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Prospekthaftpflichtversicherung: Schutzweste am Kapitalmarkt

von Lieselotte Hasselhoff
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Emittenten sind für falsche und irreführende Informationen im Wertpapierprospekt haftbar. Die POSI-Versicherung bietet Schutz.

Ein Gastbeitrag von Björn Stressenreuter

Eine prospektpflichtige Kapitalmarkttransaktion, wie ein Börsengang (IPO) oder die Ausgabe von Anleihen, kann Haftungsansprüche bei den beteiligten Personen und Unternehmen auslösen. Dies führt dazu, dass sie infolge schadensersatzpflichtig gemacht werden können und sich strafrechtlichen Ermittlungen stellen müssen. Im Folgenden wird vorwiegend aus Sicht der Emittentin und der dort handelnden Personen die Absicherung durch die Prospekthaftpflichtversicherung (POSI), auch IPO-Versicherung genannt, betrachtet. Für weiterführende Informationen verweisen wir auf unseren Podcast „Haftungsrisiken beim IPO richtig managen“ mit der Deutschen Börse unter: www.riskpartners.de/ipo.

Was ist eine Prospekthaftpflichtversicherung?

Die POSI schützt vor zivil- und strafrechtlichen Ansprüchen, die durch falsche oder unvollständige Angaben im Wertpapierprospekt oder während des Vermarktungsprozesses, wie beispielsweise bei Verhandlungen mit Ankerinvestoren („Cornerstone Agreements“), entstehen können. Als Haftpflichtversicherung hat sie die Aufgabe,

  • die Frage der Haftung zu klären,
  • unberechtigte Ansprüche abzuwehren und
  • berechtigte Ansprüche zu befriedigen.

Der Prospekt, als Namensgeber dieser Versicherung, liefert potenziellen Investoren wichtige Informationen über das Wertpapier. Dies gilt aber ebenso für Investorenmeetings im Rahmen von Roadshows. Daher ist es entscheidend, die POSI als Prozessversicherung zu verstehen und frühzeitig zu initiieren. Die Versicherten können wichtige Garantieerklärungen für den Versicherungsschutz frühzeitig abgeben und die Absicherungswünsche der im Folgenden aufgeführten Akteure von Beginn an bei der Risikovermarktung berücksichtigen.

Welche Akteure werden durch die POSI-Versicherung abgesichert?

Die POSI kann eine breite Gruppe von Versicherten umfassen, wie z.B.:

  1. Emittenten: Der Emittent wird grundsätzlich als Versicherungsnehmer versichert.
  2. Organe des Emittenten: Vorstände, Aufsichtsräte und andere beteiligte Personen können ebenfalls in ihrer Organschaft haftbar gemacht werden bzw. direkt haften, wenn sie als Prospektverantwortliche oder -veranlasser auftreten.
  3. Konsortialbanken: Diese übernehmen im Rahmen des Prozesses eine wichtige Prüfungsrolle, sodass der Gesetzgeber ihnen analog zum Emittenten die Rolle des Prospektveranlassers zuschreibt, mit infolge entsprechender Haftung gegenüber den Investoren.
  4. Controlling/Selling Shareholder: Diese können aufgrund ihrer besonderen Stellung und ihres wirtschaftlichen Interesses an der Transaktion ebenfalls für Schäden haftbar gemacht werden (vgl. DT3-Rechtsprechung).
  5. Wirtschaftsprüfer: Diese prüfen unter anderem die Richtigkeit der Finanzkennzahlen („Comfort Letter“) im Prospekt und können dadurch haftbar gemacht werden. Regelmäßig fordern sie daher umfassende Haftungsfreistellungen von der Emittentin. Der hieraus potenziell entstehende Schaden der Emittentin kann abgesichert werden.

Warum reicht die D&O-Versicherung regelmäßig nicht aus?

Insbesondere bei kleineren Transaktionen wird das Thema „POSI“ oft erst spät aufgegriffen, da mangels Beratung und fehlendem Druck der Banken eine D&O-Versicherung als ausreichend erachtet wird. Dabei handelt es sich jedoch um eine komplementäre Deckung. Kurz erklärt: Die POSI wird im Rahmen der Beratung auf das jeweilige Projekt und das damit verbundene spezifische Kapitalmarktrisiko maßgeschneidert, um die Risiken der am Prozess beteiligten Akteure abzusichern. Hierzu zählt die Abbildung spezifischer Rechtsprechung sowie die von Spezialgesetzesnormen (z.B. Wertpapierprospektgesetz) in den Versicherungsbedingungen. Versicherungsfälle wie z.B. eine fehlerhafte, für die Equity-Story zentrale Marktstudie sind in den maßgeschneiderten Bedingungen geregelt.

Im Gegensatz dazu fokussiert sich die D&O-Versicherung auf die Organhaftung, wie z.B. ein Überwachungsverschulden der Aufsichtsräte der Emittentin, und bildet die einschlägigen Haftungsnormen, z.B. aus dem Aktiengesetz, in den Bedingungen ab. Obwohl die D&O-Versicherung regelmäßig aufgrund der Kapitalmaßnahme angepasst werden muss, liegt ihr Fokus auf einem völlig anderen Haftungsrisiko. Zum eigenen Schutz fordern D&O-Versicherer zudem üblicherweise einen expliziten Prospekthaftungsausschluss im Zusammenhang mit der als Gefahrerhöhung zu meldenden „prospektpflichtigen Kapitalmarkttransaktion“ für sich ein.

Besonderheiten und Tipps

Wie eingangs beschrieben, ist es wichtig, die POSI als Prozessversicherung zu verstehen und die verschiedenen Interessenlagen der „Haftenden“ frühzeitig abzustecken. Es empfiehlt sich, das Thema bereits im Engagement Letter zu adressieren, um regelmäßig auftretende Interessenkonflikte frühzeitig zu verhandeln. Unternehmen, die sich erstmals mit „Prospekthaftung“ befassen, sollten frühzeitig einen fachkundigen Berater ins Projektteam integrieren. Da das POSI-Risiko fast ausschließlich bei D&O-Versicherern platziert wird, können bereits 12-14 Monate im Voraus wichtige Weichen in der D&O-Programmstruktur gestellt und bei großen POSI-Risiken die frühzeitige Vermarktung des Risikos in ausländischen Märkten (London/Bermuda) angegangen werden. Dies hat positive Effekte auf Versicherungssumme, Kosten, Bedingungsqualität und Meldepflichten unter der D&O-Versicherung.

Es gibt zudem Transaktionen mit Risikoprofilen (z.B. derzeit US-Kapitalmarkt, Business Combination beim DE-SPAC, Mittelstandsanleihen), bei denen ggf. eine separate POSI nicht verfügbar ist und nur eine Integration in die D&O-Versicherung mit abgespecktem Versicherungsschutz als Option verbleibt. Je nach Risikoprofil kann es auch sinnvoll sein, die Integration eines POSI-Bausteins in die D&O-Versicherung zu prüfen, sofern es sich um ein vergleichsweise geringes Risiko handelt. Auch aus diesem Grund empfiehlt es sich, das POSI- und D&O-Risiko von einem Berater betreuen zu lassen.

Eckdaten der POSI-Versicherung

  • Versicherungssumme: Diese variiert normalerweise zwischen 5% bis 50% des Emissionsvolumens und hängt von verschiedenen Faktoren (z.B. Forderungen der Banken) sowie dem Marktumfeld ab.
  • Versicherungsprämie: Diese liegt in der Regel zwischen 0,5% bis 4% der Versicherungssumme, je nach Risikoprofil und professioneller Vermarktungsstrategie.
  • Kapazitäten: Die maximale Versicherungssumme hängt vom Risiko und Marktzyklus ab. 2024 sind bis zu 400 Millionen Euro bei guten Risikoprofilen und Einbeziehung ausländischer Märkte möglich. Sonderbausteine wie die Haftungsfreistellung der Wirtschaftsprüfer sind nur mit geringeren Summen versicherbar.
  • Laufzeit: Die Versicherung läuft typischerweise über 12 Jahre und sichert entsprechend komfortabel die Verjährungsfristen der Prospekthaftung ab. Die Prämie ist nur einmal zu zahlen.

Fazit

Die POSI sollte als zentraler Bestandteil bei jeder prospektpflichtigen Kapitalmarkttransaktionen bewertet werden. Sie bietet spezifischen Schutz, der – wie dargelegt – weit über den einer allgemeinen D&O-Versicherung hinausgeht. Für Unternehmen, die einen Börsengang oder eine ähnliche Transaktion planen, ist es ratsam sich idealerweise spätestens parallel zum Engagement Letter zur POSI von Spezialisten beraten zu lassen, da idealerweise wichtige Anpassungen im D&O-Programm im Voraus umgesetzt sowie die attraktive Vermarktung frühzeitig angestoßen werden kann.

Björn Stressenreuter © Risk Partners

Björn Stressenreuter, ausgebildeter Versicherungskaufmann und Masterabsolvent der Universität zu Köln sowie der Copenhagen Business School, berät Unternehmen und Organe in Fragen der Kapitalmarkt- und Organhaftung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des inhabergeführten Versicherungsmaklers Risk Partners GmbH, der innovative, marktführende Spezialkonzepte wie die „D&O Public Flip“ (Börsengang im Ausland) und „POSI Prime Protect“ (Prospekthaftung in Deutschland) entwickelt hat.

 

 

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