Home GastbeiträgeNachhaltigkeitsaspekte in Wertpapierprospekten – Veröffentlichung der ESMA vom 11. Juli 2023

Nachhaltigkeitsaspekte in Wertpapierprospekten – Veröffentlichung der ESMA vom 11. Juli 2023

von Lieselotte Hasselhoff

ESG, grün, social und nachhaltig – dies sind inzwischen gängige Begriffe bei Wertpapieremissionen, vor allem Anleihen. Hinzu kommen Greenwashing und verbundene Haftungsrisiken. Die Regulierung zu ESG und Nachhaltigkeit wird immer dichter, wenn nicht sogar unüberschaubar. Ein Gastbeitrag von Dr. Anne de Boer.

Sofern ein Emittent mit Nachhaltigkeit, z. B. bei der Emission einer Unternehmensanleihe wirbt, dürfte es sich von selbst verstehen, dass die Grundlagen hierfür im Wertpapierprospekt aufzunehmen sind. Immerhin verlangt Art. 6 (1) der Prospektverordnung (EU) 2017/1129 (in der aktuellen Fassung), dass in den Prospekt die erforderlichen Informationen aufzunehmen sind, die für den Anleger wesentlich sind, um sich ein fundiertes Urteil über den Emittenten und das Investment zu bilden. Allerdings enthalten weder die Prospektverordnung noch die Anhänge der DVO 2019/980 (DVO) nähere Details, was und an welchen Stellen im Prospekt zu Nachhaltigkeit auszuführen ist. Immerhin sind nach Ziffer 54 der Vorbemerkungen zur Prospektverordnung bei den Risiken auch umwelt- und sozialpolitische Umstände sowie Faktoren in Bezug auf die Unternehmensführung von Bedeutung.

Diese Lücke im Prospektrecht möchte die ESMA füllen und hat am 11. Juli 2023 Leitlinien zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsaspekten in Wertpapierprospekten veröffentlicht. Die Leitlinien sollen ausdrücklich keine weiteren Veröffentlichungspflichten begründen, sondern verfolgen das Ziel, eine einheitliche Marktpraxis zu sichern.

Nachhaltigkeit gehört in den Prospekt – aber wie?

Die ESMA empfiehlt, dass Emittenten insbesondere folgende Punkte zur Nachhaltigkeit in einem Wertpapierprospekt berücksichtigen:

• Emittenten sollen die Grundlagen ihrer Aussagen zu ihrem Nachhaltigkeitsprofil und der von ihnen zu begebenden Wertpapiere im Prospekt darstellen. Dies umfasst die relevanten Informationen, Untersuchungen und Analysen einschl. Dritter und Grundlagen sowie Angaben zu Marktstandards. Solche Marktstandards können z.B. die Standards der ICMA oder der anstehende EU Green Bond Standard sein.
• Dazu gehören auch Risikohinweise, z. B. dass Erwartungen an Nachhaltigkeit unterschiedlich sein können und einem Wandel unterliegen. Allerdings darf dies nach ausdrücklichem Hinweis der ESMA nicht zu einem allgemeinen Disclaimer führen. So darf kein Risiko aufgenommen werden, das beinhaltet, dass eine Mittelverwendung nicht erfüllt wird.
Selbstverständlich müssen die Ausführungen objektiv und verständlich sein. Sofern eine Nachhaltigkeitsberichterstattung der Emittentin wie nach der CSRD wesentliche Ausführungen enthält, sind diese auch in den Wertpapierprospekt aufzunehmen.

Was das konkret für Unternehmen bedeutet

In der Praxis dürfte der Schwerpunkt aktuell auf Nicht-Dividendenwerten liegen. Dabei unterscheiden die Leitlinien zwischen use-of-proceed Anleihen, also solchen, deren Erlöse für grüne oder nachhaltige Zwecke verwendet werden, und sustainability-linked Anleihen, bei denen die Nachhaltigkeit in Bezug auf Kennzahlen gefördert wird.

Bei use-of proceed Anleihen sind die Mittelverwendung und das Management der Erlöse darzulegen. Hinzu kommen Informationen zum Prozess der Projektbewertung und -auswahl, mit denen die Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden.

Bei sustainability-linked Anleihen erwartet die ESMA Informationen über die ausgewählten Key Performance Indicator(s) (KPIs), die Sustainability Performance Target(s) (SPTs) und Informationen, die es Anlegern ermöglichen, die Konsistenz der KPIs, ihrer Ziele sowie zugehörige SPTs anhand der relevanten branchenspezifischen wissenschaftsbasierten Ziele (falls vorhanden) und der Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten zu bewerten.

Nach der ESMA können Nachhaltigkeitsthemen in folgenden Abschnitten eines Prospekts relevant sein:

• Risikofaktoren
• Verwendung von Emissionserlösen einschl. der damit verfolgten Nachhaltigkeitsziele
• Auswirkungen einer vorzeitigen Rückführung von Mitteln auf die Nachhaltigkeit
• Nennung von Beratern im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit
• Auswirkungen auf das Wertpapier wie z. B. Zinserhöhungen
• Angaben zum nachträglichen Reporting

Weiterhin könnten nach unserer Erfahrung bei der Haupttätigkeit bzw. Beschreibung der Emittentin Angaben zur Nachhaltigkeit sinnvoll sein.

Es wird sich sicher schnell eine Marktpraxis bilden, die auch einem fortlaufenden Wandel unterliegt. Wichtig ist, dass Emittenten konsistent in den unterschiedlichen Medien berichten, welche Bedeutung Nachhaltigkeit in ihrem Geschäftsbetrieb hat.

 

 


Dr. Anne de Boer ist mehrfach ausgezeichnete Rechtsanwältin mit Schwerpunkten u.a. in den Bereichen Corporate Finance, Corporate und Kapitalmarktrecht. Als Partnerin der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek co-leitet sie deren Praxisgruppe Kapitalmarkt und die ESG-Gruppe, zugleich ist sie Mitglied des Frenchdesk, der Unternehmen auf ihrem Weg nach Frankreich und französische Unternehmen in Deutschland berät. Darüber hinaus ist Dr. de Boer Mitglied im Landesvorstand des Wirtschaftsrats Baden Württemberg und dem Club d´Affaires Franco-Allemand.      www.heuking.de

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

You may also like

Hinterlassen Sie einen Kommentar