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Vergesst die kapitalmarktorientierten Mittelständler nicht!

von Lieselotte Hasselhoff
Bitte Tür öffnen: Mittelständler benötigen einen einfachen Kapitalmarktzugang

Die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz will die deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen. Klingt gut – doch wer zwischen den Zeilen liest, merkt schnell: Der Mittelstand und insbesondere die kapitalmarktorientierten KMU kommen kaum vor. Im Koalitionsvertrag taucht das Wort „Börse“ genau einmal auf – und das nur im Zusammenhang mit Tierbörsen. Dabei wäre ein verbesserter Kapitalmarktzugang für KMU ein wichtiger Schlüssel zu mehr Wachstum.

Von Holger Clemens Hinz

Zwar gibt es erste gute Ansätze: Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) sprach im Bundestag von dringend nötiger Unterstützung für den Mittelstand. Sie kündigte Entlastungen bei Energie und Steuern sowie mehr Förderprogramme an. Doch was fehlt, sind konkrete Maßnahmen – vor allem für jene Mittelständler, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren wollen.

Der Kapitalmarkt? Fehlanzeige in den Regierungserklärungen. Dabei wäre genau das ein Schlüssel, um KMU wieder wettbewerbsfähig zu machen. Andere Länder zeigen, wie’s geht: Die Nasdaq Nordic oder der AIM-Markt in London bieten mit schlanken Regeln, niedrigen Kosten und hoher Investorennachfrage ideale Bedingungen für kleinere Unternehmen und einen attraktiven Kapitalmarktzugang für KMU.

Was KMU jetzt brauchen:

  • Einen einfachen, günstigen Kapitalmarktzugang
  • Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität
  • Eine kapitalmarktbasierte Altersvorsorge, wie in Schweden
  • Steuerliche Anreize für Investitionen in KMU
  • Höhere Freibeträge für Börsengewinne und Mitarbeiteraktien

In allen aktuellen Berichten zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit gelten integrierte Kapitalmärkte als entscheidender Hebel für Innovation und Wachstum. Doch in Deutschland bleibt das oft nur ein Lippenbekenntnis. Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbands Kapitalmarkt KMU, bringt es auf den Punkt: „Jetzt braucht es konkrete Schritte für bessere Rahmenbedingungen.“

Während die WIN-Initiative der Regierung Start-ups und Scale-ups fördert, fehlt ein vergleichbares Programm für Unternehmen, die den Sprung an die Börse wagen oder weiteres Wachstumskapital benötigen. Genau hier liegt eine große Lücke – und eine große Chance.

Was die Regierung jetzt tun sollte:

  • Den geplanten Deutschlandfonds und Zukunftsfonds auch für kapitalmarktorientierte KMU öffnen
  • Die Kapitalmarktunion (jetzt „Savings and Investment Union“) endlich vorantreiben
  • Regulatorische Hürden abbauen und Pflichtprozesse vereinfachen

Um deutsche KMU zu stärken, muss ihnen vor allem der Kapitalmarktzugang deutlich erleichtert werden. Die bereits seit zehn Jahren angestrebte Vereinheitlichung des europäischen Kapitalmarkts zur Kapitalmarktunion – inzwischen wurde das Projekt in „Savings and Investment Union“ (SIU) umgetauft – muss weiter vorangetrieben werden. Wichtig wäre es vor allem, übermäßige Regularien und komplexe Pflichtprozesse abzubauen. In den USA beispielsweise profitieren Mittelständler von einem flexiblen Kapitalmarkt, der ihnen Zugang zu dringend benötigtem Wachstumskapital ermöglicht. Diese Beispiele sollten uns als Vorbild dienen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Attraktivität von Investitionen in KMU. Hier könnten verbesserte Verlustverrechnungsmöglichkeiten und steuerliche Vergünstigungen für Investitionen in KMU sowie höhere Freibeträge für private Börsengewinne und Mitarbeiteraktien helfen. Das würde das Investoreninteresse an KMU-Aktien und -Anleihen deutlich stärken. Die geplante Einrichtung eines Deutschlandfonds, der Finanzierungslücken bei Scale-ups und Mittelständlern schließen soll, sowie des Zukunftsfonds zur Unternehmensförderung sollten zum Beispiel uneingeschränkt auch für kapitalmarktorientierte KMU gelten. Ebenso wäre der angekündigte Bürokratieabbau sehr hilfreich. Hier wird es von der Umsetzung abhängen, ob auch kapitalmarktorientierte KMU davon profitieren.

Mehr Kapitalmarktorientierung für das Rentensystem und bei Investitionen

Ein Blick ins Ausland zeigt, wie es besser geht: In Schweden hat die kapitalmarktbasierte Altersvorsorge nicht nur das Rentensystem stabilisiert, sondern auch das Investoreninteresse an KMU gestärkt. Angesichts der demografischen Herausforderungen sind unsere Altersvorsorgesysteme ohne Kapitalmarktkomponente ohnehin nicht mehr finanzierbar. Um die Attraktivität von Investitionen in KMUs zu erhöhen, so fordert es der Verband Kapitalmarkt KMU, wären auch verbesserte Verlustverrechnungsmöglichkeiten und steuerliche Vergünstigungen für Investitionen in KMU sowie höhere Freibeträge für private Börsengewinne und Mitarbeiteraktien wünschenswert. Das würde das Investoreninteresse an KMU-Aktien und -Anleihen deutlich stärken. Ebenso wäre der angekündigte Bürokratieabbau sehr hilfreich. Hier wird es von der Umsetzung abhängen, ob auch kapitalmarktorientierte KMU davon profitieren.

Die neue Bundesregierung täte daher gut daran, mit einem Bündel an Maßnahmen auch den kapitalmarktorientierten Mittelstand zu stärken, damit auch diese Unternehmen die Transformation der Wirtschaft und die Herausforderungen durch Rezession, geopolitische Risiken und Standortnachteile meistern können.

Sofern die neue Bundesregierung all diese Reformen beherzt angeht, dürften auch der Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft von neuen Finanzierungswegen am Kapitalmarkt jenseits der typischen Unternehmenskredite profitieren und Deutschland als Standort für Börsengänge deutlich attraktiver machen.

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

Holger Clemens Hinz
Leiter Kapitalmarktgeschäft

holger.hinz@quirinprivatbank.de

+49 69 / 247 50 49 30

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