Laut dem Statistischen Bundesamt nutzt bereits jedes achte Unternehmen Künstliche Intelligenz. Dabei setzen Großunternehmen deutlich häufiger auf KI-Unterstützung als kleine und mittlere Unternehmen. Dass KI auch KMU viele Vorteile bietet, zeigen diese Praxisbeispiele.
KI kommt mehr und mehr im Mittelstand an. Die meisten KMU wagen sich vorsichtig in das Fahrwasser hinein, indem sie KI-Tools für die Kundenbetreuung oder die Buchhaltung nutzen. Die Beantwortung von Kundenanfragen sowie die Angebots- und Rechnungsstellung laufen dank dieser Tools fast automatisch ab. Auf diese Weise entlasten die Systeme bereits den Bürobetrieb und lassen mehr Zeit für umsatzrelevante Tätigkeiten. Doch die Künstliche Intelligenz hat mehr zu bieten als Rechenprogramme und Chatbots.
Ein rechnendes Brotregal
Der Bäckermeister Axel Schmitt aus Frankenwinheim im Landkreis Kitzingen hat KI-Unterstützung in seinem Produktionsprozess implementiert. Doch zunächst hat er sein Angebot digitalisiert. Aus Personalnot betreibt er neben seinen Filialen auch sechs Selbstbedienungsregale. Im Sockel des Regals befinden sich Rechner, die das Regal ständig überwachen, ohne, dass der Kunde es bemerkt. „Unter jedem Boden ist eine Waage verbaut“, erklärt Schmitt. „Die wiegt permanent das Gebäck und weiß genau, wenn eins rauskommt.“ Im System sei hinterlegt, wie schwer ein Brötchen ist. So wisse es zu jedem Zeitpunkt, wie viel Ware sich im Regal befindet.
Acht Kilometer entfernt kann Schmitt am Computer zudem alles verfolgen, was sich in seinem Regal tut. Auf seinem Bildschirm wird für jedes einzelne Produkt im SB-Regal eine Verlaufskurve angezeigt. So kann er, falls nötig, sofort Nachschub liefern. So habe er einen besseren Überblick über die Nachfrage, sparen zusätzlich Lebensmittel ein und produziert weniger Überschuss. Außerdem entlaste die Technik das Personal.
Die Überwachung des Warenbestandes ist Grundvoraussetzung für den KI-Einsatz. Denn neben der Menge an Backwaren überwacht die KI noch weitere Daten, wie den Kalender. Wenn ein Wochenende oder Feiertag bevorsteht, kalkuliert sie dies in ihre Berechnungen für die ideale Produktionsmenge ein. Auch die Tageszeit und Wetterdaten können von der Künstlichen Intelligenz entsprechend ausgewertet werden. So steigt bei Grillwetter die Nachfrage für Baguette an und Schmitt kann entsprechend mehr liefern.
Das erste KI-Hotel
Das Ringhotel Teutoburger Wald ist dabei, Künstliche Intelligenz in seine gesamte Infrastruktur zu integrieren. Hotelbesitzer Olaf Kerssen, der sich den Betrieb mit seinem Bruder Rainer Kerssen teilt, begann aus dem Wunsch heraus, Strom und Kosten einzusparen, schon vor Jahren damit, sein Haus nach und nach mit modernster Elektrotechnik auszustatten. Innerhalb eines Joint Ventures mit dem Unternehmen Schneider Elektrik ist das Hotel an einem Projekt zur Integration von KI in alle energietechnischen Prozesse beteiligt. Aktuell sammelt die noch unfertige KI bereits Wetterdaten der hauseigenen Anlage auf dem Dach und gleicht sie mit den Wetterdaten des dänischen Wetterdienstes ab. Auf diese Weise soll die KI in den kommenden zwei Jahren in der Lage sein, das Wetter und den damit einhergehenden Energieverbrauch des Vier-Sterne-Hotels vorherzusagen und zu planen. Sollte es eine Woche hindurch regnen, ermittelt die KI die fehlende Menge an Strom durch zu wenig Sonnenenergie und optimiert gemessen daran den Verbrauch im ganzen Haus.
„Dabei soll die KI auch regulieren können“, erklärt Kerssen. So könne sie entscheiden, ob die Wäsche erst am nächsten Tag gewaschen oder die E-Autos erst später geladen werden sollen. Unterstützend befindet sich ein Spitzenlastmanager im Hotel, der heute schon automatisch die Stromleistung reguliert. So schaltet er beispielsweise die Heizstäbe der Sauna nur für fünf Minuten an, um den gemessenen Verbrauch und die damit einhergehenden Kosten nicht zu übersteigen. Auch diese Aufgabe soll auf Dauer die KI übernehmen. Alle Tätigkeiten sollen dabei per Display einsehbar sein.
Künstliche Intelligenz – Echter Genuss
Die Universität Kassel hat voriges Jahr das Projekt „Ahle Wurst trifft Künstliche Intelligenz“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit der Caldener Landfleischerei Koch wurde ein Verfahren entwickelt, in dem eine KI den Reifeprozess der nordhessischen Spezialität optimiert.
Per Sensor werden dabei Informationen über Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit oder den PH-Wert der Würste gesammelt und an einen zentralen Rechner übermittelt. Ein Programm errechnet die notwendigen nächsten Schritte. Anhand dieser Vorgaben kann das Personal entsprechend in den Reifungsprozess eingreifen. Eventuelle Rückmeldungen werden anschließend ins System eingespeist und sofort verarbeitet. Somit lernt die KI im Arbeitsalltag des KMU, welche Gegebenheiten eine gute Ahle Wurst braucht.
Was zunächst nur als ein erster Versuch gedacht war, könnte bald Alltag in der Fleischbranche werden. Besitzerin Katharina Koch, die die Fleischerei Koch in zweiter Generation betreibt, sagt dazu: „Wir können uns sehr gut vorstellen, das System zu nutzen. KI bietet sicherlich auch in Bezug auf andere Prozesse noch viele Chancen.“
Passgenaue Arbeiten
In der Schreinerei Hierbeck aus Schöllnach in Niederbayern wird KI für alle Standardverfahren, die für Erkennung, Vermessung und Konstruktion von Objekten verantwortlich sind, genutzt, beispielsweise im Küchenbau. Der Computer bestimmt, welche Bauteile benötigt werden und wo die Bohrlöcher zu platzieren sind. So erklärt Inhaber Thomas Hierbeck: „Es muss sich heute keiner mehr hinstellen und mit dem Meterstab rummessen “ Das erspart den Handwerkern viel Zeit. An die Grenzen stößt die KI lediglich, wenn Kreativität gefordert ist oder historische Handwerkstechniken zum Einsatz kommen. In Zukunft möchte er eine KI-basierte App einsetzen, die aus wenigen Befehlen automatisch Skizzen erstellt. Hierbeck: „Wir setzen alles ein, was uns nützt. In fortschrittlichen Handwerksbetrieben gibt es keine Berührungsängste mit Künstlicher Intelligenz.“
June – der Anwaltsunterstützer
JUNE ist eine Case Management & Automation Plattform für alle juristischen und administrativen Prozesse. Sie kann von Kanzleien, Rechtsabteilungen, Banken und Versicherungen genutzt werden. Die Software automatisiert und plant Arbeitsabläufe über modulare Workflows. Zudem kann June einen schnellen Überblick über die Inhalte von Akten liefern und konkrete Fragen beantworten, da es mit semantischer Volltextsuche arbeitet.
Fazit
In vielen Branchen steckt die KI bzw. ihre Anwendung noch in den Kinderschuhen. Aber es gibt viele Projekte, die als Piloten vorangehen und die Arbeit vereinfachen sowie den Fachkräftemangel auffangen können. Das Interesse ist vorhanden, die Vorteile klar. Bis die KI-Anwendungen in KMU in der Breite angekommen sind, wird es aber noch etwas dauern. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom von 2024 sehen 46 Prozent aller deutschen Unternehmen die Anforderungen an den Datenschutz noch nicht ausreichend belegt. Etwa ebenso viele Unternehmen gaben an, dass ihren Mitarbeitenden schlicht das technische Know-how fehle, um generative KI einzusetzen. Als drittgrößtes Hemmnis bei Einsatz von KI nannten die Unternehmen fehlende personelle Ressourcen (42 Prozent).
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.