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Warum das Zukunftsfinanzierungsgesetz die ordentliche Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage unmöglich macht

von Lieselotte Hasselhoff

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) soll noch vor dem Jahresende verabschiedet werden. Viele der darin enthaltenen Maßnahmen dürften dem Mittelstand nutzen, etwa ein vereinfachter Zugang zum Kapitalmarkt oder eine Kapitalerhöhung aus Barmitteln. Kapitalerhöhungen aus Sacheinlage allerdings haben im ZuFinG das Nachsehen – und werden künftig so gut wie unmöglich.  Ein Gastbeitrag von Laurenz Wieneke.

Noch in diesem Jahr soll das Zukunftsfinanzierungsgesetz durch das parlamentarische Verfahren laufen. Mit diesem Gesetz will die Bundesregierung den deutschen Finanzplatz stärken und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU verbessern. Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erleichterung der Kapitalbeschaffung börsennotierter Wachstumsunternehmen sind ohne Einschränkung zu begrüßen. So soll der Umfang für eine bezugs- und damit auch prospektfreie Barkapitalerhöhung nahe am Börsenkurs von 10 auf 20 Prozent erhöht werden. Auch die Sachkapitalerhöhung sollte erleichtert werden. Dieses Ziel wird allerdings aus der Sicht der Praxis vollständig verfehlt. Mehr noch: Die ordentliche Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage ist als Wachstumsinstrument dann endgültig tot.

Bedeutung und Problem der ordentlichen Sachkapitalerhöhung

Die Sachkapitalerhöhung hat gerade für Wachstumsunternehmen eine hohe Bedeutung. Junge Unternehmen sind vielfach nicht in der Lage, Zukäufe aus Barmitteln zu finanzieren. Verfügen sie allerdings bereits über eine Börsennotierung, können sie ihre eigenen Aktien als Akquisitionswährung einsetzen. Sie bezahlen bei solchen share-for-share Deals für einem Unternehmenskauf nicht in bar, sondern durch Ausgabe neuer Aktien. Diese werden im Wege einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen geschaffen, wobei das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre notwendig ausgeschlossen werden muss. Die neuen Aktien werden nämlich ausschließlich dem Verkäufer zur Zeichnung zugeteilt. Die bisherigen Aktionäre werden anteilsmäßig verwässert. Der absolute Wert ihrer Beteiligung soll aber gleichbleiben, sodass eine wertmäßige Verwässerung gerade nicht stattfindet.

Für derartige Transaktionen wird in der Praxis regelmäßig das genehmigte Kapital genutzt. Grund hierfür ist die größere Flexibilität. Vorstand und Aufsichtsrat können auf Grundlage einer bestehenden Ermächtigung kurzfristig eine Kapitalerhöhung beschließen. Es muss nicht eine (außerordentliche) Hauptversammlung abgewartet werden. Der weitere große Vorteil ist die Transaktionssicherheit. Hauptversammlungsbeschlüsse von Publikumsgesellschaften über Sachkapitalerhöhungen werden vielfach durch kritische Aktionäre angefochten. Bemängelt werden dabei regelmäßig formale Fehler, etwa dass der Bericht über den Ausschluss des Bezugsrechts unrichtig oder unvollständig sein soll. Im Zentrum steht aber immer die sog. Bewertungsrüge. Die Kläger machen dabei geltend, die Sacheinlage sei überbewertet und es komme infolge der Transaktion zu einer wertmäßigen Verwässerung der bisherigen Aktionäre. Wenn also beispielhaft gesprochen für das zu erwerbende Unternehmen bei einem Börsenkurs von EUR 10,00 insgesamt 5 Mio. neue Aktien ausgegeben werden sollen, muss das Zielunternehmen EUR 50 Mio. wert sein. Ist die Behauptung der Kläger richtig, das Zielunternehmen sei deutlich weniger wert, werden die bisherigen Aktionäre durch die Transaktion wertmäßig verwässert und der Beschluss über die Kapitalerhöhung ist zurecht anfechtbar.

ZuFinG: Eintragung der Kapitalerhöhung erschwert Mittelstandsfinanzierung

Im Fall einer Anfechtungsklage kann die Kapitalerhöhung nicht durch Eintragung im Handelsregister wirksam werden. Für diese Situation stellt das Gesetz eigentlich ein sogenanntes Freigabeverfahren zur Verfügung. Die Gesellschaft kann beim zuständigen Oberlandesgericht in einem auf drei Monate angesetzten Eilverfahren beantragen, dass festgestellt wird, dass die Erhebung der Klage der Eintragung der Kapitalerhöhung nicht entgegensteht. Ein solcher Freigabebeschluss ergeht, wenn die Beschlussmängelklage offensichtlich unbegründet ist oder ein überwiegendes Eintragungsinteresse vorliegt. Eine offensichtliche Unbegründetheit besteht bei einer Bewertungsrüge nicht, weil die Bewertungsfragen nicht in einem Eilverfahren geklärt werden können.

Daher kann der Freigabebeschluss nur ergehen, wenn ein überwiegendes Eintragungsinteresse der Gesellschaft besteht. Davon sollte man typischerweise ausgehen können, da die Bedeutung der Transaktion für die Gesellschaft immer dem drohenden Verwässerungsschaden der klagenden Aktionäre, die regelmäßig nur knapp über 1.000 Aktien halten, überwiegt. Gleichwohl haben die Gerichte in einzelnen Fällen unter Hinweis auf mögliche schwerwiegende Rechtsverstöße zugunsten der Kläger und damit gegen das schnelle Wirksamwerden der Kapitalerhöhung entschieden.

An diesem Punkt setzt das Zukunftsfinanzierungsgesetz an. Die Kläger sollen zukünftig mit der Bewertungsrüge im Freigabeverfahren nicht mehr gehört werden. Vielmehr soll die Frage, ob die Aktien zu einem angemessenen Gegenwert ausgegeben wurden, in einem nachgelagerten Spruchstellenverfahren geklärt werden. Dieser Mechanismus hat sich für Strukturmaßnahmen bewährt. Anschaulich ist der Fall eines Squeeze-outs: Wenn die Hauptversammlung einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre beschlossen hat, wird die Prüfung der Angemessenheit der Abfindung nicht im Anfechtungsverfahren, sondern in einem nachgelagerten Spruchstellenverfahren geklärt. Gegebenenfalls muss der Hauptaktionär nachzahlen.

Wie würde das bei einem Unternehmenskauf mit Aktien funktionieren? Der Gesetzgeber stellt sich vor, dass der Verkäufer, wenn sich nachträglich herausstellt, dass das von ihm eingebrachte Unternehmen nicht werthaltig ist, eine Nachzahlung in bar an die Gesellschaft leistet. Alternativ sollen die bisherigen Aktionäre für die Verwässerung kompensiert werden, indem sie entweder einen Nachschlag in bar oder Ausgleichsaktien erhalten.

Eine Zumutung zu viel für den Verkäufer

Für den Verkäufer stellt ein share-for-share Deal per se eine Zumutung dar. Nur Bares ist Wahres. Der Verkäufer möchte daher sein Unternehmen am liebsten in einer Bartransaktion verkaufen. Die These, dass die Gesellschaft mit den eigenen Aktien über eine „liquide Akquisitionswährung“ verfügt, ist gerade bei Wachstumsunternehmen schwer vermittelbar. Häufig ist der Streubesitz noch beschränkt, was zu volatilen Aktienkursen führt und der Verkauf größerer Pakete nur über längere Zeit und bei erheblichem Druck auf den Kurs möglich ist. Darüber hinaus wird die Gesellschaft vom Verkäufer einen Lock-up für die neuen an ihn ausgegebenen Aktien verlangen. Damit will die Gesellschaft ihren Börsenkurs schützen. Für den Verkäufer bedeutet dies eine weitere Zumutung, da er auf Kursänderungen nicht reagieren kann und für eine längere Zeit das Kursrisiko seiner „Gegenleistung“ trägt.

Zudem: Aus der Sicht der Beteiligten ist ein share-for-share Deal eigentlich eine ganz normale M&A Transaktion. Hierzu gibt es etablierte Marktstandards. Die Verträge enthalten detaillierte Kaufpreisregelungen, etwa mit earn out Klauseln, Zusicherungen und Verpflichtungen des Verkäufers, differenzierte Regelungen über die Chancen- und Risikoverteilung, etwa de minimis Regelungen für eine Inanspruchnahme und Haftungshöchstgrenzen sowie kurze Verjährungsfristen. Dieses Regelungsgefüge wird bei einem share-for-share Deal durch die aktienrechtlichen Bestimmungen der Kapitalaufbringung überlagert. Unabhängig davon, was ansonsten vereinbart wird, muss der Gesellschaft für jede neu ausgegebene Aktie der geringste Ausgabebetrag, typischerweise EUR 1,00, zufließen. Für den Verkäufer ist dies eine erhebliche weitere Zumutung. Insbesondere wenn der Aktienkurs nur wenig über EUR 1,00 liegt, bedeutet dies eine volle Wertgarantie. Zahlreiche Stimmen in der juristischen Literatur gehen sogar so weit, dass die Wertgarantie in jedem Fall ein höheres Aufgeld umfassen muss.

Nachzahlungen bei falsch bewerteten Transaktionen

In dieser Situation soll der Verkäufer nach der Vorstellung des Gesetzgebers nun eine weitere Zumutung akzeptieren. Wenn kritische Aktionäre die Angemessenheit der Gegenleistung für die neu ausgegebenen Aktien hinterfragen, soll diese in einem nachgelagerten Spruchstellenverfahren überprüft werden. Stellt sich dabei heraus, dass das Zielunternehmen aus Sicht des Gerichts nicht den der Transaktion zugrunde gelegten Wert hat, soll der Verkäufer zu einer Nachzahlung verpflichtet sein. Diese Überprüfung des Austauschverhältnisses findet ausschließlich zulasten des Verkäufers statt. Ist also etwa umgekehrt der Wert der an ihn ausgegebenen neuen Aktien zu niedrig, findet eine Nachzahlung zu zugunsten des Verkäufers nicht statt. Warum sollte der Verkäufer eine Transaktionsstruktur akzeptieren, in der das Umtauschverhältnis ausschließlich einseitig zu seinen Lasten geändert werden kann? Wieviel Vertrauen muss er in das nachgelagerte Spruchstellenverfahren haben, um dies akzeptieren zu können? Diesen Punkt hat auch der Gesetzgeber gesehen und bietet alternativ die Möglichkeit an, dass die Gesellschaft den Altaktionären zum Ausgleich der Verwässerung einen Nachschlag bezahlt, entweder in Geld oder gegebenenfalls in Aktien.

Aus Sicht des Verkäufers ist dies natürlich keine Lösung. Wenn die Gesellschaft an die Altaktionäre zahlt, werden die vom Verkäufer gezeichneten neuen Aktien im gleichen Verhältnis weniger wert. Im Ergebnis handelt es sich auch bei dieser Lösung um eine einseitige Anpassung der Transaktionsbedingungen zulasten des Verkäufers. Dass Spruchstellenverfahren sich vor deutschen Gerichten häufig über viele Jahre hinziehen, ist kein Trost, sondern Teil des Problems. Es besteht daher die berechtigte Befürchtung, dass dies eine Zumutung zu viel und die ordentliche Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage damit tot ist.

Fazit zum Zukunftsfinanzierungsgesetz

Mit dem nachgelagerten Spruchstellenverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses löst der Gesetzgeber bei der ordentlichen Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage ein Problem, dass es eigentlich nicht geben darf. Auch bei der Bewertungsrüge besteht immer ein überwiegendes Eintragungsinteresse der Gesellschaft, sodass das Gesetz allenfalls marginal zu einer Erhöhung der Transaktionssicherheit beiträgt. Aufgrund des dem Verkäufer kaum vermittelbaren Risikos einer nachträglichen Anpassung der Transaktionsbedingungen zu seinen Lasten im Spruchstellenverfahren wird es share-for-share Deals aber in der Praxis aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr geben. Das ZuFinG macht eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage künftig so gut wie unmöglich.

Zusammenfassend: Würde man nur die Hälfte des Vertrauens, das man in einen vernünftigen Ausgang des Spruchstellenverfahrens hinten investieren muss, um überhaupt zu einem Deal zu kommen, in den vernünftigen Ausgang eines Freigabeverfahrens vorne investieren, wäre diese Initiative des Gesetzgebers vollkommen überflüssig.


Dr. Laurenz Wieneke ist Partner der Kanzlei Noerr und Mitglied der Capital Markets und Real Estate Investment Groups. Einer seiner Schwerpunkte ist die aktien- und konzernrechtliche Beratung deutscher und internationaler Unternehmensgruppen bei Transaktionen, Umstrukturierungen und in den Bereichen Corporate Governance und Compliance.

www.noerr.com

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