Bei den Immobilienentwicklern baut sich eine Pleitewelle auf – allzu viele leiden unter hohen Finanzierungskosten, steigenden Baukosten und fallenden Immobilienpreisen. Bauunternehmen, die sich jetzt gut aufstellen und alternative Finanzierungswege nutzen, haben in der anrollenden Konsolidierungswelle gute Chancen.
Der deutsche Immobilienmarkt ist in Aufruhr. Kaum ein Tag vergeht ohne eine neue Hiobsbotschaft. Zuletzt schlitterten mehrere große Projektentwickler der Immobilienbranche in die Pleite, darunter durchaus namhafte wie Project Immobilien, Development Partner, Euroboden, Centrum und Gerchgroup. Mit bereits hohen laufenden Verpflichtungen scheiterten sie an inflationären Baukosten, gestiegenen Finanzierungskosten, fallenden Immobilienpreisen und letztlich auch Projektstornierungen.
Branchenexperten sprechen bereits von einer toxischen Gemengelage für Bauunternehmen und rechnen mit weiteren Insolvenzen. Mehr als ein Viertel der heute tätigen Projektentwickler könnten nach diesen Schätzungen aus dem Markt verschwinden. Investoren, Käufer und Bauherren der Projekte der Pleitefirmen stehen vor einem Scherbenhaufen. Sie laufen Gefahr, bereits getätigte Investitionen zu verlieren und auf halbfertigen Gebäuden sitzen zu bleiben.
Nach einem mehr als zehn Jahre währenden Immobilienboom hat sich die Lage in nur wenigen Monaten dramatisch gewandelt. Nachdem schon Corona und Ukraine-Krieg für Lieferengpässe sorgten und die Baukosten in die Höhe trieben, trat die Europäische Zentralbank im Frühjahr 2022 auf den Plan und erhöhte zur Bekämpfung der Inflation in bis dato ungekannter Geschwindigkeit die Zinsen. Lagen die durchschnittlichen Zinsen für eine Standard-Baufinanzierung von Wohneigentum zuvor noch bei einem Prozent oder sogar darunter, sind heute um die vier Prozent fällig.
Die gestiegenen Finanzierungskosten ziehen zunehmend sinkende Immobilienpreise nach sich. Damit haben Projektentwickler und Bauträger ein Riesenproblem, vor allem wenn sie das Baugrundstück in den Vorjahren teuer gekauft haben und nun die Immobilienpreise noch vor Fertigstellung der Bebauung wieder sinken. Viele Käufer sind nicht mehr bereit, einen Preis zu zahlen, der noch vor ein, zwei Jahren als völlig normal galt. Auch Projektentwickler und Bauträger, die unfertige Bauprojekte übernehmen könnten, erwarten hohe Abschläge von bis zu 50 Prozent für die Übernahme gestoppter Bauvorhaben, um sie rentabel fertigstellen können.
Hohe Kredithürden, hohe Finanzierungskosten für Bauunternehmen
Die Finanzierungsseite bleibt für die Immobilienentwickler weiter herausfordernd, vor allem wenn trotz gestiegener Baukosten Projekte fertiggestellt werden sollen. Sinkt der Wert der besicherten Immobilien, werden Kredite teurer oder schlicht nicht bewilligt. Banken verlangen nicht nur höhere Zinsen, sondern auch mehr Sicherheiten, mehr Eigenkapital und höhere Cashflows. Mit gesunkenen Immobilienbewertungen steigt für die Projektentwickler aber das Loan-to-value-Verhältnis, also der Verschuldungsgrad im Verhältnis zum Wert des Immobilienportfolios. Ist für die Bank eine Schwelle überschritten, lehnt sie eine Finanzierung generell ab. Und selbst, wenn es weiter Kredite gibt: Brücken- oder Anschlussfinanzierungen sind für die Projektentwickler heute viel teurer als noch vor einem Jahr.
Viele Immobiliengesellschaften bekommen in der aktuellen Situation also kein weiteres Fremdkapital von den Banken und müssen sich auf die Suche nach Eigenkapital machen. Dabei akzeptieren die Banken auch immer seltener Mezzanine-Kapital als Form des Eigenkapitals. Somit bleibt den Bauunternehmen nur die Chance, neue Anteilseigner zu gewinnen, etwa über den Verkauf von Unternehmensanteilen, über Joint-Venture-Partner oder Partnerschaften mit anderen Unternehmen. Dabei müssen den Geldgebern in der Regel Mitspracherechte eingeräumt und Gewinnanteile überlassen werden.
Sobald die Marktbereinigung vollzogen und sich in den kommenden Monaten die Spreu vom Weizen getrennt hat, kann die Platzierung von Aktien oder Anleihen am Kapitalmarkt für die Branchengewinner wieder ein möglicher Ausweg aus der Geldknappheit werden. Um Investoren für eine Investition in Immobilienprojekte zu gewinnen, müssen die Aspiranten allerdings ihre Kapitalmarktreife unter Beweis stellen. Dafür müssen die Geschäftszahlen im Marktvergleich überdurchschnittlich gut und die Gewinnaussichten für Investoren hinreichend attraktiv sein. Wie immer liegt in jeder Krise auch die Chance für eine Umverteilung und Marktkonsolidierung. Zu Ihren Chancen am Kapitalmarkt und der richtigen Herangehensweise an eine Wertpapieremission sollten sich die Unternehmen beraten lassen.
Gute Chancen für eigenkapitalstarke Mittelständler
Die Marktbereinigung in der Immobilienbranche hat bereits begonnen und dürfte noch einige Übernahmen und Zusammenschlüsse von Immobilienunternehmen nach sich ziehen. Laut Kreditversicherer Atradius hat die Zahl der Insolvenzen unter den mittelständisch geprägten Bauunternehmen im ersten Halbjahr gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres bereits um neun Prozent zugenommen. Für das Gesamtjahr erwartet Atradius einen Anstieg um 15 bis 20 Prozent. Vieles deutet darauf hin, dass die Konsolidierung im Markt noch länger dauern könnte.
Die besten Chancen haben vor diesem Hintergrund vor allem kleine und mittelständische Immobilienentwickler mit regionalem Fokus und ausreichend Eigenkapital. Sofern sie regional etabliert und vernetzt sind, finanzieren regionale Banken solche Firmen auch weiterhin. In Not geratenen Immobilienentwicklern ist zu empfehlen, ihren Eigen- und Fremdkapitalbedarf möglichst rasch zu ermitteln und sich zur Refinanzierung, zur Restrukturierung ihrer Schulden und zu alternativen Finanzierungswegen abseits der Kreditbanken Rat von Experten aus dem Bereich Unternehmensfinanzierung zu holen.
Steuererleichterungen ab Oktober
Zumindest hat die Bundesregierung der gebeutelten Branche etwas Hilfe versprochen: Auf Schloss Meseberg hat das Bundeskabinett im Rahmen des Wachstumschancengesetzes eine degressive Abschreibung von Baukosten für Investoren beschlossen. Demnach können Investoren beziehungsweise Bauherren befristet bis Oktober 2029 sechs Prozent der Bausumme im Rahmen der AfA von der Steuer absetzen und zudem 80 Prozent ihrer Verluste aus den Vorjahren über vier Jahre mit ihren Gewinnen verrechnen. Die Steuererleichterungen sollen auch für Bauvorhaben gelten, die schon genehmigt, aber noch nicht begonnen wurden. Die degressive Abschreibung soll Investitionsanreize schaffen, die die Bauwirtschaft stabilisieren sollen.
Nach zehn Jahren Party am Bau stehen der Bau- und Immobilienbranche wohl ein paar schwierige Jahre bevor, es ziehen dunkle Wolken herauf. Wenn die Immobilienentwickler und Bauträger aber die Baukosten niedrig halten – beispielsweise durch serielles Bauen, kleinere Grundstücke oder weniger Sonderausstattung – und dabei die Energieeffizienzstandards berücksichtigen, alternative Finanzierungswege nutzen und vor allem langfristig finanzieren, können sie auch in schwierigen Zeiten erfolgreich und rentabel bauen. Für diese Bauunternehmen wird der Himmel wieder aufreißen und die Sonne lachen.
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