sich die Zinsen weiter entwickeln? Und welche Chancen ergeben sich daraus für Anleger?

Rentenmarkt im Umbruch

Mit diesen Fragen hat sich Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung bei der Quirin Privatbank in einer Analyse beschäftigt. Durch die beispiellosen Zinserhöhungen seit Juni 2022 haben Anleger es ihm zufolge noch heute mit einer besonderen Konstellation am Rentenmarkt zu tun: einer inversen Zinsstrukturkurve. Normalerweise sind die Renditen von Anleihen mit langen Restlaufzeiten höher als bei kurzen Laufzeiten,. Grund ist, dass mit zunehmender Anlagedauer das Risiko für den Anleger steigt und er dafür einen Risikoprämie erhält. Bei der aktuell inversen Zinsstrukturkurve ist dieses Prinzip auf den Kopf gestellt. Dies bedeutet: kurze Laufzeiten bieten eine höhere Verzinsung als lange Laufzeiten. Die Invertierung der Zinsstruktur hat damit zu tun, dass Zinsänderungen der Notenbanken zunächst auf die kurzen Laufzeiten wirken und erst mit deutlicher Verspätung bei den langlaufenden Anleihen ankommen.

Die zu erwartenden Zinssenkungen der Fed und der EZB sollten die Zinsstrukturkurve wieder normalisieren – lange Laufzeiten also wieder höhere Renditen bieten als kurze. Derzeit rechnet die Fed selbst mit einer Zinssenkung noch in diesem Jahr, 2025 sollen weitere folgen. Die EZB hält sich mit derlei Ankündigungen zurück, tendiert aber insgesamt eher zu weiteren Zinssenkungsschritten. Da jedoch kaum damit zu rechnen ist, dass die Zinssätze wieder auf null fallen, dürften Rentenpapiere aller Laufzeiten weiterhin attraktive Renditechancen bieten. Stefan May ist überzeugt, dass wir international in einer Situation angekommen sind, in der es in allen Laufzeiten wieder nennenswerte Renditenchancen gibt. „Aller Voraussicht nach wird das auf absehbare Zeit auch so bleiben. Die Zeit der Nullzinsen dürfte erst einmal vorbei sein“, schreibt May in seiner Analyse.

Trotz niedrigerer Zinsen bleiben Anleihemärkte attraktiv

Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Staatsanleihezinsen der Euro-Länder weiter uneinheitlich bleiben. Euro-Staaten mit hoher Verschuldung oder angeschlagener Wirtschaft dürften daher auch in Zukunft höhere Zinsen zahlen als Top-Schuldner wie die Bundesrepublik. Beispielsweise muss Italien derzeit bei Ausgabe zehnjähriger Anleihen Anlegern fast vier Prozent Rendite bieten,. Deutschland zahlt für zehnjährige Bundesanleihen hingegen weniger als 2,5 Prozent.

Das Fazit: Die Anleihemärkte bleiben attraktiv. Vor allem europäische Euro-Staats- und Unternehmensanleihen erscheinen dabei empfehlenswert, weil für Eurozonen-Anleger das Währungsrisiko entfällt. Zinssenkungen in den USA dürften nämlich zu einer Abwertung des US-Dollars führen, die bei Inhabern von Dollar-Anleihen zu schmerzlichen Verlusten führen könnte.

Auch Corporate Finance profitiert von niedrigeren Zinsen

Für den Bereich der Unternehmensfinanzierung bedeuten bevorstehende Zinssenkungen und eine Normalisierung der Zinsstrukturkurve, dass sich Unternehmen günstiger Geld am Kapitalmarkt beschaffen können. Einerseits profitieren sie von den noch niedrigen Zinsen bei langen Laufzeiten. Andererseits profitieren sie bei kurzen Laufzeiten von den bevorstehenden Zinssenkungen. Die Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt durch Begebung neuer Anleihen wird dadurch attraktiver, besonders für Schuldner guter und schlechter Bonität.

Zinssenkungen machen zudem den Aktienmarkt für Anleger und Investoren wieder attraktiver, da sinkende Zinsen die Liquidität erhöhen und Anleger aus Anleihen in Aktien umschichten. Steigt deshalb die Nachfrage nach Aktien, wird es auch für KMUs aussichtsreicher, einen Börsengang zu wagen oder neue Aktien an der Börse zu platzieren.

Unter dem Strich dürften in den kommenden Jahren die veränderte Zinslandschaft also nicht nur mit attraktiven Anleiherenditen aufwarten und der Aktienmarkt neu belebt werden, sondern auch Unternehmensfinanzierungen günstiger werden.

Über den Kapitalmarktblog:

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